Verlag: Gummy Bear Factory  Autoren: Peter Jank   Spieldauer: 40-90 Min    Spieleranzahl: 2-4

Darf man das? Dreister, aber toller "Dune Imperium"-Klon

So ganz kann ich es ja nicht nachvollziehen, wie ein "Autor" eines Spiels ein anderes sehr bekanntes Game - in diesem Fall das sehr populäre "Dune Imperium" quasi 1:1 kopieren darf. Gibt es in der Brettspielszene nicht so etwas wie geistiges Eigentum? Naja, nicht meine Baustelle. Ehrlich gesagt bin ich total froh, dass es "Adventure Realms" gibt, denn tatsächlich würde ich es jederzeit einer Partie "Dune Imperium" vorziehen. Warum das so ist, lest Ihr im Folgenden.

Wundervolle 16-Bit-Optik

Während ich "Dune" thematisch trotz des tollen Kinofilms nicht sonderlich viel abgewinnen kann (findet ihr das Wort Fremen nicht auch seltsam?), schlägt das Setting hier bei mir total ein. Als Super Nintendo Kind der 90er fühle ich mich sofort in die Kindheit katapultiert, die Optik versprüht aus allen Poren Charme und holt mich voll ab. Die Charaktere auf den unzähligen Karten sind so fantastisch

dargestellt , sodass ich immer wieder ins Schmunzeln komme. Auch das Spielbrett mit seinen Einsetzfeldern in vier Zonen und den vier Gilden steht dem in nichts nach, es sieht einfach aus wie ein SNES-Videospiel. 

Was macht man hier so?

Grundsätzlich zieht man fünf Karten und darf seine Worker dadurch einsetzen, dass man eine Karte mit passendem Landschafts- oder Gildensymbol spielt. Neben der Ortsaktion aktiviert man zudem den Effekt auf dem dunklen Streifen der gespielten Karte. Ungespielte Karten in dieser Runde offenbart man und triggert dadurch die Effekte des unteren beigen Streifens - meistens um mit der imaginären Wertung neue Karten zu kaufen oder Spezialeffekte auszulösen. Haben alle Spieler ihre Karten gespielt bzw. offenbart, geht es in die Dungeonphase und man streitet um die Rundenbelohnungen.

Entscheidende Nuancen

Was "Adventure Realms" meiner Meinung nach besser macht als "Dune Imperium" ist zum einen die erhöhte Varianz der erwerbbaren Heldenkarten. Hier gibt es ganze 92 Karten und allesamt sind sie einzigartig. Natürlich starten alle Spieler mit derselben Kartenhand, darüber hinaus erweitert man sein Deck aber nur noch mit Karten, die man den anderen wegkauft und die so nicht mehr vorkommen. Dass dabei einige Karten stärker als andere sind, macht das Ganze unberechenbarer und sicherlich auch etwas swingy, aber da es viele starke Karten gibt, hält sich dadurch die Balance meistens die Waage. Das Spiel wird dadurch auch spannender und abwechslungsreicher, da man jede Partie andere Karten sieht und sich immer neu ausrichten muss.

 

Die wohl stärkste Änderung zu Dune Imperium findet sich in der abschließenden Dungeon-Phase einer jeden Runde. Wie im großen Vorbild duellieren sich die Spieler um die besten Rundenbelohnungen, welche offen zu Beginn der Runde ausliegen. Im Gegensatz zu Dune gibt es hier allerdings einen entscheidenden Kniff: während der aktuelle Startspieler im Workerplacement-Teil einen kleinen Vorteil hat, ist er in der Dungeon-Phase im Nachteil, denn er fängt auch hier an. Was kann er tun? Er kann beliebig viele Magiekarten spielen - falls er welche hat - um im Dungeonlevel zu steigen. Dadurch, dass die nachfolgenden Spieler aber sehen, wann er aufhört, können diese eventuell einfach mehr oder bessere Magiekarten spielen, um zu überholen. Wer hier letzter ist, hat die besten Chancen, vorausgesetzt er hat natürlich mächtige und passende Karten auf der Hand. So entsteht ein wunderbares Taktieren und Hoffen, dass man am Ende ganz oben steht und die beste Belohnung - später meist Siegpunkte - abgreifen kann.

Flotte Spielzeit, super Spielfluss

Das Spielende wird eingeleitet, sobald ein Spieler 10 Siegpunkte erreicht. Schafft dies niemand, endet das Spiel nach zehn Runden. Die Aktionen gehen superschnell von der Hand, sind simpel wie effektiv und sorgen dafür, dass man extrem schnell wieder an der Reihe ist. Hier punktet "Adventure Realms" natürlich mit denselben Stärken von "Dune Imperium" - die Symbiose zwischen Workerplacement und Kartenaktivierung ist großartig und macht enorm viel Spaß.

 

Warum das Spiel bei mir immer wieder auf den Tisch kommt, liegt dann letztendlich auch an der knackigen Spielzeit von 50 bis 70 Minuten, je nach Spieleranzahl. In dieser Zeit trifft man vergleichsweise viele und entscheidende Entscheidungen. Etwas, was ich sehr an dem Spiel schätze.

Wenn da nicht dieser hohe Preis wäre ...

Trotz der Lobhudelei muss natürlich der hohe Preis erwähnt werden. Aktuell gab es das Spiel nur über den amerikanischen Shop "TheGameCrafter" für stolze 80 Dollar, mit Versand und Zoll lag der Preis letztlich bei ca. 130 Dollar. Objektiv gesehen natürlich viel zu viel Geld, aber mir war es das Ganze wert, da "Adventure Realms" bei mir in steter Regelmäßigkeit und in verschiedensten Gruppen auf den Tisch kommt. 

 

Adventure Realms V2 

Aktuell gibt es das Spiel in der zweiten Auflage. Ich habe beide und die zweite Version unterscheidet sich nur in Nuancen: ein paar Einsatzfelder wurden etwas angepasst und Details an der Grafik verändert, ebenso gibt es nun Schatzkarten und Adventure Cards im Dungeon. Alle Veränderungen machen hinsichtlich des Balancings Sinn, die Schatzkarten gefallen mir aber nicht besonders. Erreicht man die Dungeonstufe, zieht man einen zufälligen Schatz. Hier gibt es manchmal direkt Punkte, manchmal aber auch nur, wenn man bestimmte Diamanten hat. Das ist mir persönlich viel zu zufällig und gewinnt man dadurch eine Partie, hat das dann doch einen leicht bitteren Nachgeschmack. Kann man meiner Meinung nach getrost weglassen.

 

Anscheinend stehen auch Pläne für eine EU-Veröffentlichung im Raum. Das wäre dem Spiel wirklich zu wünschen, auch wenn es natürlich so ein kleines saures Geschmäckle hat, wenn ein Autor ein anderes Spiel einfach dreist kopiert. Ob oder inwieweit es hierfür eine Berechtigung gibt, weiß ich nicht. Nichtsdestotrotz liebe ich diesen "Dune Imperium-Klon" Spiel in dieser Fassung,.

Was ist mit Last Fantasy? Braucht man die Erweiterung?

Die Erweiterung "Last Fantasy" erweitert das Spielbrett mit vier weiteren Einsatzfeldern sowieso einer Korruptionsleiste. Der Spieler mit den wenigsten Siegpunkten am Ende einer Runde sowie alle, die nicht zumindest einen einzigen Dungeonschritt absolviert haben, erhalten eine Korruption. Diese sorgt für den Verlust von bestimmten Ressourcen am Ende der Runde, eröffnet aber auch ab einem bestimmten Korruptionswert Möglichkeiten und sogar Siegpunkte. Grundsätzlichen empfanden wir die Erweiterung sinnvoll, da sie ein schönes Spiel mit dem Feuer bietet. Der Verlust der Ressourcen ist hart, da kumulativ, darüber hinaus endet das Spiel sofort mit einer Niederlage, sobald ein Spieler das letzte Korruptionsfeld erreicht. Diese Mechanik hat nur ein kleines Problem: die zufällige und möglicherweise ungeschickte Anordnung der Korruptionskarten. Diese werden zu Beginn zufällig ausgelegt. Falls hier die Karte mit dem Verlust eines Gildenschrittes recht weit oben liegt, zerstört dies das Spielprinzip merklich. Zumindest ist der Kampf in den Gilden eine der zwei essentiellen Möglichkeiten, an rare Siegpunkte zu kommen. Wenn man also nicht jede Runde einen wertvollen Gildenschritt verlieren möchte, muss man gänzlich auf die Korruptionsmöglichkeiten verzichten und dann brauch man das Ganze theoretisch auch überhaupt nicht. Wir halten es mittlerweile so, dass wir diese Karte entweder rausnehmen oder wirklich weit unten in der Korruptionsleiste platzieren.

 

Ebenfalls in "Last Fantasy" enthalten sind die Anführerkarten, von denen wir immer zwei an jeden Spieler austeilen und eine auswählen lassen. Jeder Anführer kommt mit einer Spezialfähigkeit daher sowie einer Quest, die einmalig für einen Siegpunkt erfüllt werden kann. Gefällt uns gut, auch weil es extrem viele verschiedene Anführer gibt. Am Spieltempo ändert das nicht viel, auch wenn man mit Erweiterung selten die letzte Dungeonkarte sieht. 

 

Lohnen sich die 25 Dollar nun? Ich würde sagen, für Adventure Realms Fans ja. Wenn man die ungeschickte Platzierung der Gildenverlust-Korruptionskarte verhindert, bringt "Last Fantasy" mehr Möglichkeiten, mehr Karten und einfach eine gut implementierte Zusatzkomponente.

Wertungen 

Chris: Einfach Dune Imperium mit besserem Setting, mehr Varianz und weniger Zufall in der wesentlich runderen Dungeonphase. Ich liebe es!

Holger: Ganz nettes Spiel, aber die Materialqualität hat mich schon ziemlich abgeturnt, spielerisch aber auch nichts, was mich sonderlich begeistert

Eva L.: Hat mir richtig gut gefallen, auch für mich hat es im Vergleich mit Dune Imperium klar die Nase vorn

Simon: Eines der schönsten Spiele, die ich kenne. Die 16-BIt Grafik versetzt einen in nostalgische Stimmung und man freut sich, jede der vielen individuellen Karten zu entdecken. Das Spiel dahinter funktioniert sehr gut - Workerplacment und Deckbau, kombiniert mit kleineren Spielerinteraktionen.  Leider schwer zu bekommen und zu teuer. Die Erweiterung braucht man meiner Meinung nach nicht. 


FAZIT:

Irgendwie fies, aber "Adventure Realms" ist für mich und viele meiner Mitspieler, die den direkten Vergleich kennen, das bessere "Dune Imperium".

 

Die charmante 16-Bit-Optik, die vielen einzigartigen Heldenkarten und vor allem die schlankere und spannendere Dungeonphase sorgen dafür, dass "Adventure Realms" nicht nur die Stärken des Vorbilds aus der tollen Symbiose zwischen Workerplacement und Kartenaktivierung behält, sondern in Nuancen das bessere Spielerlebnis bietet.

 

Die Erweiterung "Last Fantasy" ist kein Must-Have, aber definitiv "nice-to-have".

 

Text: Chris

27.09.2022