Verlag: Feuerland Autoren: Matthias Wigge Spieldauer: 90 -150 Min Spieleranzahl: 1-4
Respekt! Matthias Wigges Erstlingswerk "Arche Nova" katapultierte sich über Feuerland direkt auf den Hype-Olymp der letztjährigen Spielemesse. Nahezu jeder wollte dieses Spiel haben, auf dem Sekundärmarkt wurde locker das Doppelte des Preises bezahlt und die Euphorie kannte keine Grenzen mehr. Gott sei Dank hat sich die Lage mittlerweile entspannt, viele wurden im Dezember bei der ersten großen Auslieferungswelle versorgt und mittlerweile bekommt man es auch gebraucht fast schon zu Normalpreisen. Aber ist "Arche Nova" wirklich so gut?
Das Gleichgewicht zählt
Der Zoobau in "Arche Nova" ist darauf ausgelegt, sowohl die Attraktivität zu steigern, gleichzeitig jedoch auch den Artenschutz zu fokussieren. Mechanisch bedeutet das, dass sich zwei Siegpunktleisten entgegengesetzt bewegen und zwar aufeinander zu. Treffen sich beide Zählsteine eines Spielers, leitet dies das Ende des Spiels ein. Das kennen wir schon so ähnlich
aus "Rajas of the Ganges", hier wird das Ganze aber nochmal verfeinert und wesentlich raffinierter ins Spielgeschehen vernetzt.
Und warum sieht das so öde aus?
Nicht wenige finden die Optik des Spiels mit der rudimentären Kartenauslage, den vielen Leisten und Symbolen eher wenig ansprechend. Das ist auch irgendwo verständlich, "Arche Nova" gewinnt sehr wahrscheinlich keinen Schönheitspreis. Auch die über 200 einzigartigen Karten sind mit ihren Stock-Fotos Geschmacksache, ich finde sie super. Was das Spiel dann aber
trotzdem super thematisch macht, warum ich meinen Zoo "fühlen" kann, liegt an der Wunderbaren Integration und Verzahnung der einzelnen Karten, Boni und Aktionen. Alles passt perfekt zusammen. Wenn ich also zum Beispiel einen Kinderspielplatz baue, habe ich auch das Gefühl, dies zu tun, weil ich einerseits die schön bebilderte Karte auslege, ein Sonderplättchen auf meinem Zooplan einbaue und die Effekte des Spielplatzes einfach Sinn machen.
Ein Expertenspiel für ... alle.
Kommen wir zum Salz in der Suppe, der Spielmechanik. Die ist überragend, denn kein Expertenspiel der letzten Jahre hat es geschafft, eine solche Tiefe zu bieten und dabei einen so unfassbar guten Spielfluss hinzubekommen. Ja, eine Partie "Arche Nova" dauert auch mal seine drei Stunden. Die Zeit vergeht aber wie im Flug, denn Downtime existiert quasi nicht. Ausradiert, einfach so. Wigge hat es geschafft, mit fünf Karten sämtliche Aktionen zu ermöglichen. Natürlich gibt es viel zu beachten und enorm viele Optionen, aber letztendlich entscheidet man sich für eine von fünf Karten und baut Gebäude, lässt Tiere einziehen, nimmt sich neue Karten, spielt eine Sponsorenkarte oder macht Verbandsaktionen. Klingt jetzt einfacher als es ist, denn alle fünf Aktionsmöglichkeiten haben Bedingungen und sind je nach Spielsituation lukrativer oder nicht, aber das Geniale kommt erst noch: Je seltener man eine Aktionskarte wählt, desto stärker ist sie nämlich. Auf Platz 5 spielt man sie mit voller Stärke, danach rutscht sie wieder an Position 1. Simpel und großartig! Aus diesem Grund wählt man dann letztendlich oftmals eher eine Karte, die auf Position drei, vier oder fünf liegt. Im Endeffekt muss man seine Aktionen so timen, dass man in einen Flow kommt und alles zusammenläuft. Hier liegt die Stärke und Würze von "Arche Nova".
Ein Brettspieltraum
Ich hätte es nicht gedacht, aber dieses Mal fahre ich mit auf dem Hypetrain. "Arche Nova" ist ein fantastisches Spiel geworden, das mich und meine Mitspieler in mehrfacher Hinsicht begeistert hat. Zusammengefasst liegt das am wunderbaren Spielfluss, den tollen Karten, dem mehr als gelungenen Puzzle-/Bauaspekt, der hervorragenden thematischen Symbiose aus allen Einzelteilen und den tollen Entscheidungen, die man treffen muss. All die vielen Boni und Freischaltungen, die man überall erreichen kann, machen an genau dieser Stelle Sinn, an der sie sich befinden. Man will sie alle haben, will seine Aktionskarten auf die Upgrade-Seite drehen. Aaaah, das Drehen der Karten. Nochmal so eine geniale Entscheidung, hier maximal nur vier der fünf Karten in einer Partie switchen zu lassen. Großartig, denn ich stecke jedes Mal in einem Dilemma, welche Karte ich denn nun drehe. Auch wenn einige davon wichtiger als andere erscheinen (die Bau- und Verbandskarte zu drehen erachte ich fast schon als essentiell), muss man ständig harte Entscheidungen treffen. Verdammt, schon wieder Pause! Du Arsch! Jetzt muss ich ernsthaft fünf Karten abwerfen, da ich mein Handkartenlimit noch nicht aufgewertet habe? Verdammt! Ich brauch aber mehr als diese drei Karten! Immer wieder stellt das Spiel und die Mitspieler einen vor die Qual der Wahl.
Gibt's gar nichts zu meckern?
Doch, gibt's schon. Aber echt nichts Wildes. Die Ikonographie ist gut, aber nicht perfekt. Natürlich hat man keine Probleme mehr, wenn man das Spiel ein paar Mal gespielt hat, aber es gibt dann schon einige Kleinigkeiten wie z.B. die suboptimale farbliche Darstellung der Kosten einer Karte in Verbindung mit Partnerzoos, die einfach hier und da mal für Verwirrung sorgen.
Hinzu kommt, dass die letztendliche Abrechnung der Punkte am Spielende für den ein oder anderen Spieler etwas Frust auslösen könnte. Wenn man über drei Stunden an seinem Zoo werkelt und das Spiel dann mit 34 Minuspunkten verliert, fühlt sich das vielleicht nicht so gut an. Mich hat es gar nicht gestört, da man ja ohnehin verliert, wenn jemand seine Punktezähler auf den Leisten zusammenführt und ich halt noch ein gutes Stück davon entfernt bin. Das hat er dann ganz einfach deutlich besser gemacht und die Punkte jucken mich dann wenig. Es ist vielmehr so, dass der letzte Zug in "Arche Nova" ein ganz entscheidender ist, denn - vor allem wenn mehrere ihre Marker zusammenführen - der letzte Zug nochmal so richtig zünden muss und das mittels Karten auch funktioniert. Das muss extrem gut vorbereitet werden, was ich großartig finde, aber das könnte eventuell nicht jedem schmecken.
Wertungen
Chris: Wahnsinnig gutes Spiel, könnte ich ständig spielen. Es vergeht so schnell, macht einfach nur Laune und trotz aller Optimiererei hat das ganze mega Charme und spielt sich einfach rund
Holger: Eine wirkliche Überraschung. Hätte nicht gedacht, dass es wirklich so gut ist. Definitiv eines der besten Spiele der vergangenen Jahre
Klemens: Von vorne bis hinten ein fantastisches Spiel
Sarina: Tolles Spiel, gar keine Frage. Die Optik und die Atmosphäre kann mich zwar leider nicht wirklich überzeugen, aber spielerisch ist das erste Klasse)
Chapeau! Nach langer Zeit wird ein Spiel seinem Hype endlich mal wieder gerecht. Michael Wigges Erstlingswerk ist ein hervorragend konzipiertes Expertenspiel mit einem unfassbar guten Spielfluss und einer perfekten Komposition der einzelnen Spielelemente. Ein Feel-Good-Spiel, wie es im Expertenbereich kaum eines gibt. "Arche Nova" ist ohne Zweifel ein Meisterwerk!
Text: Chris
16.01.2022