"Expelliarmus! Was stellst du denn auch deinen Worker dahin?!"

Ah ja, Worker-Placement Spiele, ein schon seit langem bewährtes Erfolgsrezept! Als großer Puppenspieler weise ich meinen fleißigen Arbeitern ihre Plätze zu, lasse sie die unterschiedlichsten Ressourcen heran scheffeln oder alle möglichen und unmöglichen Aktionen ausführen. Und falls meine ausgefuchste Strategie aufgeht, stehe ich am Ende mit der Größen Menge an Siegpunkten da. Tja, aber was wäre, wenn man die Worker beeinflussen könnte, nachdem sie gesetzt wurden? Oder was wäre, wenn es sowas wie Siegpunkte überhaupt nicht gibt? "Argent - The Consortium" demonstriert, wie das funktionieren kann und bringt damit etwas frischen Wind in das Genre. 

Wie funktioniert das Spiel?

Das Spiel entführt euch an die magische Universität "Argent". Diese Uni ist der Lehre und Erforschung von Magie gewidmet, also ist ganz im Harry-Potter Stil gehalten, lediglich mit der Ausnahme, dass man sich bei dem Spiel für ein Manga Design entschieden hat. Der Direktor von Argent tritt in den wohl verdienten Ruhestand und einige hochrangige Professoren, in deren Rolle die Spieler schlüpfen, sind scharf auf die vakante Position. Aber nur einer kann sie bekommen, und so stehen den Spielern 5 Spielrunden ("Werktage") zur Verfügung, um für sich die Werbetrommel zu rühren.

 

Wer den Job aber letzten Endes bekommt, das entscheidet allein das namensgebende "Konsortium". Das Konsortium setzt sich aus 10 stimmberechtigten Mitgliedern zusammen, und jedes einzelne davon hat ein ganz bestimmtes Steckenpferd, nachdem es entscheidet, welcher Spieler seine Stimme erhält. Wer die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann, gewinnt. Dieses Steckenpferd ist jeweils an die verschiedenen sammelbaren Ressourcen gekoppelt: Ein Mitglied stimmt beispielsweise für den Spieler, der am Ende am meisten Geld besitzt, ein anderes für den, der die meisten Supporter hinter sich hat und wieder ein anderes für den Spieler, der die meisten Forschungsergebnisse in eine ganz bestimmten Fachbereich vorweisen kann. Dummerweise liegt das Konsortium verdeckt aus, sodass kein Spieler weiß, welche Ressourcen eigentlich gesammelt werden müssen. Um also nicht Blindlinks drauf los zu sammeln und am Ende des Spiels auf einem Berg aus Manakristallen zu sitzen, die zwar zum Wirken von Zaubern benötigt werden, aber für die eigentliche Endwertung keinen Pfifferling mehr wert sind, müssen die Spieler zunächst in Erfahrung bringen, wie sich das Konsortium zusammensetzt. Das geht entweder, indem man sich durch Aktionen einen Blick in die verdeckten Karten erspielt, oder durch Analysieren der Züge der anderen Spieler, die möglicherweise schon andere Informationen über die Stimmberechtigten erwerben konnten.

 

Von der Mechanik her ist "Argent - The Consortium" ein Worker Placement Spiel. Die Worker sind hierbei Magier, genauer gesagt, Studenten, die für den jeweiligen Prof arbeiten. Jeder Spieler darf sich während seines Zuges für eine Aktion entscheiden, z.B. einen Magier auf ein freies Feld setzen, einen magisches Artefakt benutzen oder einen Zauber sprechen. Der entscheidende Kniff ist, dass ein gesetzter Magier nicht zwangsläufig auf dem ihm zugewiesenen Feld bis zum Ende der Runde bleibt und dann die entsprechenden Ressourcen sammelt. Das gesamte Spiel ist darauf ausgerichtet, dass sich die Spieler um die besten Plätze prügeln sollen und zwar nicht nach dem allseits bekannten "wer-zuerst-kommt-mahlt-zuerst" Prinzip. Vielmehr erlauben es die verschiedenen Aktionen, die gegnerischen Magier von ihrer Position zu verdrängen und umzuverteilen oder sie auch mal direkt mit einem gezielten Blitz in den Allerwertesten auf die Krankenstation zu befördern.

Andere Effekte, die thematisch eine Art "Temporalmagie" darstellen sollen, erlauben es gleich mehrere Magier auf einmal zu setzen oder mehrere Aktionen in einem einzigen Zug durchzuführen. Eine solche Beschleunigung der Züge kann ganz nützlich sein, denn als eine weitere Aktion darf man "Glockenturmkarten" ziehen, und damit das Ende eines Tages einläuten. Sobald die letzte Glockenturmkarte genommen wird, endet der Tag augenblicklich und die Worker werden ausgewertet. Und falls man zu diesem Zeitpunkt noch  nicht all Worker gesetzt haben sollte... Tja, Pech gehabt! 

 

Und es gibt noch weitere Zaubertricks beim Setzen der Magier. Bestimmte Zauber gestatten es, dass man ein bereits generisches Feld mit einem eigenen Magier gewissermaßen doppelt besetzt. Diese so genannten "Shadow Slots" stellen thematisch eine Art parallele Schattendimension dar und wenn ein Magier durch einen Zauber in diese Dimension geschickt wurde, kann er von dort aus die Aktion des Magier in der realen Welt quasi kopieren.

Um die Spielereien beim Setzen der Magier schließlich abzurunden, nun noch eine letzte und sehr entscheidende Spielmechanik: Die Magier selbst haben jeweils nochmal besondere Eigenschaften, abhängig davon, welcher Fachrichtung sie entstammen. Magier aus  der Fakultät für "Hexerei" können wenn sie gesetzt werden, generische Magier verwunden, und sie damit zwingen ihren Platz frei zu machen, während Magier aus dem Bereich "Göttlichkeit" gegen feindliche Zauber immun sind und Studenten mit Spezialgebiet "Mystizismus" können als Bonusaktion gesetzt werden, wenn man gerade selbst einen Zauber wirkt. Zu Beginn des Spiels darf sich jeder Prof sein Team aus verschiedenen Fachbereichen so zusammen stellen kann, wie sie/er es für richtig hält. 

Was ist das Besondere an "Argent - The Consortium"?

Die Vielzahl an Optionen, die man dabei hat, um das Spielfeld zu beeinflussen ist beeindruckend: Magier umverteilen, vom Platz zu schlagen, Gebäude absperren, sodass niemand mehr rein kann uvm. All das bringt wirklich frischen Wind in das Genre, macht das Ganze aber auch zugegeben etwas chaotisch und schwieriger planbar.

 

Auch die Ungewissheit, nicht zu wissen, welche Ressourcen am Ende zählen, macht das Spiel spannend. Und man will schließlich keine Aktionen verschwenden auf Dinge, die am Ende belanglos sind. Da aber jeder Spieler unterschiedliches Wissen über die Stimmberechtigten im Konsortium besitzt, gilt es also auch detektivisch tätig zu werden und zu verstehen, warum sich die Kontrahenten für die jeweiligen Optionen entscheiden.

Eine Eigenheit des Spiels ist auch das Verwenden von Schlüsselwörtern und Symbolen für die unterschiedlichen Aktionen. Die massive Verwendung von "Keywords" ist aber zugegeben ein zweischneidiges Schwert. Ein Beispiel: Eine Karte zeigt prominent zwei gekreuzte Zauberstäbe und darunter den Text "wound a mage". Der Kenner des Spiels freut sich nun, denn mit wirklich sehr wenig Aufwand hat er sofort verstanden, was das Sache ist. Der Anfänger hingegen ist frustriert, denn er muss nun im Regelwerk erst mal nachlesen, was ihm die Karte zu sagen versucht. Man muss es klar sagen, es gibt wirklich sehr viele dieser Schlüsselwörter in "Argent". Das Spiel liefert zwar einen Spickzettel mit, den man vor der Partie an die Neulinge verteilen kann, aber vom Umfang her,  ist er schon ziemlich erschlagend und erinnert fast an ein kleines Vokabelheftchen.

 

Schließlich muss noch ein Wort über die Optik des Spiels und das Material verloren werden. Und was das angeht, braucht sich Argent nicht zu verstecken. Gut den Manga Stil muss man mögen, aber selbst wenn man sich nicht damit abfinden könnte, dass die Figuren ihre offenbar viel zu klein geratenen Nasen oder nicht sichtbaren Ohren durch überdimensional große Augen wieder wett machen; oder dass sie Frisuren haben, die, sagen wir mal physikalisch fragwürdig sind, wird man eingestehen müssen, dass die Qualität der Artworks sich schon auf einem hohen Niveau bewegt. Tolle und kunstvolle Zeichnungen finden sich auf fast allen Karten den Spiels. Zudem zeigen die Karten auch einen großen Grad an Detailverliebtheit: Zauberkarten haben nicht nur einen kurz beschriebenen Effekt in Form von Text und Symbolen, sondern oft auch noch einen kurzen Flavourtext, der für das Spiel zwar komplett irrelevant ist, aber doch etwas zusätzlichen Charme versprüht. Das gleiche gilt für das Material. Geldmünzen zum Beispiel sind ziemlich groß, haben aber sogar eine kleine Prägung der Universitätslogos, und Magier unterschiedlicher Fakultäten präsentieren sich nicht nur in anderen Farben, sondern auch in verschiedenen Posen und Outfits.

Als letztes sollte erwähnt werden, dass so ziemlich alles in dem Spiel neben der Standard A-Seite, auch noch eine B-Rückseite besitzt mit anderen Mechaniken und Regeln. Das Spiel lässt sich dadurch sehr weitreichend variieren. Man kann der Universität neue Räume verpassen, oder alte "umdrehen, sodass sie sich nun komplett anders Spielen. Man kann den eigenen Prof auf die gleiche Weise umdrehen und ihm andere Spezialfähigkeiten geben. In einer "epischen" Spielvariante, die im Regelwerk vorgeschlagen wird, führt man zudem noch "legendäre" Zauber ins Spiel ein und es gibt eine 6. Runde (quasi darf man am Samstag noch Überstunden schieben).

Wie sehr gefällt es uns?

Das Spiel wird nie langweilig! Da es keine Siegpunkteleiste im klassischen Sinne gibt, die auf einer Leiste am Spielfeldrand mitlaufen, und man entsprechend auch nicht extrapolieren kann, wie viele Punkte eventuell noch zu holen sind, kann man in Argent bis zur Endauflösung nicht sagen, welcher Spieler eigentlich im Rennen um die Nachfolge des Direx gerade die Nase vorn hat. Ich erinnere mich an so manches Worker Placement Spiel, bei dem man schon nach wenigen Runden geneigt ist, das Handtuch zu werfen oder sich in Sicherheit zu wiegen.

Was mir aber am besten an Argent gefällt ist der interaktive Charakter des Spiels. Hier sitzt man nicht in seinem eigenen kleinen Elfenbeinturn, legt sich akribisch einen geheimen Masterplan zurecht und überlegt sich genau, welche Slots man für dessen Umsetzung mit den Workern besetzen muss. In Argent schlagen sich die Spieler unaufhörlich Zauber und sonstiges magisches Zeug um die Ohren und fast alle Aktionen sind dahin gehend auslegt, gegnerische Aktionen zu vereiteln oder auszubeuten.  Wer mich kennt, der weiß, dass ich schon bei der Erwähnung der Glockenturmmechanik, sprich der Option an einem mir günstig scheinenden Punkt des Spiels einfach "auszumachen" und den Gegnern damit Aktionen zu verweigern, Feuer und Flamme bin. Zugegeben, die Strategie leidet etwas unter Mechanik, das Spielfeld ein wenig mit Chaos zu überziehen nachdem die Worker gesetzt wurden, aber dadurch wirkt das Spiel auch einfach erfrischend anders und etwas entspannter. Und auch wenn ich alles andere als ein Freund von Harry-Potter bin, konnte ich es mir hin und wieder nicht verkneifen ein triumphierendes "Haha! Expelliarmus!" auszurufen (oder zumindest zu denken), während ich einem der gegnerischen Magier vom Feld schnipse.

Die Deduktions-Komponente des Spiels hingegen, ist meiner Meinung nach nicht sehr gut gelungen. Zwar versucht man schon die Züge des Gegners zu analysieren, aber ich finde gemessen an dem allgemeinen Chaos auf dem Spieltisch, ist es schon schwer da was rein zu interpretieren, sodass man am Ende doch oft noch basierend auf dem eigenen Wissen über das Konsortium seine Entscheidungen fällt.

 

Weiterhin lobe ich das Spiel für die geschickte Wahl von Keywords und Symbolen. Gerade weil sowohl ein Symbol, als auch ein Kurztext geboten wird, sind die Karten einleuchtend und schnell zu begreifen. Eine persönliches Lob gebe ich außerdem, weil das Spiel erkennt, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Mechaniken "Draw" und "Draft" gibt. In Ermangelung eines passendes deutschen Wortes für den Sachverhalt, hier eine kurze Erklärung: Ich erinnere mich eine Partie Viticulture, bei der wir am Ende zum Schluss kamen, dass Karten, die sehr entscheidend für den Spielverlauf sind nicht einfach so per Zufall vom Stapel gezogen werden sollten. Argent macht das richtig: In manchen Fällen liest man das Schlüsselwort "draw", was bedeutet, man zieht einfach was per Zufall vom Stapel; bei Zaubern hingegen, mit denen man wirklich sehr lange auskommen muss, impliziert "draft", dass man gleich 3 Karten ziehen, und dann davon eine auswählen darf.

Nun aber zu dem Aspekt, der mir am negativsten aufgefallen ist: Das Spiel ist ziemlich unübersichtlich. In dem Zusammenhang ist zunächst mal der gewaltige Platzbedarf des Spiels zu nennen. Es liegen einfach viel zu viele Karten, Plättchen, Chips und Sonstiges. Auf meinem Tisch ist es auch mir nur gerade eben so gelungen, alles auszubreiten. Außerdem erwirbt jeder Spieler im Laufe des Spiels immer mehr Karten, die nicht nur vor ihm ausliegen, sondern nach Verwendung eventuell auch noch gedreht werden müssen. Verbunden  mit dem Spielmaterial, das zwar schön, aber doch relativ groß ist, kreiert das sehr schnell Platzmangel und darunter leidet letzten Endes besagte Übersichtlichkeit. Von meinem Sitzplatz aus, kann ich somit fast unmöglich den Text aller ausliegenden Zauber, Supporter und Gegenstände lesen, ohne diese dafür aufheben zu müssen; von den Karten, die meine Kontrahenten erworben haben, mal ganz zu schweigen. Problematisch ist das vor allem, weil jeder Spieler mit jeder Runde mehr und mehr Optionen für sich frei schaltet. Sicher, in komplexen Worker Placement Spielen, soll man ja auch mal etwas mehr nachdenken müssen, aber in Argent kommt es wie ich finde zu wirklich sehr häufigem Nachgefrage: "Was konnte der da noch mal? Du bist da gerade näher dran, kannst du bitte nochmal vorlesen? Und dein Zauber da macht nochmal was genau?"

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Regelwerk selbst, das wie ich finde schlecht strukturiert ist. Bisweilen ist es wirklich schwierig, alle Regeln eindeutig zu verstehen. Es ist auch bislang die erste Anleitung, die ich sehe, die ein "FAQ" besitzt. Nennt mich altmodisch, aber ich bin der Meinung ein Regelwerk sollte so geschrieben sein, dass alle aufkommenden Fragen damit beantwortet werden können.

 

Ein letzter kleiner Kritikpunkt betrifft die Raumkarten der Universität. Die dicke Pappe ist robust, keine Frage, und eine A- und B-Seite bieten Abwechslung aber die optische Gestaltung finde ich sehr dürftig. Gerade bei so einem spannenden Thema wie einer Zauberschule und dem sonst so herausragenden Design mit so viel Detailverliebtheit, hätte ich mir irgendwie eher gewünscht, bei dem magische Wesen rumfliegen, oder Magier sich Zauber um die Ohren werfen. Stattdessen stellen zum Beispiel das "Training Field" nur einen großen leeren Platz dar und "Library" ist im Grunde nur ein karges Bücherregal. Auch wenn der Manga Stil toll ist, muss ich leider sagen, dass es Argent unterm Strich nicht schafft, mir optisch das Flair einer magischen Uni zu vermitteln.

Wertungen 

Mark: 7 (Tolles Spiel und wundervoll chaotisch. Leider aber nur schwer überschaubar und es bleibt unter seinen Möglichkeiten)

FAZIT:

Etwas chaotisch, aber trotzdem taktisch. Es leidet mitunter stark an der Unübersichtlichkeit. Aber die Mechaniken sind eine tolle Abwechslung im Vergleich zu klassischen Vertretern des Genres und machen wirklich Spaß. Das Spiel bietet darüber hinaus viele Modifikationen und verspricht auch langfristig Abwechslung.  

 

Text: Mark

18.05.2021