Verlag: CMON Autoren: Eric M. Lang, Michael Shinall Spieldauer: 45-75 Min Spieleranzahl: 1-4
Ihr kennt Bloodborne, das Videospiel? Na dann wisst ihr ja, was Euch erwartet. Ihr kennt die Vorlage nicht? Tja dann ... muhaha ... tja dann hoffe ich, dass Ihr keine Heulsusen seid. Denn die werden in "Bloodborne" schneller ausgeweidet als ihr "Azul" sagen könnt. Mal im Ernst, das ist schon echt knüppelharter Scheiß, der einem da entgegengedonnert wird. Kann das ernsthaft Spaß machen, wieder und wieder zu scheitern? Unter Umständen schon.
Vorlagengetreu, aber doch anders
Zugegeben, meine Erwartungen waren nicht sonderlich hoch an diese Videospielumsetzung. Das Playstation 4 - Spiel habe ich sehr gemocht und durchgespielt, also gehöre ich schon mal zur Zielgruppe. Aber nach dem "Dark Souls"-Dilemma (mieses Spiel übrigens meiner Meinung nach) hätte ich hier nie zugeschlagen, doch die vermehrt positiven Berichte ließen mich dann doch zumindest mal das Grundspiel zu einem guten Kurs ergattern. Und da ich nicht mit grauem Plastik spiele, habe ich zuerst natürlich die Pinsel geschwungen und dann ging es los. Und ja, verdammt - das ist wirklich Bloodborne. In der Rolle von unsterblichen Jägern durchstreifen wir die verseuchte Stadt Yharnam und stellen uns grauenvollen Bestien und wahnsinnigen Bewohnern. Setting und Atmosphäre? Check!
Dass man hier nicht einfach gemütlich durchschlendern kann, sondern sich in steter Regelmäßigkeit mit dem Tod befassen muss, war mir klar. Im sogenannten "Traum des Jägers" darf man seine Blutechos, die man durch das Besiegen von Feinden erhält, für Karten-Upgrades nutzen. Das kann man zwar im Spiel jederzeit tun, aber dadurch schreitet die erbarmungslose Zeitleiste automatisch nach vorne, was man eigentlich so gut es geht vermeiden möchte. Jedoch verliert man in der Brettspielumsetzung seine Blutechos beim eigenen Ablegen und kann diese nicht wie im Videospiel wieder auf dem Spielfeld einsammeln. Das macht das Sterben umso fieser.
Was das Kampfsystem betrifft, haben wir es hier mit einer kartengetriebenen, recht cleveren Mechanik zu tun. Generell wird jede Aktion, sei es das Bewegen und Erkunden, das Interagieren oder eben der Kampf, mit dem Einsatz einer Karte ausgelöst. Jeder Spieler zieht immer drei Handkarten aus seinem Deck, welches stets aus 12 Karten besteht. Bei einem Upgrade tauscht man eine Karte also gegen eine neue, bessere aus. Somit ist der Kartendurchlauf immer recht flott und man weiß, welche Karten demnächst kommen sollten. Schöne Entscheidung, das so zu machen, wie ich finde.
Okay, aber wie kämpft man jetzt im Detail?
Der taktische Kampf, bestehend aus einer geschickten Kombination aus Nah- und Fernkampf war stets ein zentraler Gameplayaspekt der Videospielvorlage. Und auch das macht das Brettspiel ebenso, im Rahmen seiner Möglichkeiten sogar ziemlich gut. Dadurch, dass es keine Ausdauerleiste gibt, wird die Geschwindigkeit der Angriffe und demnach auch ihre Reihenfolge durch das Befüllen dreier Kartenslots simuliert. Je nachdem, welche Karte man auf welchen Slot legt, bestimmt dies die Geschwindigkeit und Stärke des Angriffs. Dies funktioniert aber nur so gut, da auch die Gegner verschiedene Angriffe machen, die über ein Gegnerdeck bestimmt werden. Dieses Deck enthält je drei Mal einen Basis- bzw. Spezialangriff sowie einen Fähigkeitsangriff. Egal, welcher Gegner angreift, es wird eine Karte von diesem Deck gezogen. Da man immer sieht, welche Karten bereits gezogen wurden, lässt sich wunderbar antizipieren, welche Angriffe überhaupt auf einen zukommen könnten. Entsprechend wählt man auf dieser Grundlage also seine eigene Geschwindigkeit und Stärke aus, was wirklich hervorragend funktioniert. Hinzu kommt, dass das Tableau auch noch eine Rückseite -- quasi eine andere Waffe - aufweist, auf die man spätestens dann switchen muss, wenn alle drei Kartenslots auf der aktuellen Vorderseite belegt sind. Auch dieser Waffenwechsel und damit "Freiräumen" des Tableaus kostet eine Karte. Darüber hinaus hat jeder Jäger auch noch eine Schusswaffe, die man ebenfalls auslösen kann, sehr cool gemacht.
Ein bisschen was über das Spielgefühl
Auf der einen Seite begrüße ich, dass man bei einem solchen "Miniaturen-Kampf-Kickstarter" mal keine Würfel werfen muss, sondern gänzlich auf eine clevere Kartenmechanik gesetzt hat. Das sorgt wirklich dafür, dass sich "Bloodborne" völlig anders spielt. Dagegen fällt der Actionanteil aber eher gering aus, denn das düstere Treiben hier ist dann doch eher kopf und grübellastig. Was natürlich vorrangig daran liegt, dass Fehler knallhart bestraft werden und die Zeitleiste gnadenlos gegen einen läuft. Jedes Kapitel gibt den Jägern eine fixe Anzahl an Spielrunden, weswegen die Bombe quasi immer tickt und man sich alles lieber drei mal überlegt, bevor man einen fatalen Bock schießt. Zusammengefasst muss ich sagen, dass ich die etwas längere Denkzeit in diesem Fall der plumpen, aber flotten Action vorziehe, da der Ansatz einfach gut zur Vorlage passt und man hier einfach mal etwas Anderes geboten bekommt als sonst.
Dass die Geschichte und die Aufgaben über Karten erzählt werden, funktioniert gut. So wirklich umhauen konnte mich das "Drumherum" bei Bloodborne aber nicht. Da die Tischpräsenz stimmt, bin ich schon mitten drin im Spiel, aber so richtig fühlen konnte ich es leider nicht.
So oder so muss man aber mit dem sehr hohen Schwierigkeitsgrad klarkommen. Dieser liegt dann auch der Tatsache zugrunde, dass die Spielplanteile zufällig ausgelegt werden und es mit etwas Pech einfach abnormal schwierig werden kann, seine Ziele zu erreichen. Theoretisch muss man laut Regel die komplette Kampagne wiederholen, sofern man in einer der drei Episoden versagt. Diese Regel wurde aber von uns dezent ignoriert. Weshalb sollte ich Kapitel 1 und 2 nochmal spielen, wenn ich im dritten Kapitel verloren habe? Weil es Bloodborne ist? Nein, so funktioniert das nicht bei Brettspielen. Zumindest habe da selbst ich keine Ausdauer dafür, da ist mir meine Zeit dann doch zu schade. Die Bosskämpfe sind natürlich die Highlights, da jeder dieser fiesen Gegner mit seinem eigenen Reaktionsschema daherkommt, das man erstmal kennenlernen muss, um darauf zu reagieren.
Im Vergleich mit "Cthulhu: Death May Die" - ebenfalls von Eric M. Lang - kann "Bloodborne" was die Abwechslung angeht, nicht ganz mithalten. Das Grundspiel umfasst vier Kampagnen mit je drei Kapiteln, also etwa eine Spielzeit von mindestens 15 bis 20 Stunden. Das ist in Ordnung und die einzelnen Kapitel spielen sich auch verschieden genug, wenn auch das Setting immer dasselbe bleibt. Hier hat "Death May Die" mit seiner Episodenstruktur mehr zu bieten. Und auch das Eskalationssystem mit der doch ähnlichen Zeitleiste in Kombination mit den eigenen Fähigkeiten gefällt mir besser als das bei "Bloodborne", dafür punktet letzteres dann mit der ausgefeilten Kartenmechanik. Müsste ich mich entscheiden, würde "Death May Die" aufgrund des fluffigeren Spielablaufs und des höheren Event-Charakters der einzelnen Episoden knapp die Nase vorne haben.
Wertungen
Chris: 7,5 (Richtig gute Umsetzung, würde ich jederzeit wieder mitspielen, die Kartenmechanik gefällt, wenn sie auch sehr "langsam" ist, atmosphärisch hat es mich nicht umgehauen, es fehlen mir ein klein wenig die Highlights abseits der Bosskämpfe)
Überraschend gute Brettspielumsetzung, die ihren eigenen Weg geht und gänzlich auf eine clevere Kartenmechanik setzt. Atmosphärisch kommt das Spiel nicht ganz an "Death May Die" und dessen Höhepunkte ran, zudem ersetzt der Zeitdruck und die dadurch sehr überlegten Aktionen den Actionanteil. Dennoch ein rundum gelungenes, taktisches Koop-Vergnügen der anderen Art.
Maximal aber zu zweit, denn mit mehr Mitspielern gewinnt das Spiel nichts. Im Gegenteil, es wird eher zäher.
Text: Chris
16.01.2022