Verlag: Dark Gate Games Autor: Filippo Chirico Spieldauer: 60-90 Min. Spieleranzahl: 2-5
Früher weitaus verbreiteter, heute eher eine Seltenheit: das 1-vs-many Prinzip bei Miniaturenspielen. Dass einer gegen mehrere antritt, klingt im ersten Moment sehr reizvoll, steht und fällt aber mit der Ausgewogenheit der beiden Seiten. Haben beide ähnlich gute Chancen auf den Sieg? Falls nicht, leidet der Spaß extrem. In "Dark Rituals: Malleus Maleficarium" kämpfen vier tapfere Helden gegen böse Hexen in einem düsteren, dreckigen Setting. Hat mich sofort angesprochen, also war die Vorfreude groß. Wer mich kennt, weiß, dass ich Spiele mit Miniaturen immer erst dann spiele, sobald alles bemalt ist. Ja wirklich, ich kann diese grauen Figuren einfach nicht sehen und wenn ich mir schon so ein Spiel zulege, dann muss da erstmal Farbe drauf. Gesagt getan, die Bemalung machte großen Spaß und nun war es soweit. Auf in den Kampf gegen die Hexen. Oder ... äh, gegen die Helden.
Ohne Ausdauer geht nix!
In "Dark Rituals" wechselt sich die gute Seite der alchemistischen Macht mit der bösen brav ab, wobei die Helden - sobald an der Reihe - selbst entscheiden, wer von ihnen agiert. Wichtig ist nur, dass dieser Held noch Ausdauerkristalle übrig hat. Auch der Hexenspieler ist diesbezüglich limitiert, hat allerdings einen weitaus größeren Vorrat an Ausdauer. Egal welche Seite an der Reihe ist; es agiert immer nur ein Held, Bauer, Monster oder Hexe und hat dabei maximal zwei Aktionen. All seine Ausdauerkristalle in jeder Runde zu verpulvern ist allerdings nicht ratsam, denn aktiv verteidigen kann man nur, wenn man Ausdauer dafür aufgespart hat. Gutes Beobachten und Antizipieren der Gegenseite steht daher stets an erster Stelle und ein blindes, wütendes Agieren ohne Sinn und Verstand bedeutet den schnellen Tod. Das taktische Katz- und Mausspiel mit dem Fokus auf Ausdauer funktioniert in diesem Spiel sehr gut und sorgt für Spannung und cleveres Positionsspiel. Aktionen sind wichtig und nicht im Überfluss vorhanden, daher sind "Nebenschauplätze" wie das Aufsammeln von Kräutern oder das Suchen von Gegenständen gut abzuwägen, auch wenn beides einen Vorteil für die nächsten Runden verschaffen kann.
Der arme Bauer auf dem obigen Bild weiß, was auf ihn zukommt: die Transformation. Hexen - das haben wir schon als Kinder gelernt - wollen einen nämlich entweder verspeisen oder verhexen. Beides ist übel, durch letzteres verwandeln sich die armen Tölpel jedoch in Besessene, die unter der dunklen Kontrolle stehen. Manchmal reicht es den Hexen in einem Szenario aus, eine bestimmte Anzahl an solchen "Leibeigenen" zu verhexen, manchmal müssen sie Helden töten oder Rituale abschließen. Die Variation in den Szenarien stimmt; auch die Helden werden vor spannende und knifflige Aufgaben gestellt. Generell sollten die Helden jedoch immer wieder versuchen, einer Hexe den Garaus zu machen. Ohne Hexe auf dem Feld kann der Spieler der dunklen Legion nämlich keine seiner Einheiten aktivieren und ist somit handlungsunfähig. Das Beschwören einer neuen Hexe ist zwar möglich, kostet aber dauerhaft Ausdauer, die für den Rest der Partie nicht mehr verwendet werden kann.
Alchemie gegen Hexerei und Pest
Die Helden können zwischen all den blutigen Gefechten auch Kräuter aufsammeln, um individuelle Spezialfähigkeiten mit den richtigen Zutaten auszuführen. Dies erhöht die Flexibilität und ermöglicht überraschende Vorteile, die der Hexenspieler vielleicht nicht kommen sieht. Denn jeder Held hat sein eigenes Alchemiebuch und niemand weiß, welche Kräuter er bisher gefunden hat.
Dieses Spielelement gefällt mir total gut, da es einerseits zum Setting passt und zudem einfach eine gewisse Unberechenbarkeit ins Spiel bringt. Dies auf Heldenseite zu ermöglichen ist wichtig, denn der Hexenspieler lässt mit seinen Hexerei- und Pestkarten genügend Unvorhersehbares auf die Helden zukommen. Mit Hexerei können die Hexen Kreaturen beschwören oder fiese Manipulationen einleiten. Die Pestkarten kommen je nach Szenario an gewissen Zeiten ins Spiel, sobald der Hexenspieler eine vorgegebene Anzahl an Fortschritten gemacht hat. Durch die Pest wird den Helden Ausdauer dauerhaft entzogen, Die Helden verfügen zwar über Möglichkeiten, die Pest wieder zu heilen, allerdings haben sie ohnehin genug zu tun. Auch die "Aura des Bösen" schreitet mit Erfolgen des Hexenspielers voran. Ist diese Leiste am Ende, werden alle Kreaturen und Monster einen Tick gefährlicher.
So toll die Alchemiefähigkeiten der Helden wirken, kristallisiert sich aber schnell ein gravierendes Problem heraus: die Zutatenbeschaffung und der Alchemiestatus. Die individuellen Fähigkeiten sind toll, aber leider in Level aufgeteilt. Und um Level aufzusteigen, muss man einfachere Alchemie wirken. Dafür benötigt man aber die richtigen Zutaten - und genau das ist das Problem. Die Wahrscheinlichkeit, trotz fleißigen Sammelns die falschen Zutaten zu finden, ist hoch und frustrierend, zumal das Sammeln ja kostbare Ausdauer und Aktionen kostet. Hier müsste meiner Meinung nach dringend gehausregelt werden. Entweder, dass man beim Besiegen von Gegnern auch Alchemie leveln kann (was unthematisch wäre, aber dafür haben wir uns am Ende entschieden) oder dass man alle Fähigkeiten von Beginn an verfügbar hat (was die Alchemieleiste unsinnig werden ließe). Ihr seht, das ist durchaus ein übles Problem. Zumindest sollte man hier unbedingt das Tauschen von Gegenständen erleichtern, indem es keine Aktion kostet, Kräuter untereinander zu tauschen.
Weniger schwerwiegend sind da die Gegenstände, die man findet, da diese zwar immer noch extrem zufällig sind, aber zumindest in Stufen gestaffelt sind. Je nachdem, wie hoch ein Held in irgendeiner Fähigkeit aufgelevelt ist, können bessere Gegenstände von allen gefunden werden. Das ist in Ordnung, auch wenn man hier erneut Pech haben kann, was aber zumindest thematisch durchaus akzeptabel ist. Besser hätte es mir gefallen, wenn man bestimmte Gegenstände für ein Szenario vorgegeben hätte.
Spaßiges Koop-Erlebnis mit Schwächen im Detail
Der Kern des Spiels besteht darin, dass sich vier Helden gemeinsam einem Hexenspieler entgegenstellen, welcher ein mittelalterliches Dorf heimsucht. Die Spielmechanik ähnelt mit seinem Energiemanagement einem "Conan", indem Ausdauer für gewisse Aktionen - und hier bei "Dark Rituals" auch Reaktionen - ausgegeben und zu Beginn der neuen Runde wieder aufgefrischt wird. Dabei haben die Helden einen Einzelpool an Ausdauer, der Hexenspieler einen wesentlich größeren Pool für all seine Untertanen. Dadurch, dass die Zugreihenfolge klar ist, bietet "Dark Rituals" im Vergleich zu "Conan" zwar das dynamischere und schnellere Spiel (jeder Seite führt bis zu zwei Aktionen im Wechsel aus), aber nicht unbedingt das taktischere. Denn in den meisten Fällen ist es (leider) sinnvoll, die schwächsten Einheiten des Gegners mit den stärksten eigenen zu plätten. Es gibt Ausnahmen, immer wieder, aber grundsätzlich macht man bei "Dark Rituals" deutlich öfter das Offensichtliche statt das Überraschende. Und das ist ein wenig schade.
Ein weiteres Problem ist das Aufleveln: Beide Seiten profitieren von Kampferfolgen. Die Helden dürfen sich nach dem Töten eines Gegners eines von drei Attributen aussuchen, bei der Verwendung der Alchemie steigt auch dieser wert automatisch auf. Der Hexenspieler profitiert von jedem Helden und Bauerntod sowie der Verwandlung von Bauern in Bessessene. Das Problem ist ein bisschen, dass das Szenario meist zu kurz ist, um vor allem auf Heldenseite - ordentlich zu leveln, sodass man hier nur spärlich vorankommt. Dagegen könnte man natürlich sagen, dass es eben der Anspruch der Helden ist, nur die notwenigen Attribute situationsbedingt zu leveln, allerdings ist das Spiel zu "swingy", um hier wirklich planbar vorzugehen.
Was mir dagegen enorm gut gefällt, ist die hohe Variabilität innerhalb der einzelnen Partien. Mit der Stretch-Goal-Box bekommt man weitere interessante Helden, Dämonen und viele neue Monster und Kreaturen, die der Hexenspieler beschwören kann. Spielt man ein Szenario erneut, kann schon enorm viel anders laufen als die Partie davor, allein weil zwei völlig neue Gegnertypen das Dorf heimsuchen. Die mächtigen Dämonen sind ohnehin unberechenbar und können für beide Seiten nützlich sein - ein cooles Element.
Auch die optische Präsenz des Spiels ist stark. Man wird schon ordentlich in das düster dreckige Setting hineingesogen und das blutige Treiben ist eine wunderbar spannende Auseinandersetzung zwischen Heldentruppe und Hexenspieler. Die Atmosphäre ist da, vor allem Dank den stimmigen Illustrationen auf Map-Teilen, Karten und Tableaus. Die Miniaturen sind schlicht fantastisch, angemalt bringen sie das düstere Feeling super rüber. Das Spielfeld mit seinen vier, manchmal auch fünf Spielplanteilen ist im Vergleich zu ähnlichen Amitrash-Spielen etwas klein, was thematisch passt (kleines Mittelalterdorf). Dadurch gibt es aber auch schneller Auseinandersetzungen zwischen Gut und Böse. Ich persönlich habe meistens lieber etwas "weitläufigere" Areale, aber hier passt das einfach gut zusammen.
Vergesst die Kampagne!
Bitte, vergesst den "Kampagnenmodus". Wirklich! Die Szenarien sind gut, recht ausbalanciert und abwechslungsreich. Man kann sie wunderbar als Einzelerlebnis spielen, gerne auch der Reihe nach. Aber die unoriginelle, generische Kampagnenidee mit "Der Gewinner bekommt Beute, der Verlierer nix" ist alles andere als gelungen oder gar spannend - super unnötig und einfallslos. Im schlimmsten Fall entscheidet dann der Bonus bzw. Malus eine Folgepartie und das ist hier einfach in keiner Weise sinnvoll.
Trotz der erwähnten Schwachpunkte bleibt "Dark Rituals" auf jeden Fall im Regal, denn mit der ein oder anderen Hausregel ist das Spiel ein enorm spaßiges Amitrash-Erlebnis.
Wertungen
Chris: 7 (Setting gefällt mir total; optisch super; recht spannende Szenarien und eine Vielzahl an unterschiedlichen Kreaturen; super Idee mit der Alchemie, leider ohne Hausregel schlecht umgesetzt; hier und da fehlen mir die überraschenden Züge, aber in Summe gutes Amitrash--Spiel, mit der Hausregel eine klare 8)
Optisch enorm stark präsentiertes "1-gegen-mehrere" Spektakel in einem düster dreckigen Hexen-Setting. Durch das relativ kleine Areal entsteht ein blutiges Massaker, aufgelockert durch einfaches Aufleveln, Hexerei und Alchemie. Die Alchemie der Helden ist super interessant, krankt aber leider an mechanischen Schwächen, was ohne Hausregel frustrieren kann. Darüber hinaus sind die Szenarien aber spannend und mit der richtigen Gruppe ein großer Spaß. Trotz kleiner Schwächen in der Mechanik, die aber durch die tolle Atmosphäre und die hohe Variation ausgebügelt werden können.
Text: Chris