Verlag: ThunderGryph / Skellig    Autor: Simone Luciani   Spieldauer: 60-120 Min    Spieleranzahl: 1-4

Viel los auf den Galapagos-Inseln

Das Unterstützen dieses Spiels war für mich als Biologe damals ein Selbstläufer, denn das reizvolle Thema, umgesetzt durch einen meiner Lieblingsautoren Simone Luciani, versprach originelle und anspruchsvolle Euro-Unterhaltung. Nach den vielen Kickstarter-Enttäuschungen der letzten Zeit kommt "Darwin's Journey" genau richtig, denn so viel darf ich schon einmal verraten: wir hatten allesamt großen Spaß mit dem Spiel. Die deutsche Version erscheint demnächst über Skellig Games und warum man sich diesen Titel als Euro-Fan anschauen sollte, erkläre ich im Folgenden.

 

In "Darwins Journey" steht klassisches Workerplacement an der Tagesordnung, allerdings mit einem thematisch passenden und anspruchsvollen Kniff: die Worker müssen für viele Aktionen erstmal spezialisiert werden. Das geschieht durch Siegel verschiedener Farben und wenn ich einen meiner Arbeiter also z.B. zur Schifffahrt schicken will (blaue Aktion), muss er für diese auch mindestens ein blaues Siegel besitzen, alternativ zählen lilafarbene Siegel als Joker. Will ich eine stärkere Schifffahrt-Aktion ausführen, benötige ich entsprechend mehr dieser passenden Siegel. Im Laufe des Spiels macht man seine Worker so also immer stärker bzw. flexibler.

 

Grundsätzlich gibt es - vor allem im Spiel zu zweit und zu dritt - eine Mangelressource, nämlich Geld. Egal ob beim Aktivieren besetzter Aktionsfelder, dem Freischalten von neuen Aktionen, dem Erfüllen von Aufträgen und selbst dem Upgraden der Arbeiter - ohne Geld stößt man schnell auf harte Grenzen. Dennoch ist "Darwin´s Journey" ein unheimlich belohnendes Spiel. Überall gibt es Boni abzugreifen, Siegpunkte zu ergattern oder Fähigkeiten freizuschalten. In seinen besten Momenten gelingen sogar wahre Aktionsfeuerwerke, die ein unheimlich befriedigendes Gefühl schaffen.

Um ein wenig ins Detail zu gehen: man fährt mit seinem Schiff die Galapagos-Inseln entlang, schickt Abenteurer auf die Inseln, erforscht neue Spezies, stellt diese im Museum aus, erfüllt Aufträge, spezialisiert seine Arbeiter und verschickt Briefe. Auf dem Spielbrett ist eine Menge los, was in der ersten Partie erstmal erschlagend wirken kann. Dennoch ist die Ikonographie bis auf wenige Ausnahmen sehr gelungen und es dauert nicht lange, bis alles in Fleisch und Blut übergeht. 

 

Was positiv hervorgehoben werden muss, ist die tolle Varianz des Spiels. Es gibt eine Vielzahl an Wertungsplättchen, Aktionsplättchen, Crew-Karten und Briefaktionen. Dadurch, dass auch die Spezies-Plättchen immer anders verteilt liegen, gibt es hier viel Potenzial für abwechslungsreiche Partien. Hinzu kommen kleinere Mini-Erweiterungen (die Tiere können wir wärmstens empfehlen, ebenso die Großen Schiffe für asynchrone Fähigkeiten) sowie die Feuerland-Erweiterung mit einem veränderten Spielplan auf der Rückseite. Hier kommt auch ein neuer Zeit-Mechanismus ins Spiel, der Geschmacksache ist. Wir haben diesen noch nicht ausgiebig genug gespielt und ergänzen die Besprechung, sobald wir hier fundiertere Einblicke haben.

 

Auch die vielen Möglichkeiten, Siegpunkte zu erzielen, ist lobenswert und reizvoll. Lediglich im Viererspiel kam uns die Museumswertung ziemlich essentiell vor, denn zu viert kommt es häufig vor, dass alle Spezies entdeckt werden und somit der individuelle Büchermultiplikator so wichtig wird, dass man ihn nicht außer Acht lassen kann. Abgeschlagen sollte man hier nicht sein, aber man muss dank der vielen anderen Siegpunktgeneratoren hier nicht führend sein, um eine Partie zu gewinnen. Dennoch muss man diese Leiste im Blick haben.


 

Auf der Kritikseite gibt es durchaus auch ein paar Kleinigkeiten zu nennen, die zwar allesamt nicht gravierend sind, jedoch nicht unerwähnt bleiben sollen. Die Anzeige der Laufrichtung auf den Inselwegen ist sehr klein geraten, sodass man hier hin und wieder aufmerksam draufschauen sollte. Die Siegel aus weichem Plastik der Collectors-Edition kleben immer wieder aneinander und sind fummelig in der Handhabung. Man kann dem Spiel auch vorwerfen, vielleicht ein wenig zu kleinteilig und fummelig zu sein. Hier und da mag das durchaus stimmen, aber meines Erachtens ist das alles noch im Rahmen, denn der Aufwand lohnt sich. Man muss auch ganz klar sagen, dass "Darwin´s Journey" eher etwas für eingefleischte, erfahrenere Euro-Liebhaber ist und niemanden bekehren wird, der mit solchen mitunter grübelanfälligen Spielen wenig anfangen kann. Natürlich braucht man ab und an Bedenkzeit, aber die Aktionen gehen doch ziemlich flott von der Hand.

 

Die Illustrationen, allem voran die Spielplangestaltung, sind Geschmacksache. Ich finde sie toll, kann aber auch verstehen, wenn jemand damit nichts anfangen kann. Es gibt auf jeden Fall atmosphärischere Euros, aber das kompensiert "Darwin´s Journey" meiner Meinung nach mit recht thematischen Aktionen, die nachvollziehbar sind und zum Entdecken einladen. Hier passt enorm vieles zusammen, ist fein aufeinander abgestimmt und bietet in jeder Spieleranzahl eine tolle Herausforderung.


Wertungen

Chris: Gefällt mir sogar noch einen Tick besser als Revive, weil es offener, variantenreicher, noch fordernder ist, teilweise originelle Ideen hat UND dazu noch einen guten Spielfluss bietet. Das schaffen nicht viele Expertenspiele und da ich hier glaube, noch viel ausprobieren und entdecken zu können, ist das für mich ein klares Highlight.


Holger: Viele coole Kniffe (z.B. hohe Varianz der Aktionen, Spezialisierung der Worker), die mich reizen und weshalb ich noch weitere Partien erleben möchte.


Sarina: Endlich mal wieder ein Experten-Euro, der sich frisch anfühlt und nicht nur eine knifflige Herausforderung, sondern auch Thema und flotte Spielzüge auf der Habenseite aufweist. Viel Abwechslung drin, knifflige Entscheidungen sind immer wieder zu treffen. Viel zu bemängeln hab ich nicht, höchstens die etwas kleinen Symbole und der Zwang im Spiel zu viert, auf der Buchleiste nicht abzufallen.


Simon: Es fällt wieder auf, dass ich mit Spielen, die mir viele Möglichkeiten, Ressourcen, Aktionen, Strategien offerieren am Besten umgehen kann und am meisten Spaß habe. Warum verzichten und mit einem Mangel immer an allem rumknapsen? Hier bekommt man an jeder Ecke richtig coole Sachen, die einen in der gewünschten Strategie weiterbringen, Spaß machen und sich belohnend anfühlen. Ich hab direkt Bock in einer weiteren Partie andere Sachen auszuprobieren, den Fokus neu zu setzen und zu schauen was passiert - das Spiel gibt durch viel Variabilität auch die Möglichkeit dazu.

Ein paar Punkte waren etwas zu fummelig und kleinteilig sowohl in der Haptik als auch im Handling der Aktion, aber das sind wirklich nur kleine Kritikpunkte.


FAZIT:

Mit "Darwin's Journey" liefert Simone Luciani das für mich reizvollste Euro-Expertenspiel der letzten zwei Jahre. Ein cleverer Kniff im Workerplacement - das Spezialisieren der Arbeiter - und ein belohnendes, vielseitiges Spielgefühl mit relativ wenig Downtime sind die klaren Stärken des Spiels. Variation gibt es zudem genügend und die wenigen, kleinen Schwächen ändern nichts daran, dass das Spiel unheimlich reizvoll ist und viel Spaß macht. 

 

Text: Chris

24.03.2023