Minus plus minus ergibt ... Gift?

"Die Alchemisten" zu erklären, erfordert seine Zeit. Klar, denn wer hat schon die Grundlagen der Alchemie parat? Hat man das Prinzip einmal verstanden, geht die Knobelei aber erst richtig los, denn die Schlüsse, die man aus seinen Experimenten ziehen kann, müssen erst einmal korrekt und in Gänze gedeutet werden. Keine leichte Aufgabe, aber eine äußerst reizvolle. 


Wie funktioniert das Spiel?

Zunächst muss jeder Spieler seinen Tag planen. Je nachdem, wann man also morgens in den Wald aufbricht, erhält man unterschiedlich viele Zutaten und Helferkarten. Je früher, desto dürftiger der Bonus, dafür hat man später Vorteile bei den Hauptaktionen.

Der Spielerreihenfolge entgegengesetzt setzt jeder seine Würfel auf die Aktionsfelder auf dem Spielplan, einige davon erfordern sogar mehrere Würfel. Anschließend werden alle Hauptaktionen der Reihe nach abgehandelt, beginnen darf jetzt der Startspieler.

Was man alles so tun kann? Nun ja, natürlich Zutaten wie Krähenfuß, Farn oder Kröten sammeln, Zutaten verkaufen, Tränke für Helden brauen, die gerade in der Stadt sind. Hierbei muss man vorher angeben, welche Qualitätsstufe des geforderten Tranks man herstellen wird. Schafft man das, winken Goldstücke; versagt man, verliert man Ruhm.

Das Brauen läuft mittels kostenloser App ab, die es für Smartphone und Tablet gibt. Mit dieser scannt man zwei Zutaten und erhält dann das Ergebnis, den entstandenen Trank bzw. die Qualitätsstufe.

 

Mit dem Gold lassen sich dann auch Artefakte kaufen. Diese sind äußerst rar und recht mächtig, so bieten sie einmalige oder dauerhafte Vorteile.

 

Herzstück des Spiels ist das Brauen der Tränke, die man entweder selbst trinken kann oder einen armen Studenten dazu verdonnert. Ersteres ist kostenlos, dafür muss man mit Gefahren rechnen, wenn ein Trank mit negativer Ladung herauskommt. Dieses Problem hat man nicht, wenn Studenten diesen Job als Versuchskaninchen erledigen, allerdings schlucken diese die Gebräue nicht ewig. Sobald sie Opfer eines eher ungenießbaren Tranks werden, verlangen sie für weitere Experimente Gold.

 

Jeder Alchemist hat zudem eine große Ergebnispyramide und einen Notizblock, auf denen er alle seiner bisherigen Erkenntisse  festhalten kann. Grundlegend gilt es nämlich, für jede Zutat das dazugehörige alchemistische Element (besteht immer aus drei farbigen und gepolten Teilchen) zu finden. Hat man das geschafft oder eine Ahnung, kann man seine Theorie publizieren. Andere Mitspieler können diese Theorie dann unterstützen oder auch widerlegen. Bei Falschaussagen gibt es selbstverständlich Ruhmabzug. 

 

Nach sechs Runden ist Schluss, es folgt die große Enthüllung. Die App verrät nun, welches Element zu welcher Zutat gehört und dementsprechend hagelt es Ruhm bzw. Ruhmabzug.


Was ist das Besondere an "Die Alchemisten"?

Allem voran muss man die hervorragend eingebundene und super funktionierende App erwähnen. Wir sind eigentlich kein Freund davon, aber hier macht das Scannen der Zutaten absolut Sinn und klappt reibungslos und schnell. 

 

Hinzu kommt, dass das Rätseln um die geheimen Elemente der Zutaten sehr clever und originell konzipiert wurde, mit der praktischen Ergebnispyramide lassen sich die Fortschritte hervorragend und vor allem visuell übersichtlich darstellen.

 

Generell gefällt uns auch die extrem schöne Optik mit ihren atmosphärischen Illustrationen, sei es auf dem Spielfeld, auf den Karten oder den Plättchen.

Wie sehr gefällt es uns?

Die Vorfreude, uns nach der langen Zeit endlich wieder mit "Die Alchemisten" zu beschäftigen, war richtig groß. Unsere letzten Eindrücke lagen einige Jahre zurück, teilweise mehr als vier Jahre, waren aber allesamt überaus positiv. Mit großer Freude haben wir uns nun also erneut mit dem Spiel beschäftigt und letztendlich können wir sagen, dass es auch heute noch richtig viel Spaß macht. Das Spiel versprüht eine schöne Atmosphäre und ist selbst in der Lehrlings-Variante herausfordernd. Nicht selten haben sich Mitspieler plötzlich an den Kopf gefasst und ein entsetztes "Neeeeein!" ausgestoßen - in der bitteren Erkenntnis, einen heftigen, möglicherweise haarsträubenden Fehler bei der Ergebnissicherung seiner Experimente begangen zu haben. Natürlich heucheln dann alle anderen Mitleid vor, insgeheim wird schelmisch gelacht. Bis man merkt, dass man auch irgendwie irgendwo etwas verbockt hat. 

 

Generell muss man sagen, dass dieses Elementesystem, das hinter den Zutaten steckt, eine fein konzipierte Sache ist. Das Spiel vermittelt durch die Experimente tatsächlich den Eindruck, als arbeite man als Alchemist. Die Aktionen sind herrlich thematisch, etwa wenn man arme Studenten seine Tränke trinken lässt oder selbst in den sauren Apfel beißt und die möglichen Folgen tragen muss. Alle steht und fällt mit den Goldstücken, die man zur Verfügung hat. Kaufe ich mir ein hilfreiches Artefakt oder behalte ich das Geld lieber, um die Studenten im Notfall bezahlen zu können oder zu publizieren? Stelle ich eine unsichere Theorie auf, um meine Mitspieler möglicherweise in die Falle zu locken? Was verkaufe ich den Abenteurern? Feinste Tränke auf Nummer sicher oder riskiere ich etwas, um neue Erkenntnisse über Zutaten zu erhalten? Die Zwickmühlen, die sich auftun, sind knackig und durchaus interessant.

 

Während das Tränke brauen, Publizieren und Experimentieren sehr überzeugt und Spaß macht, haben sich in mehreren Partien "Alchemisten" einige kleine Ungereimtheiten gezeigt. Der Zufall spielt leider eine größere Rolle, als es zunächst den Anschein macht, was bei einem solchen Expertenspiel einigen Spielern sauer aufgestoßen ist. Meistens halten sich Zufall und  sinnvolle Handlungsaktionen die Waage, doch es zeigte sich auch ein anderes Bild: Hat man anfangs mehrfach Pech beim Sammeln der Zutaten und Brauen von neutralen Tränken, kann einen das sehr zurückwerfen. Mit wenigen Erkenntnissen lässt sich kaum sicher Geld verdienen, wenn dann noch eine andere Komponente dazu kommt, die nicht läuft, ist es extrem schwer, nicht unterzugehen. Des Weiteren sind die Aktionen an sich zwar recht einfach, allerdings zeigt sich der eigentliche Spielablauf etwas zäh. Schuld daran ist die Notwendigkeit, immer korrekt seine Ergebnisse auf seiner Pyramide und seinem Notizblock festzuhalten, wobei man sich keine Fehler erlauben kann. Das bremst das Spiel hin und wieder aus, meistens nicht dramatisch, aber eben fühlbar und nicht ganz optimal.

 

Die App an sich gehört zum Besten, was Brettspiele zu bieten haben, da alles zu Ende gedacht ist und jederzeit reibungslos funktioniert. Das Scannen ist kinderleicht, bei schlechtem Licht lassen sich die Zutaten auch manuell eingeben. Auch wenn der Akku sich dem Ende zuneigt oder man mit mehreren Handy gleichzeitig experimentieren möchte, kann die aktuelle Elementzuordnung einfach per Code an andere Endgeräte weitergegeben werden, wunderbar gelöst.

 

Die Einstiegshürde zeigt sich in diesem Spiel als enorm hoch, denn Neueinsteiger sind in der Regel erstmal verwirrt. Die Grundmechanik mit den Zutaten und Teilchen muss erstmal verstanden und einigermaßen verinnerlicht werden, bevor man das Spiel in seiner Gänze richtig spielen kann. Die Meister-Variante bringt zusätzliche Würze beim Publizieren und Widerlegen mit sich, sollte aber erst dann gespielt werden, wenn man warm mit dem Spiel geworden ist.

Wertungen

Chris: 8 (tolles Spiel mit fantastischer App und schöner Atmosphäre, der Spielfluss hakt leider ein wenig an diversen Stellen. Der Spielablauf ist immer sehr ähnlich, dennoch ein besonderes, sehr gelungenes Spiel)

Sarina: 7 (ich hatte es besser in Erinnerung, letztendlich hatte ich einige unglückliche Runden, in denen ich in keinster Weise aufholen konnte, zu selten kamen passende Zutaten und zu viel Pech hatte ich beim Brauen. Das Spiel ist trotzdem echt gut, aber ich hab erstmal genug davon)

Holger: 8 (zuerst war ich bei einer 9, letztendlich hat das Spiel aber doch seine kleinen Schwächen, in Summe aber ein hervorragendes, originelles Spiel, das vieles richtig macht)

Eva: 8 (schönes Spiel, zu Beginn erstmal recht verwirrend, es dauert etwas, bis man aus den Experimenten die richtigen Schlüsse ziehen kann, hat mir als "Neuling" aber echt gut gefallen)

FAZIT:

Auch nach über vier Jahren Pause schafft es "Die Alchemisten" am Spieltisch zu begeistern. Die Einstiegshürde für neue Mitspieler ist recht hoch, aber nach ein, zwei Partien hat man das alchemistische Handwerk verinnerlicht und es entwickelt sich ein atmosphärisches, herausforderndes Experimentieren, begleitet durch eine der besten Brettspiel-Apps aller Zeiten.

 

Leider hakt der Spielfluss an einigen Stellen, zudem kann der Zufall einen Spieler durchaus ins Aus katapultieren. Trotz des recht abwechslungsarmen und sehr straighten Spielablaufs ist "Die Alchemisten" aber ein über die Maßen gelungenes Expertenspiel, das auf seine Weise einzigartig ist.

 

 

Text: Chris