Verlag: Rock Manor Games   Autor: Samuel Bailey, Mike Gnade   Spieldauer: 60-75 Min    Spieler: 2

Einspruch! Das macht einfach keinen Spaß!

Ich mag Filme mit spannenden Gerichtsverhandlungen, in denen mit fiesen Tricks um die Gunst der Geschworenen gekämpft und intrigiert wird. Als "Einspruch! Duell der Anwälte" in der Spieleschmiede angelaufen ist, war ich sofort interessiert, ohne mich näher mit der Spielmechanik zu beschäftigen. Cooles Thema, reines Zweierspiel, das wird schon hinhauen. Jetzt muss ich nach einigen  Partien aber leider sagen: Nee, danke. Warum das Spiel bei uns durchgefallen ist, erfahrt Ihr im Folgenden.

Vier Fälle - ein Einheitsbrei

Selbstverständlich, wie soll es auch anders sein, habe ich die beiden Erweiterungen "Hexenjagd" und "Der Pate" ebenfalls mitbestellt - wenn das Ding cool ist, will man ja die maximale Abwechslung. Leider muss man sagen, dass sich die vier Fälle zwar illustratorisch unterscheiden, spielerisch trotz einiger kleiner Kniffe nichts bieten, was mich bei der Stange hält. Das Problem ist nämlich, dass die dem Spiel zugrunde liegende Mechanik alles andere als überzeugend ist. Man wählt einen Zeugen aus, spielt abwechselnd Karten in die eigene Einvernahme oder Maßnahmen daneben; schaut dabei, dass sich mindestens ein Symbol der Vorgängerkarte doppelt und generiert Einflusspunkte. Das ist erstmal enorm glücksabhängig, welche fünf Karten man auf der Hand hat, denn nachziehen darf man nur, wenn man seinen Redemarker umdreht. Diesen darf man erst wieder umdrehen, sobald man einen Zeugen verloren oder einen entsprechenden Karteneffekt aktiviert hat.

 

Trotz netter Flavor Texte und stimmiger Illustrationen kam bei uns zu keinem Zeitpunkt das Gefühl auf, mitten in einer Gerichtsverhandlung zu sein. Man reiht munter emotionslos Karten mit passenden Symbolen aneinander, dreht an seinem Einflussrädchen, gewinnt oder verliert Zeugen und beeinflusst Geschworene, indem man Marker hin- und herschiebt. Teilweise hat man dann Runden, in denen man aufgrund nicht kombinierbarer Karten fast nichts tun kann, während der Mitspieler eine Karte nach der anderen spielt, sehr unfaire Geschichte.

Wo bitte ist die Atmosphäre?

Atmosphäre in einem Kartenspiel? Kann das sein? Muss das sein? Nun ja, kommt meiner Meinung nach darauf an, was das Spiel vermitteln will. In einem asymmetrischen Duell zweier Anwälte erwarte ich, dass ich das auch spüre. Tatsächlich ist es nicht der Rede wert, ob die nächste Karte ein Argument, ein Beweisstück oder eine Methode ist. Klar, Argumente kann man canceln, indem man maximal drei Mal im Spiel Einspruch erhebt. Aber ansonsten passiert da herzlich wenig, zumal das Spiel thematisch den Karren völlig gegen die Wand fährt. Der Gerichtsprozess ergibt keinen Sinn, führt nicht zu einem plausiblen Ende und hat währenddessen nichts, was mich so an dem Thema reizt. Ganz ehrlich - da hat sogar "Fungi", eines unserer liebsten kleinen Kartenspiele mit seiner Pilz-Sammel-Thematik fünf mal mehr Atmosphäre.

Puhh, noch fünf Zeugen, dann haben wir es geschafft!

Was am Ende des Tages dann auch noch ordentlich Punkte kostet, ist die viel zu lange Spielzeit. Die angegebenen 60 Minuten schafft man höchstens in der kurzen Variante des Einführungsfalls; meistens erstreckt sich eine Partie aber eher Richtung 90 Minuten und darüber. Und das ist mir dann für diese repetitive Spielmechanik ohne Emotionen, Spannung oder irgendwelchen interessanten Aspekten zu viel Lebenszeit. Nie im Leben würde ich nochmal eine Partie "Einspruch" vorschlagen, da es so unendlich viele Spiele gibt, die in sämtlichen Kriterien ein besseres Spielerlebnis bieten.

 

Es ist natürlich nicht alles schlecht an diesem Spiel, denn die Mechanik funktioniert grundlegend schon gut und hat durchaus ihre winzig kleinen Lichtblicke - etwa wenn man tatsächlich eine fiese Methodenkarte spielen kann und so die Gegenseite ins Straucheln bringt, aber für diese raren Momente lohnt es sich nicht, dieses Spiel auf den Tisch zzu bringen.


Wertungen

Chris: 4 (thematisch extrem enttäuschend, zu viel Zufall für ein beinahe abendfüllendes Spiel, keinerlei Thrill, keine Emotionen, für ein Duellspiel viel zu lahm)

Sarina: 4 (richtig belangloses, viel zu langes Spiel ohne nennenswerte Momente)


FAZIT:

Leider ist "Einspruch! Duell der Anwälte" nicht das, was wir uns erhofft hatten. Trotz augenscheinlich hoher Variation durch unterschiedliche Gerichtsfälle und variable Strategien, macht man hier stundenlang nur dasselbe - ein glückslastiges, emotionsloses und vor allem furchtbar repetitives Aneinanderreihen von Symbolen. Da können auch die grundlegend gelungene Optik und einige wenige, interessante Manöver nichts geradebiegen. 

  

Text: Chris

15.04.2021