Verlag: Frosted/Pegasus Autor: Stan Kordonskiy Spieldauer: 60-120 Min Spieleranzahl: 1-4
Die klirrende Kälte macht mir jedes Jahr zu schaffen. Ich mag es zwar, bei brennendem Kamin in den schneebedeckten Garten zu schauen - mittlerweile ein seltener Anblick in den letzten Jahren - und gemütlich im Warmen im Wohnzimmer Brettspiele zu spielen. Spätestens wenn ich morgens mühselig die Autoscheibe freikratzen muss und die Erkältungswellen durch die Familie schwappen, verteufle ich die kalte Jahreszeit. Und ja, in der Eiszeit wäre ich kläglich krepiert. Oder doch nicht?
Der fettgedruckte Untertitel "Überlebe die Eiszeit" suggeriert knallharten Überlebenskampf, Ressourcenmangel an jeder Ecke und eine ordentliche Portion Abenteuer. Nun ja, nach fünf Partien "Endless Winter" muss ich festhalten, dass selbst ich diese Eiszeit mühelos überlebt hätte.
Kernelement des Spiels ist Personaleinsatz. In jeder der vier Runden setzt man zwei Arbeiter und einen Chief ein. Jede Figur aktiviert dabei eine Aktionsart und muss mittels Handkarten unterstützt werden. So bringt z.B. eine Jägerkarte Vorteile bei der Jagdaktion. Fortschrittskarten bringen dem eigenen Zug zusätzliche Effekte. Karten, die man nicht spielt, nimmt man mit in die nächste Runde, zusätzlich zieht man immer fünf weitere Karten. Wie viele Karten ich also auf der Hand habe, liegt an mehreren Faktoren. Je nachdem, wie viele ich für die Aktionen selbst oder die anschließende Sonnenfinsternis-Phase zwischen den Runden ausspiele, bleibt mir überlassen.
Die Aktionsfelder selbst besitzen allesamt eine Aktion, die man - je nach Ressourcenverfügung oder Arbeitskraft - mehrfach ausführen kann sowie eine einmalige Aktion. Hinzu kommt, dass ausschließlich der erste Spieler bei jeder Aktionsart einen weiteren Bonus erhält, der eben jene wählt.
In "Endless Winter" gibt es fernab der Aktionswahl eine ganze Menge Nebenschauplätze: auf zwei Opferleisten schreitet man voran; man kann Zelte bauen und auf dem Geländespielfeld bewegen, um Mehrheiten für weitere Ressourcengenerierung zu bilden. Wir jagen Tiere zwecks Set-Collection, vergraben Karten und puzzeln Megalithen auf Bauplätze. Steintafeln lassen sich ergattern und in der Sonnenfinsternis streiten wir uns um weitere Boni. Überall gibt es etwas zu tun, alles macht thematisch durchaus auch irgendwie Sinn. Doch "Endless Winter" hat meiner Meinung nach ein gewaltiges Problem, es spielt sich unrund, fühlt sich aufgebläht an und ist eigentlich ziemlich langweilig.
Jetzt werden einige Leser aufspringen und sagen: "Aber da kann man doch so viel machen. Das Spiel ist super belohnend und tolle Kettenzüge sind an der Tagesordnung."
Ja, stimmt. Aber die Downtime erreicht hier manchmal ein Maß, die mein persönliches Limit übersteigt, was auch daran liegt, dass die Aktionen an sich nicht sonderlich spannend sind. Hier passiert nichts Aufregendes, die Interaktion ist mäßig. Hier muss jeder Spieler durchaus einige Male ordentlich durchplanen, damit man keine seiner lediglich zwölf Aktionen uneffektiv spielt.
Die Verzahnung der Elemente ist prima, da lässt sich wenig dagegen sagen. Aber die einzelnen Elemente an sich fühlen sich höchst unspektakulär und seelenlos an. Das typische Kickstarterproblem, mag der Ein oder Andere sagen. Ja, vielleicht. "Endless Winter" ist vollgepackt mit Extras, für jeden Spielgeschmack ist etwas dabei. Aber spielerischen Mehrwert hat das alles nicht. Natürlich schaut das Spiel super aus, das Material ist großartig. Aber was ist das Besondere hier? Ich kann es nicht erkennen und nach fünf Partien muss ich sagen, dass ich trotz großer Vorfreunde absolut keine Lust mehr verspüre, erneut in diese Eiszeit abzutauchen. Siegpunktschlachten habe ich einige und vor allem spielerisch raffiniertere Alternativen im Regal.
Zum Thema Erweiterungen:
Wir haben alles gespielt. Nur das Grundspiel, dann mit einzelnen Erweiterungen, alles zusammen. Meiner Meinung nach ist lediglich die kleine "Ahnen"-Erweiterung erwähnenswert, da hier die Tierkarten ausgetauscht werden und etwas sinnvoller integriert sind als im Grundspiel. Alles andere ist nicht der Rede wert. Die Höhlenmalerei ist sicherlich ein thematisch tolles Element, hat mir und einigen meiner Mitspieler aber wenig Spaß gemacht. Die Flüsse-Erweiterung fanden wir alle ziemlich unnötig und spaßbefreit. All das, auch die ganzen Promokarten und Mini-Erweiterungen - blähen nur weiter auf nach Schema F und können dem Spiel überhaupt keinen Glanz verleihen. Die Spielmatte ist toll und hilft enorm bei der Materialorganisation auf dem Tisch.
Wertungen
Chris: So wunderschön es aussieht, so enttäuschend lässt mich das Spiel am Ende zurück. Ja, es funktioniert und die Symbiose aus Workerplacement und Deckbau ist grundsätzlich gelungen. Aber es spielt sich ungelenk und das Gefühl, dass sämtliche Spielelemente der letzten Jahre hier reingebaut wurden, um einfach alles abzudecken, ist allgegenwärtig. Alles drin, aber nichts wirklich herausragend. Der Reiz, dieses Spiel weiterhin zu spielen, tendiert bei mir gegen Null.
Holger: Fazit folgt
Sarina: Schönes Material, das Spiel an sich ist so naja. Unspannendes Workerplacement und bunter Mix aus irgendwie allem, aber nichts davon führt irgendwie zu spielerischem Mehrgewinn. Ein recht zähes Rennen um Siegpunkte, thematisch kommt da bei mir auch absolut nichts an.
Simon: Nach der ersten Partie war ich voll des Lobes und hätte am liebsten 4 Meeple gegeben. Die hohe Downtime, die unnötigen Erweiterungen und weitere Partien haben aber klargemacht: es gibt ein Setup, das super funktioniert und mir viel Spaß macht. Ich weiß nur nicht, wie viele Partien das anhält ... mehr ist leider nicht immer besser.
Obwohl "Endless Winter" viel bietet, gut verzahnt und optisch eine Augenweide ist, fehlt es dem Spiel spielerisch an
Raffinesse und Seele. Unzählige Nebenschauplätze um der Quantität willen, allerdings ziemlich holpriger Spielfluss, lange Wartenzeiten und unspektakuläre Aktionen. Thematisch fehlt mir hier
zudem der "Survival"-Aspekt, der durch Thema und Titel suggeriert wird. Der Spielspaß hielt sich extrem in Grenzen und außer vielleicht Simon würde das Spiel niemand von uns
empfehlen.
Text: Chris
22.03.2023