Verlag: 2F-Spiele   Autor: Friedemann Friese   Spieldauer: 110 -140 Min    Spieleranzahl: 1-5

Ein echter ägyptischer Friese

Friedemann Friese zählt ohne Zweifel zu den originellsten und mutigsten Spieleautoren unseres Landes. Kein Zweiter bleibt sich so sehr treu, versucht seine Visionen und Ideen umzusetzen und bietet interessant konzipierte Spiele. Nicht alle seine Spiele sind Highlights, doch mit "Funkenschlag" hat er einen zeitlosen Klassiker erschaffen. Es gibt einige seiner Spiele, die wir mögen, und auch viele, die wir nicht mögen. Mit "Faiyum" gelingt dem Autor aber wieder ein besonderes Spiel, das enorme Stärken, aber auch Schwächen hat. Reicht es dieses Mal zum Highlight?

Wie funktioniert das Spiel?

Die Spieler versuchen, das Sumpfland Faiyum zu urbanisieren und dabei möglichst Eindruck beim Pharao zu stiften. Der eigene Spielzug ist dabei denkbar einfach: entweder spielt man eine Handkarte aus, kauft eine Karte oder führt eine Verwaltung durch. Beim Ausspielen von Handkarten wird immer etwas auf dem Spielplan platziert oder bewegt. Alles, was sich dort befindet, gehört keinem Spieler, denn alle arbeiten mehr oder weniger gemeinsam am Ausbau der zunächst einmal krokodilsaffinen Landschaft. Bevor ein Feld bebaut oder besetzt werden kann, muss es mit einer geeigneten Karte trockengelegt werden, was Geld bringt. Mit Bauern oder speziellen Arbeitern generiert man felderspezifische Ressourcen, die man zum Bau von Siedlungen, Städten, Wegen, Betrieben und allerlei Gebäude benötigt.

 

Beim Kartenkauf hat man lediglich Zugang zu vier von acht Karten. Jede Karte verfügt über eine Nummer, sodass die Auslage stets nach Zahlenreihenfolge sortiert wird. Kaufbau sind immer die vier aktuell niedrigsten Karten. Will man eine der höheren Karten, muss man warten, bis eine noch höhere Karte kommt und die besagte Karte in den Markt schiebt. Bei jeder Verwaltungsaktion verschwinden zwei Karten für immer aus dem Spiel, sodass die Karten munter durchzirkulieren.

 

Führt man die Verwaltungsaktion aus, erhält man Geld, sofern man wenige Karten auf der Hand hat und darf bis zu zwei Meeple entfernen. Anschließend erhält man die drei zuletzt gespielten Karten seines Ablagestapels wieder auf die Hand. Will man weitere Karten, so kostet jede davon 1 Geld.

 

Ist der Nachziehstapel durchgespielt, kommt ein vorbereiteter zweiter, wesentlich kleinerer Stapel ins Spiel. Die dort enthaltenen Naturkatastrophenkarten klingen schlimmer als sie sind, denn vier davon triggern lediglich das Spielende. Dann darf man nicht mehr verwalten, sondern lediglich seine Handkarten runterspielen, weitere Karten kaufen oder aus dem Spiel aussteigen. Macht man letzteres, darf man sich die Naturkatastrophenkarte mit den meisten Siegpunkten nehmen. Haben das alle getan, ist das Spiel zu Ende und es gewinnt der Spieler mit den meisten Ansehenspunkten.

Was ist das Besondere an "Faiyum"?

"Faiyum" besticht durch eine sehr dynamische Kartenauslage, die man in Frieses bestem Spiel "Funkenschlag" bereits in einer ähnlichen Form gesehen hat - nur diesmal mit einigen Kniffen modifiziert. Das funktioniert großartig und sorgt dafür, dass sich alle Partien unterschiedlich spielen. Bereits zu Spielbeginn liegen immer unterschiedliche Karten aus und über das gesamte Spiel wissen erfahrene "Faiyum"-Spieler zwar, welche Karten kommen, aber nie wann. Das macht das Ganze sehr interessant, zumal jeder Spieler zu Beginn erstmal mit denselben fünf Karten startet. Alles, was danach passiert, ist eine individuelle Spezialisierung, denn fast alle Karten sind einzigartig. Ständig werden sie einem vor der Nase weggekauft oder fliegen aus dem Spiel, sodass dieses Kartenkauf-Element sehr spannend umgesetzt wurde.

 

Ebenfalls besonders ist, dass sämtliche Siedlungen, Gebäude, Wege und Arbeiter, die auf dem Spielfeld platziert werden, allen gehören. Jeder arbeitet an der Urbanisierung des Sumpflandes mit und kann mit geeigneten Karten von dem mitprofitieren, was andere gebaut haben.

 

Auch die Art und Weise, wie man Karten wieder auf die Hand bekommt, ist tricky: Nur die drei zuletzt gespielten Karten erhält man aus seinem Ablagestapel wieder, jede weitere kostet ein Geld. Begräbt man also eine Karte zu weit unten im Ablagestapel, wird es extrem teuer, diese wieder zu erhalten. Super interessanter Mechanismus!

Wie sehr gefällt es uns?

Ach ja, wie schön. Endlich hat es Friedemann Friese wieder geschafft - mit "Faiyum" hat er mich wieder und ich muss einfach sagen, dass ich das Spiel sehr mag. Wie bei vielen seiner Spiele beweist der Autor Mut, Originalität und Ideen, aber dieses Mal funktioniert das Ganze dann auf dem Tisch auch so gut, dass ich für mich von einem spielerischen Highlight sprechen kann. Die dynamische Kartenauslage; die einzigartigen Karten; die Tatsache, dass jeder mit allem auf dem Spielplan mit den passenden Karten etwas anfangen kann - großartig! Dann noch der wirklich fantastische Kniff, wie man seine Karten wieder auf die Hand bekommt! Mega gut! 

 

Optisch reißt das Ganze sicher keine Bäume aus, einigen wird der Stil wahrscheinlich auch überhaupt nicht zusagen. Mich hat das zu keinem Zeitpunkt gestört; im Gegenteil - alles ist stets super übersichtlich. Natürlich höchst funktional, finde ich aber hier nicht sonderlich schlimm. Der Stil passt irgendwie zum Spiel und daher kann ich es verschmerzen, dass das Ganze nicht wie ein Hochglanz-Deluxe-Spiel daherkommt.

 

Was mich trotz aller Begeisterung ein wenig stört ist die Tatsache, dass man im Spiel oftmals mehrfach dasselbe macht. Muss man ja, denn man kauft sich ja Karten zu seinen Startkarten und muss damit ja auch etwas anfangen. Aber wenn gewisse Karten auf sich warten lassen, erübrigt sich sich eine Alternative und man tut eben, was man kann. Solange man es noch kann. Das klingt logisch, oder? Ist es auch, aber es fühlt sich ein wenig monoton an. Des Weiteren gibt es die ein oder andere Karte, die ich - vor allem in Kombination mit gewissen anderen Karten - für zu stark halte. Klar, wenn man das weiß, kann man dagegen steuern, alles gut. Aber dann gibt es noch Karten wie "Papyrus", mit der man die letzte gespielte Karte des Ablagestapels kopieren kann. Schon recht mächtig während des Spiels, am Ende - wenn man eine heftige Siegpunktkarte erfüllt und wertet - meiner Meinung nach ziemlich unnötig. Wenn beide ähnlich gut spielen, kann sowas den Unterschied machen und zu einer frustigen Niederlage führen.

 

Trotz diesen zwei in der Theorie recht starken Kritikpunkten, gefällt mir das Spiel dennoch extrem gut und ich finde es weiterhin super reizvoll. Daher ist "Faiyum" für mich eine der Überraschungen 2020 und bleibt im Regal.

 


Wertungen

Chris: 8 (großartige Ideen enorm spannend umgesetzt, die triste Optik stört mich nicht, lediglich die etwas repetitiven Aktionen und einige Balancing-Problemchen, in Summe aber tolles Spiel)

Klemens: 8 (hat mir grundsätzlich gut gefallen, der dynamische Kartenmarkt und die Verwaltung der eigenen Karten sind spitze, insgesamt einen Tick zu repetitiv, mir fehlt auch etwas die Spieltiefe, daher knappe 8 mit Tendenz zur 7)


FAZIT:

Mit "Faiyum" zeigt Friedemann Friese endlich wieder, was in ihm steckt. Mit einem hochinteressanten dynamischen Kartenmarkt und einem originellen, cleveren Kartenmanagement bietet sein neuestes Kennerspiel eine tolle Mechanik. Im Detail stören uns ein wenig die repetitiven Züge sowie einige wenige sehr starke Karten. Mit der funktionalen Optik muss man klarkommen, wir finden sie recht passend. 

  

Text: Chris

02.01.2021