Von Meuchelmördern, Dschinns und Kamelen

Hin und wieder entpuppt sich ein Spiel in einer bestimmten Besetzung als Meisterwerk. Bruno Cathalas "Five Tribes" ist so ein Kandidat, der uns seit Jahren immer wieder begeistert. Wir verraten Euch, was wir an diesem Spiel so schätzen und ob die beiden Erweiterungen das Grundspiel bereichern.

 

Wie funktioniert das Spiel?  

Jede Runde beginnt damit, dass die Spieler um die Zugreihenfolge bieten. Da Geldmünzen gleichzeitig auch Siegpunkte sind, ist bereits hier Umsicht geboten. Viel auszugeben macht vor allem dann Sinn, wenn man einen besonders lukrativen Zug im Kopf hat, den man unbedingt vor den anderen ausführen möchte.

Ist man dann an der Reihe, wählt man ein Plättchen aus, nimmt alle sich darauf befindenden Meeple und zieht mit ihnen weiter. Die Zugweite ist immer genau kongruent mit der Anzahl an Meeples, die man mitnimmt. Auf jeden Feld, das man überquert, muss dann ein beliebiger Meeple zurückgelassen werden. Der letzte Meeple muss dann auf einem Feld ankommen, auf dem mindestens ein anderer Meeple gleicher Farbe steht. Dann geschieht zweierlei: einerseits triggert man dann mit diesen Meeples einer bestimmten Farbe eine spezielle Aktion, des Weiteren aktiviert man noch die Ortsaktion des Feldes, auf dem man gelandet ist.

 

Es gibt rote Meuchelmörder, blaue Baumeister, grüne Kaufleute, weiße Älteste, gelbe Wesire und mit der Erweiterung "Kunstschmiede von Naqala" auch violette Händler. Alle davon haben unterschiedliche Fähigkeiten. Auch die Ortsaktionen sind mannigfaltig, so kann man auf einigen Waren für Set-Collections erwerben, mächtige Dschinns kaufen sowie wertvolle Palmen und Paläste bauen. 

 

Ist das Plättchen, auf das man gezogen ist, am Ende des Spielzuges leer, kann man es in Besitz nehmen und ein Kamel darauf platzieren. Die Plättchen selbst geben ebenfalls unterschiedlich Spiegpunkte am Ende, ebenso erhält man für Sets aus unnterschiedlichen Waren weitere Punkte. Das Spiel endet, sobald ein Spieler sein letztes Kamel gesetzt hat und keine reguläre Meeple-Bewegung mehr möglich ist.

Was ist das Besondere an "Five Tribes"?

Dieses Spiel entfaltet durch seine enorme Varianz und den vielen Aktionsmöglichkeiten einen enormen Reiz, der seinesgleichen sucht. Zu Beginn sind die Möglichkeiten enorm, es erfordert einen guten Überblick und ein scharfes Auge, um die bestmöglichen Züge zu erkennen. Dabei klingt "suche ein Plättchen aus und bewege alle Meeple" trügerisch simpel, denn bei diesem Spiel sind Züge möglich, die einen aus den Latschen kippen lassen.

 

Beispiel: Ich nehme fünf Meeple eines Plättchens, bewege sie Schritt für Schritt weiter. Den grünen lasse ich hier zurück, da mein Mitspieler gelbe sammeln muss und dort schon einer steht. Auf dem nächsten Feld lasse ich einen weißen zurück, dann einen blauen und mit dem roten Meuchelmörder ziehe ich auf das Feld, auf dem bereits ein einzelner Meuchelmörder steht. Yeah, das Feld ist jetzt frei, sofort platziere ich mein Kamel darauf und sichere es für mich. Aber noch nicht genug. Gleichzeitig aktiviere ich die Ortsaktion und baue einen wertvollen Palast - wie wunderbar, dass dieses Plättchen seit drei Sekunden mir gehört. Aber ich kann noch mehr! Mit den zwei Meuchelmördern habe ich nun eine Reichweite von 2 und töte so den zwei Felder entfernten weißen Meeple, den ich auf einem zuvor leeren Feld extra zurückgelassen habe. Zack - auch hier darf ich jetzt ein Kamel platzieren. Monsterzug!

 

Aber das war es eben immer noch nicht in "Five Tribes". Ernsthaft? Ja, ernsthaft! Denn im Spiel zu zweit lässt es sich mittels cleverem Gebot zu Rundenbeginn auch einrichten, dass ich direkt zwei Mal hintereinander dran bin. Das eröffnet eine ganz neuen Dimension an Möglichkeiten, denn so kann ich mit meinem ersten Zug einen noch viel krasseren zug vorbereiten. Diese Tiefe entfaltet sich aber wie gesagt nur im Spiel zu zweit.

Wie sehr gefällt es uns?

Für uns ist "Five Tribes" etwas ganz Besonderes, zu zweit ist es eines der allerbesten Spiele, die wir je gespielt haben. Ich weiß gar nicht, wie viele Partien es bisher schon waren, wahrscheinlich locker über 40 und es macht jedes Mal genauso viel Spaß. Zumindest, wenn Sarina mich nicht mit unfassbaren Zügen platt macht, denn ich kenne kaum ein Spiel, bei dem es so schwierig ist für mich zu gewinnen. Dadurch, dass wir das Spiel schon so oft gespielt und quasi in und auswendig kennen, sind Partien zu dritt oder zu viert nur noch halb so interessant, da bisher kein Mitspieler eine Chance hatte. Gegen erfahrene Spieler würden wir das Ganze aber sicher nochmal ausprobieren.

Unser Herz brennt ganz klar für die Partien zu zweit, denn was man hier an taktischen Spielzügen auffahren kann, sucht seinesgleichen. 

Dazu schaut das Spiel noch super aus, das Material ist fantastisch und die Regeln sind zu jeder Zeit glasklar. Auch die Ikonographie ist durch und durch gelungen, sodass man hier von vorne bis hinten von einem fantastischen Spiel sprechen kann.

 

Natürlich kann es vorkommen, dass Optimierer lange für ihren Zug brauchen, das nervt durchaus mal. Auch mir ist es schon oft passiert, dass jeder Zug, den ich in meinem geistigen Auge berechnet habe, am Ende wegen einem Schritt nicht gepasst hat. Dann wird man irgendwann selbst genervt, da der Mitspieler gefühlt ewig wartet, und macht irgendwas, was nur halb so gut ist. Aber so ist das eben. Ein Zeitlimit pro Zug kann hier wahre Wunder wirken.

 

Da Geld gleichzeitig zum Taktieren ausgegeben werden muss, gleichzeitig aber auch die Siegpunkte darstellen, sieht man sich jede Runde vor harten Entscheidungen. 

 

Ich muss aber ganz klar sagen, dass "Five Tribes" deswegen zu dritt und zu viert niemals so gut sein kann wie zu zweit, da mit mehr Mitspielern der Zufall exponentiell steigt. Bis man da wieder an der Reihe ist, hat sich der Spielplan deutlich verändert, oftmals muss man dann etwas komplett anderes machen als geplant. Da könnte man natürlich mal wieder argumentieren, dass man eben das beste aus der Situation machen muss - ja, schon, das stimmt. Aber die Genialität, die das Spiel aufgrund der doppelten Züge an den Tag legt, kann mit mehr Spielern nicht erreicht werden.

Vorsicht!

Diesen Dschinn sollte man nicht "mitspielen" lassen, sobald man mit der zweiten Erweitung "Launen des Sultans" spielt. Die Punkte, die man für das Besetzen der fünf wundersamen Städte erhält. sind so unfassbar wichtig, dass man diese mit dem Dschinn Utug viel zu einfach bekommen kann. 

Die erste Erweiterung "Die Kunstschmiede von Naquala" ist unserer Meinung nach überragend gut und bereichert das Grundspiel in vielerlei Hinsicht. Die lilafarbenen Meeple bringen durch ihre Wertigkeit und als Kosten für mächtige Plättchen noch mehr Würze ins Spiel. Dazu gesellen sich noch die Zelte als weitere taktische Komponente sowie unüberwindbare Berge, neue Dschinns und neue Ortsplättchen.

Die zweite Erweiterung "Die Launen des Sultans" gefällt uns ganz gut, allerdings würden wir diese in keinster Weise als essentiell bezeichnen. Die Wundersamen Städte geben zudem so enorm viele Punkte, dass man diese gar nicht außer Acht lassen darf, was unserer Meinung die eigene Taktik erstmals etwas einschränkt. Der Große See ist ein nettes, aber unspektakuläres Ortsplättchen.

 

Die Erweiterung enthält das Spielmaterial für einen fünften Spieler, allerdings wollen wir "Five Tribes" ehrlich gesagt auf keinen Fall zu fünft spielen. Um Himmels Willen.

Wertungen

Chris: 9 (Ich liebe dieses Spiel, ohne Frage. Zu zweit eine absolute Taktik-Granate)

Sarina: 10 (Five Tribes ist und bleibt mein absolutes Lieblingsspiel für zwei Spieler. Es bietet so unfassbar coole Aktionsmöglichkeiten, sieht super schön aus und bringt mich jedes Mal zu Höchstleistungen meines Gehirns. Genial!)

FAZIT:

"Five Tribes" ist zu zweit eine absolute Taktik-Granate. Enorm viele Möglichkeiten, harte Entscheidungen und grandiose Spielzüge, die den Mitspieler vom Glauben abfallen lassen können. Ein geniales Spiel, das durch die grandiose erste Erweiterung "Die Kunstschmiede von Naqala" für uns in die Riege der Meisterwerke aufsteigt. "Die Launen des Sultans" braucht man aber nicht unbedingt.

 

Text: Chris