Verlag: Cardboard Alchemy Autor: Manny Vega Spieldauer: 60 Min Spieleranzahl: 1-5
Was spielt man, wenn man Brettspielneulinge zu Gast hat und diesen sein liebstes Hobby schmackhaft machen möchte? Gute Gateway-Spiele, bei denen die Grenzen zwischen Familienspiel- und Kennerspielniveau leicht miteinander verschwimmen, sind sehr beliebt, da man so wunderbar Neulinge in die interessante Welt der Brettspiele heranführen kann. Tatsächlich greifen wir hier oft immer noch auf das gute alte "Stone Age" oder "Broom Service" zurück, während neuere Titel wie "Honey Buzz" oder das modular steigerbare "Tavernen im tiefen Thal" wieder ausgezogen sind.
Ist "Flamecraft" nun so ein Spiel? Zumindest hatte ich mir das erhofft, auch wenn die Zeichen eher auf sehr seichtem Familienspiel lagen. Nachdem ich es nun gespielt habe, kann ich sagen, dass "Flamecraft" tatsächlich recht seicht ist, sich allerdings dann doch auf keinen Fall belanglos zeigt. Hier wird schon recht gekonnt hin- und her getauscht, Effekte aktiviert, Aufträge erfüllt und möglichst effektiv Ressourcen gesammelt.
Zunächst einmal möchte ich natürlich die sensationelle Optik des Spiels loben. Die Illustrationen sind einfach wundervoll, super stimmig und herzallerliebst. Mit der langen Spielmatte, den tollen Holzressourcen, den Goldmünzen und den Drachen-Miniaturen ist die Deluxe Ausgabe definitiv eines der schönsten und stilsichersten Spiele überhaupt. Ob es schöner als "Everdell" ist? Geschmacksache, ich finde, ja. Aber es gibt Kickstarter-Spiele wie z.B. "Merchants of the Dark Road", die ich noch hübscher finde. Egal, "Flamecraft" hat allen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, die Tischpräsenz ist toll und macht das Spiel natürlich so sehr interessant.
Spielmechanisch war das erwartungsgemäß nicht mehr als "nett", dabei aber dann doch interessanter als gedacht, aber jetzt kommt's ... leider nicht genug, um im Spieleregal dauerhaft einzuziehen - auch nicht als Gateway oder gar Familienspiel. Die Frage ist jetzt, was meine ich mit "es war nicht genug", obwohl "Flamecraft ja doch mehr geboten hat, als ich zunächst dachte? Ich will das mal kurz etwas erläutern:
Die Aktionsvielfalt fokussiert sich darauf, Läden zu besuchen und dort entweder zu sammeln oder zu verzaubern. Beim Sammeln erhält man nicht nur die Ressourcen, sondern darf außerdem einen Drachen spielen, eine Feuerfähigkeit aktivieren und die Ladenfähigkeit nutzen. Die Verzauberungen sind quasi von jedem Spieler erfüllbare Aufträge, die in der Mitte liegen und Punkte sowie weitere Boni bringen. Beide Optionen sind gut miteinander verwoben: Verzauberungen generieren nämlich beim Sammeln mehr Ressourcen und aktivieren gleich alle Feuerfähigkeiten der Drachen in dem gerade verzauberten Laden. Auch die Schmuckdrachen (quasi kleinere persönliche Aufträge während des Spiels bzw. am Ende) fügen sich gut ein. Mein Problem, das ich mit "Flamecraft" habe bzw. der Grund dafür, dass wir es nicht behalten, ist nicht die fehlende Tiefe, sondern eher die fehlende Überraschung. Das, was man hier macht, ist super geradlinig, kompakt und wenig aufregend. Ja, auch Familienspiele können aufregend sein! Wo ich in "Stone Age" für das Ressourcensammeln würfeln muss und die Wahrscheinlichkeit durch mehr oder weniger Arbeiter erhöhe bzw. senke - wo ich bei "Broom Service" im Geheimen die mutige oder feige Hexe spiele ... die gewisse Portion Unberechenbarkeit, Aufregung, irgendetwas Emotionales fehlt mir hier in "Flamecraft" einfach. Ja gut, man macht zwar Mitspielern unspektakuläre Geschenke und muss ihren auch Ressourcen geben, wenn man besetzte Läden besuchen will. Das ist aber im Vergleich zu anderen Titeln äußerst spärliche Interaktion.
Die letzte Frage, die für uns blieb, war: Sollen wir es für die Kinder behalten? Auch hier haben wir uns letztendlich für Nein entschieden. Es gibt in allen Bereichen fluffigere, lustigere, interessantere und vor allem cleverere Spielealternativen, sodass die Optik hier alleine nicht ausreicht.
Wertungen
Chris: Es war fast zu erwarten, dass das kein Spiel ist, das bleiben wird. Trotzdem war es schön, es mal gespielt zu haben. Ich liebe die herzallerliebsten Illustrationen, spielerisch fehlt mir irgendein besonderer Kniff, der das Spiel trägt, so ist das seichte Standardkost mit beeindruckender Optik.
Holger: Nett, aber nicht mehr. Ich habe sowohl im Familienspiel- als auch im Kennerspielbereich bessere Alternativen im Schrank.
Sarina: Sieht super aus, fühlt sich auch so an, aber ist mir dann am Ende zu seicht, spielerisch gibt es da nichts Neues, muss ich jetzt nicht wieder spielen.
"Flamecraft" ist super hübsch, redaktionell top und funktioniert tadellos, sogar besser als gedacht. Aber
spielerisch fehlt der eine besondere Moment, der ein gutes Spiel ausmacht. Und deswegen denke ich mit einem warmen Schmunzeln an unsere letzte Partie zurück, aber kann dieser
zauberhaften Schönheit keinen dauerhaften Platz bei uns bieten.
Text: Chris
03.10.2022