Verlag: Genius Games   Autor: John Coveyou  Spieldauer: 45-90 Min.    Spieleranzahl: 1-5

Dominant oder rezessiv? In Genetik aufgepasst?

Als Biolehrer freue ich mich natürlich immer auf thematisch interessante Brettspiele aus meinem Fachgebiet, so trudelte also zuletzt "Genotype" bei uns ein. Der Kickstarter ging wie so oft an mir vorbei, mit Glück konnte ich eine Collector's Edition ergattern und dann habe ich das Ding auch direkt auf den Tisch gebracht. Immerhin geht es hier um Genetik, die Mendelschen Regeln und Pflanzenzucht. Okay, Tiere wären mir lieber, aber egal. Trotz meines braunen Daumens habe ich auch ein Herz für Pflanzen. Und Klemens war auch sofort angefixt. 

 

Aufforderungscharakter? check!

Ja ja, das Spiel schaut gut aus. Wirklich gut! Muss man schon sagen. Ist halt auch wieder eine Kickstarter-Deluxe-Collectors-BlingBling-Editon. Da ist man ja schon einiges gewohnt mittlerweile und "Genotype" macht in diesem Bereich nichts verkehrt. Schönes, übersichtliches Board; eingravierte Würfel, Aktions- und Manipulationsmarker aus Holz. Kann man so machen und ist fürs Auge wirklich ein kleiner Leckerbissen. Die Illustrationen auf den Pflanzenkarten haben mir persönlich jetzt nicht so zugesagt, allerdings habe ich mich von Klemens überzeugen lassen, dass das Ganze stilistisch durchaus passt. Ja okay, stimmt schon.

Elterngenerationen und ihre Nachkommen

Hauptessenz in "Genotype" ist das Herstellen bestimmter Pflanzen, für welche bestimmte Merkmale notwendig sind. Benötige ich also beispielsweise das Merkmal "GG" (das könnte z.B. thematisch eine bestimmte Farbe oder Größe sein), muss ich dieses validieren, indem ich einen passenden Würfel vom Feld "GG" nehme. Damit ein Würfel aber überhaupt in dieses Feld als Nachkomme eingesetzt werden kann, muss er durch due Kreuzung seiner Eltern aber erst entstehen. Und je nachdem, welche Merkmale die Eltern aufweisen, besteht überhaupt die Möglichkeit, diese zu vererben. Genau das kann man in "Genotype" recht heruntergebrochen, aber elegant tun: Merkmale von Elterngenerationen manipulieren und so die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Nachkommen benötigte Merkmale aufweisen

Im Detail liegt die Würze

Zunächst wirkt die Symbiose aus "Workerplacement ins Blaue" und anschließendem Würfelergatterns ein wenig seltsam. Wieso ins Blaue? Nun ja, weil man abseits einiger klassischen Aktionen wie Geld- und Kartenbeschaffung seine Schaufeln auf Felder setzt, die erst im Nachhinein mit Würfeln bestückt werden. Je nachdem, wie diese Würfel fallen, kann man dann überhaupt davon profitieren. Schnell wird einem dann aber klar, dass diese Aktionsfelder durchaus ihren Sinn haben, denn mit ihnen werden Wahrscheinlichkeiten manipuliert und sichergestellt, dass man vor seinen Mitspielern bei der Würfelauswahl an der Reihe ist. Auch die Tool-Karten und vor allem die zahlreichen Assistenten bringen hilfreiche Effekte und Vorteile mit sich. 

 

Nachdem Schaufel eingesetzt und Würfel genommen und verwendet wurden, folgt eine Upgrade-Phase. Hier ist erstmals nicht der Startspieler im Vorteil, sondern der letzte aus der Spielerreihenfolge. Reihum kann man sich neue Karten- oder Würfelslots, weitere Schaufeln oder Assistenten kaufen. Hat man etwas erworben, steigt der Preis für die Mitspieler. 

Elegant emotionslos

Ich komme an einen Punkt, der maßgeblich meine Entscheidung beeinflusst, ob ein Spiel bleiben darf oder wieder gehen muss - der Spielspaß. So raffiniert und elegant sich "Genotype" auch zeigt, am Ende hat mir persönlich dann doch etwas gefehlt. Während mir die Manipulationen, die first und second shifts (also die Möglichkeit, vor den anderen Würfel zu sichern) und die Upgrade-Phase gefallen, der Kern des Spiels - das Erfüllen von Pflanzenkarten - tut es nicht. Ich nehme mir Würfel und decke die jeweiligen Merkmale ab. Nun ja, das ist ... gelinde gesagt unspannend und emotionslos. Jetzt könnte man sagen, der Kern des Spiels ist eben nicht das Erfüllen der Pflanzenkarten, sondern eher das Drumherum, die Manipulation, das Würfelwegnehmen und das Upgraden. Möglicherweise, aber auch dann fehlt mir der befriedigende Effekt, der einer erfolgreichen Vorbereitung folgen sollte. Das ist jetzt vielleicht auch etwas hart, denn das Spiel funktioniert mechanisch tadellos und hat durchaus seine Momente; es ist objektiv betrachtet ein gutes Spiel. Wenn ich aber auf mein Spieleregal schaue und hier jeder Platz hart umkämpft ist, reicht mir das, was "Genotype" bietet, nicht aus. Ich brauche etwas Besonderes, etwas Emotionales, irgendetwas Spannendes, das mich dazu bringt zu sagen: "Und heute will ich "Genotype" spielen". Das gibt es aber nicht, ich würde lieber anderes spielen. Daher muss es leider wieder ausziehen.

Wertungen

Chris: 6 (im Grunde gutes Spiel, welches das Thema passend vereinfacht und spielerisch interessant rüberbringt, darüber hinaus ist mir das alles aber zu unspannend und emotionslos)

Klemens: 8 (kleine, aber interessante Entscheidungen, mal was anderes irgendwie, Thema sehr gut umgesetzt, mir hat es echt gut gefallen)

FAZIT:

Mit "Genotype - A Mendelian Genetics Game" liefert Genius Games ein gelungenes Brettspiel über die genetische Variabilität und Pflanzenzucht ab, das durch einen eleganten Mechanismenmix und eine starke Optik punktet. Im Detail fehlt mir hier aber das gewisse Etwas, womit mich das Spiel auf irgendeine Weise packen könnte. Klemens sieht das anders, also gebt dem Spiel eine Chance, wenn es irgendetwas in euch anspricht. 

 

Text: Chris