Vier Tage harte Arbeit

Ich muss gestehen, dass mich diese Deluxe-Editionen immer sehr reizen. So auch bei "Gùgong", das ich bereits letztes Jahr schon hatte und nach dem Kickstarter der Big Box, welche auch die neue Pànjun-Erweiterung enthält, erstmal wieder abgegeben hatte. Nun ist die Big Box hier und eins vorweg: auch die Deluxe-Erweiterung bietet, wie schon das Grundspiel, absolut fantastisches Spielmaterial. Aber wie gut ist Gùgong spielerisch? Und bereichern die vier "Pànjun"-Module das Grundspiel?

 

Wie funktioniert das Spiel?

Um Aktionen in "Gùgong" durchzuführen, besticht man Beamte mit Waren, indem man eine Handkarte gegen die ausliegende Karte am jeweiligen Ort austauscht. Dann lassen sich sowohl Ortsaktionen als auch zusätzliche Kartenaktionen ausführen.  Im Optimalfall spielt man eine höhere Karte als die des Beamten, aber auch mit niedrigeren Karten lassen sich Aktionen tätigen, allerdings muss man hierfür zwei Arbeiter oder eine weitere Karte ausgeben. Die getauschte Karte wandert dann auf den eigenen Ablagestapel und steht dem Spieler in der nächsten Runde zur Verfügung.

 

Die Aktionen an sich sind recht vielfältig: man kann reisen, um Sofortboni zu erhalten, am Bau der chinesischen Mauer arbeiten, Intrigenpunkte generieren (wichtig für Gleichstände), Jade kaufen (wichtiger Siegpunktlieferant), Dekrete für weitere Boni und Punkte geltend machen oder auf dem Kaiserkanal reisen (für einen mächtigen Doppeldiener, mehr Handkarten und Punkte).

 

Ebenso kann man seinen Boten auf dem Kaiserpalast Schritte Richtung Tempel voranschreiten lassen. Dies ist elementar wichtig, da ein Spieler eine Partie "Gùgong" am Ende nur gewinnen kann, wenn sein Bote am Ende des Weges steht

Was ist das Besondere an "Gùgong Deluxe"?

Obwohl ich mittlerweile so einige Deluxe-Ausgaben mein eigen nenne, muss ich gestehen, dass "Gùgong Deluxe" mit Abstand zum Besten gehört, das ich jemals gesehen habe. Enorm dicke Spielertableaus, tolle Illustrationen, grandiose Holzplättchen und Figuren, schöne Jade-Steine, perfekte Ikonographie und großartige Inlays. In der Big Box mit toller Samtoberfläche zudem mitsamt der Pànjun-Erweiterung perfekt verstaut, einfach großartig.

 

Auch spielerisch hat "Gùgong" einige Besonderheiten zu bieten. Das Spiel besticht durch einen enorm interessanten Hauptmechanismus, der in Kombination mit den Kartenaktionen clever umgesetzt wurde. Durch das Tauschen der Karten triggert man nicht nur die Aktionen der laufenden Runde, sondern sichert sich ebenso eine andere Karte für den nächsten Durchgang. Hier entstehen schöne, taktische Entscheidungen. Bereichert wird das Spiel ebenso durch den Zwang, das Ende des Kaiserpalastes zu erreichen. Viele Details wie die Schicksalswürfel, die Intrigenleiste oder die Wertung an der chinesischen Mauer machen aus dem recht einfachen Hauptmechanismus eine anspruchsvolle Herausforderung.

Wie sehr gefällt es uns?

Schon letztes Jahr hat uns "Gùgong" recht gut gefallen, ansonsten hätte ich mir nicht auch noch die Big Box mitsamt Erweiterung gegönnt. Sehr angetan waren wir wieder von dem runden, flüssigen Spielablauf. Die Aktionsauswahl mittels Kartentausch funktioniert hervorragend, wenn auch thematisch nur bedingt überzeugend. Die einzelnen Aktionen sind einfach zu verstehen, die Fülle an Möglichkeiten ist es, welche die Spieler vor eine Herausforderung stellt. Vor allem im Hinblick darauf, dass nur vier Runden gespielt werden und man meistens für den Erwerb des Doppeldieners oder mehr Handkarten recht viel investieren muss, wird man schnell vor harte Entscheidungen gestellt.

 

Enorm hilfreich ist die durchweg perfekte Ikonographie. Nach kurzer Zeit ist jedem klar, was die unterschiedlichen Symbole bedeuten. In Anbetracht der Tatsache, dass es davon eine ganze Menge gibt, ist das besonders lobenswert zu erwähnen.

 

Der Zwang, im Kaiserpalast aufzusteigen, ist eine super Idee. Im Grundspiel ist dies zwar für alle Spieler ein kleines Ärgernis, allerdings nicht sonderlich schwer zu erreichen. Das vierte Erweiterungsmodul schafft hier Abhilfe und bringt mit zwei verschiedenen Wegen, die Boni, Mali und Voraussetzungen mit sich bringen, Würze ins Spiel. Die Intrigenleiste ist zur Auflösung von Gleichständen ohnehin wichtig, im Kombination mit der chinesischen Mauer bringt sie weitere interessante Möglichkeiten. Generell muss man sagen, dass trotz der allgegenwärtigen Dienerarmut (man könnte natürlich immer mehr Diener gebrauchen) enorm viel möglich ist und man auf vielfältige Weise zu allerlei Boni kommt. Auch die Dekrete sind mega interessant, vor allem zu Beginn des Spiels, und auch die wertvolle Jade sollte man besser nicht außer Acht lassen.

 

Was dem Spiel fehlt, ist das Gefühl, etwas aufzubauen bzw. zu kombinieren. Die Aktionen an sich fühlen sich eher losgelöst voneinander an. Überall kann man etwas Sinnvolles tun, doch so wirklich verwoben ist das Ganze nicht. Auch die Spannung bleibt etwas auf der Strecke, da die Siegpunkte hauptsächlich durch Jade und Dekrete gemacht werden. Da kann man dann am Ende wenig reißen, wenn man in beiden Bereichen hinten liegt. Manche mögen diesen klaren Fokus - auch mich stört das nicht wirklich - einige meiner Mitspieler fanden das aber eher weniger gelungen.

 

Die Varianz mit vielen verschiedenen Karten, Reiseplättchen und Dekreten ist hoch, was dem Spiel gut tut. Der Ablauf ist nämlich immer recht ähnlich und letztendlich ist "Gùgong" daher auch kein Spiel, das man über längere Zeit zwei, drei Mal die Woche spielt. Dennoch stimmt die Abwechslung im Detail, sodass ich und meine Mitspieler das Spiel immer wieder sehr gerne spielen. Bleibt es also im Regal? Mal sehen, eher ein Wackelkandidat.

Lohnt sich die Erweiterung?

Die "Pànjun"-Erweiterung bietet 4 Module, die man in beliebiger Kombination hinzufügen und mixen kann. 

 

Modul 1: Der Sommerpalast

Durch Teichwertungen erhält man über Mehrheiten die Hofdame zur Verstärkung einer beliebigen Aktion oder die Auswahl zwischen zwei neutralen Dienern und Jade. 

 

Ein interessantes Modul, für uns allerdings das schwächste. Mit diesem Modul kommt man deutlich zu leicht an Jade, was die wichtige und zentrale Jadejagd viel zu sehr in den Hintergrund drängt. Meistens hatten alle Spieler am Ende fünf Jade, was ohne dieses Modul eine herausfordernde und damit spannendere Aufgabe darstellt.

 

Modul 2: Bauernaufstände

Über die Ortsaktion kommt man einfacher an neue Diener, was sehr lukrativ ist. Beim Bauernaufstand können Spieler bei erfolgreicher Abwehr bereits gespielte Karten erneut auf die Hand bekommen. Bei einem erfolgreichen Aufstand müssen Spieler auf der Palastleiste zurück.

Nettes Modul, das nicht weh tut, prima nebenher läuft und die Option, mehr Diener zu bekommen, ist ganz cool. Kein Muss, aber wir nehmen es mittlerweile regelmäßig mit rein.

 

Modul 3: Die Treppen des Palastes

Die Palastleiste war im Grundspiel viel zu einfach zu überqueren. Dieses Modul bringt 10 neue Palastleisten, auf denen das Voranschreiten Boni und Mali bringen kann. Alternativ gibt es einen zweiten Weg, bei dem man bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss.

 

Schöne Sache, die dem Grundspiel gut tut. Super Modul!

 

Modul 4: Zusätzliche Karten und Dekrete

Mehr Varianz ist immer gut, daher grundsätzlich gelungenes Modul. Interessante neue Geschenkkarten und Dekrete; nicht alle gleich gut, aber teilweise mit schönen Kartenaktionen. Ordentliches "more of the same"-Modul

Wertungen

Chris: 7 (irgendwie gefällt mir das alles recht gut. Einfache Aktionen, aber taktisch herausfordernd, optisch und haptisch mit das Beste, was ich je gespielt habe. Auf Dauer zu repetitiv, aber man muss es ja nicht jede Woche spielen. In Summe gutes Spiel, es ist aber wahrscheinlich keins, das ich im Regal haben muss)

Sarina: 8 (mir gefällt Gùgong auch echt gut. Vor allem die knackigen vier Runden sind genau richtig, sodass man stets herausgefordert wird und sich nicht all zu viele falsche Entscheidungen leisten kann. Die Sommerpalast-Erweiterung nimmt dem Spiel massiv Drive, will ich nicht mehr verwenden)

Eva: 8 (extrem schönes Spiel, auch wenn der Spielplan extrem überladen wirkt, viel kniffliger als man anfangs denkt, die vier Runden sind echt spannend)

Holger: 5 (hat mir gar nicht gefallen, mir ist das alles viel zu unspannend, alles konzentriert sich auf Jade und Dekrete, optisch überfrachtet und unübersichtlich, hat mich enttäuscht. Ein Spiel, das ich nicht unbedingt wieder spielen muss)

FAZIT:

"Gùgong" ist ein gelungenes Kennerspiel mit einem interessanten, flüssigen Mechanismus. In der Deluxe-Ausgabe katapultiert sich das Spiel in den Olymp der am eindrucksvollsten ausgestatteten Brettspiele. Spielerisch einen Tick zu monoton und nicht sonderlich spannend, aufgrund der Varianz im Detail jedoch immer wieder reizvoll. 

 

Die Pànjun-Erweiterung ist bis auf Modul 3 unserer Meinung nach absolut kein Muss, eher "nice to have". Modul 1 gefällt uns überhaupt nicht, da es die Jadejagd viel zu sehr vereinfacht. 

 

Text: Chris