Verlag: Lookout Spiele Autor: Uwe Rosenberg Spieldauer: 50 -140 Min Spieleranzahl: 1-4
Da ist es also - das nächste "große" Spiel von Uwe Rosenberg. Dieses Mal schickt uns Rosenberg in die Hallertau, das größte Hopfenanbaugebiet Deutschlands. Wie jetzt? Schon wieder Felderwirtschaft, Ackerfruchtanbau und Schafe? Japp, schon wieder. Da bleibt der Autor seiner Linie treu und kehrt nach dem "Odin" und "Nusfjord"-Ausflug zu seinen Agricola-Wurzeln zurück. Dieses Mal aber mit "progressivem Workerplacement" und flexiblen Kartenaktionen. Was das bedeutet und wie gut wir "Hallertau" finden, erfahrt Ihr im Folgenden.
Wie funktioniert das Spiel?
Zunächst einmal zeigt das Fenster des Hauses auf dem eigenen Hofplan die Anzahl der verfügbaren Arbeiter an - zu Beginn sind das sechs. Die zentrale Aufgabe eines jedes Spielers besteht darin, das Haus nach vorne zu schieben. Dafür müssen die fünf Handwerksbetriebe ebenfalls nach vorne bewegt werden, die allesamt bestimmte Ressourcen benötigen. Der Weg wird allerdings durch viele Findlinge - also Steine - erschwert, für die man Werkzeuge benötigt.
Das Spiel verläuft über sechs Runden mit je zehn Phasen, wobei neun davon enorm schnell abgehandelt sind. In diesen werden hauptsächlich kleineres Mikromanagement durchgeführt wie z.B. Einkommen generiert, Aktionsfelder geleert, Felder werden ertragreicher bzw. schlechter oder Schafe geben Milch.
In der Aktionsphase ist man reihum dran und aktiviert eine Ortsaktion auf dem allgemeinen Aktionsplan. Hier kommt es darauf an, welche Felder frei sind. Der erste, der eine Aktion ausführt, benötigt einen Arbeiter, der zweite schon zwei, der dritte und letzte drei Arbeiter. Hauptsächlich besorgt man sich hier Ressourcen, tauscht diese um, zieht Karten oder versucht, Startspieler zu werden. Versuchen deshalb, da man jedes Mal, sobald man irgendeine Karte durch die Ortsaktion zieht, den Startspielermarker erhält. Doch am Ende wird nur der Spieler Startspieler, der dies als letztes gemacht hat.
Jederzeit - und damit meine ich wirklich jederzeit - darf man Karten ausspielen, die man erfüllt hat. Diese bringen natürlich weitere Ressourcen, Punkte und teilweise weitere Karten, die man - im Idealfall - auch gleich ausspielen kann.
Eine weitere zentrale Phase ist die Hausbewegung, die alle gleichzeitig durchführen. Dabei gibt man Waren ab und bewegt die Handwerke weiter. Entsteht so eine Lücke zwischen dem eigenen Haus und dem letzten bewegten Handwerk, wird auch das Haus weitergerückt und man erhält mehr Arbeiter für die kommende Runde sowie ab einem bestimmten Punkt Siegpunkte.
Was ist das Besondere an "Hallertau"?
"Hallertau" ist trotz seines bekannten Settings, das man von Uwe Rosenberg in ähnlicher Form schon mehrfach gesehen oder gespielt hat, etwas Besonderes geworden. So viel schon mal vorab. Der Kernmechanismus, Handwerke und Haus durch optimales Ressourcenmanagement nach vorne zu bewegen, ist originell und funktioniert tadellos.
Das beworbene "progressive Workerplacement" - also das erneute Aktivieren von bereits besetzten Aktionsfeldern mit mehr Arbeitern - ist nicht neu, aber gut umgesetzt. Viel interessanter finden wir die Möglichkeit, jederzeit Karten ausspielen zu können. Das ermöglicht viele tolle Züge und im Idealfall Kombos, wobei hier natürlich auch ein wenig das Kartenglück eine Rolle spielt.
Überragend sind wieder einmal Spielmaterial, Regelheft und Spielerhilfe. Optisch ist das wohl Rosenbergs überzeugendster Titel und redaktionell hat man hier alles richtig gemacht. Der Preis von über 60€ ist happig, allerdings durchaus gerechtfertigt.
Wie sehr gefällt es uns?
Nach der ersten Partie waren Klemens und ich uns einig: Rosenberg hat hier einen Knaller geschaffen. Klemens liebäugelte mit der Höchstpunktzahl, ich kratzte an der 9. Dass wir am Ende beide bei einer 8 landen, hat folgende Gründe: "Hallertau" ist auf Dauer zu repetitiv und hat ein paar Schwächen im Detail.
Doch ich beginne mit dem Positiven: das Spiel macht Spaß. Großen Spaß sogar. Optisch ist das auf jeden Fall für mich der bislang schönste und ansprechendste Rosenberg. Erneut gibt es eine Vielzahl an schönen Holzressourcen, diesmal wirken die Illustrationen auf Karten und Tableaus allerdings spürbar frischer und heben sich stilistisch durch einen erwachseneren, realistischeren Teint von Vorgängerspielen ab.
Auch spielerisch bietet das Spiel wie vom Autor gewohnt einiges an Grübelpotenzial und Wege zum Ziel. Was uns enorm gut gefallen hat: "Hallertau" ist für ein Expertenspiel vergleichsweise sehr schnell erklärt und verstanden, bietet aber dennoch eine ansprechende Tiefe. Ja, es werden wieder Äcker gepflanzt und Schafe behirtet, allerdings haben alle scheinbar bekannten Elemente einige Neuerungen parat. So wird direkt am Rundenende geerntet ohne lange Wartezeit, Schafe leben ohne Modifikation nur drei Runden lang - alles spielt sich erfrischend anders. Auch die Aktionsfelder sind allesamt mehrfach verwendbar, nur eben kosten sie immer mehr Arbeiter. Das stellt die Spieler vor knifflige Entscheidungen, zumal Arbeiter auch für den Erwerb von Geräten wichtig sind.
Je öfter wie "Hallertau" jedoch gespielt haben, desto klarer wurde uns, dass das Spiel wesentlich linearer ist als viele von Rosenbergs Vorgängerspielen. Der Fokus auf die Bewegung der Handwerksbetriebe und des Hauses ist stark, sodass es fast keine Nebenschauplätze gibt, die es zu beachten gibt. Neue Karten zu erhalten ist wichtig, um den Motor in Gang zu bekommen, allerdings muss eben vor allem die Ressourcengenerierung laufen. Das hierfür verwendete Lager, in dem man die Anzahl der Ressourcen durch Hoch- und Runterschieben verwaltet, ist sinnvoll, aber nicht ideal gelöst. Oftmals stapeln sich auf einer Stufe viele Marker und die Übersicht geht flöten. Warum das Lager nicht ein klein wenig in die Breite verlängert wurde, erschließt sich uns nicht.
Ebenso lässt sich nicht leugnen, dass man immer wieder rechnet, wie viele Ressourcen man von welcher Art benötigt. Das kann hin und wieder dauern und fühlt sich etwas (zu sehr) nach Arbeit an. Auch thematisch macht hier nicht alles hundertprozentig Sinn, was überraschend für ein solches Spiel von Uwe Rosenberg ist. Mechanisch ist das alles 1A und auch durchaus reizvoll, allerdings könnten Spieler, die gerne wie in "Agricola" oder "Caverna" etwas aufbauen wollen, enttäuscht werden.
Chris: 7 (Optik top, spielmechanisch clever, thematisch nicht wirklich überzeugend, insgesamt aber ein gelungenes Expertenspiel mit einem großen Vorteil: schnell erklärt, vergleichsweise schnell gespielt und trotzdem reizvoll und fordernd, leider vom Spielablauf recht monoton und kopflastig)
Sarina: 8 (Gefällt mir besser als Agricola, ich mag vieles an dem Spiel, vor allem die Aktionsauswahl und die Kartenmechanik, insgesamt wirklich gut, aber für mehr fehlt es mir an Thema und besonderen Momenten)
Klemens: 8 (Spielerisch definitiv ein Highlight, anfangs war ich Feuer und Flamme für das Spiel, habe aber dann doch gemerkt, dass es oft viel Rechnerei ist und es sich auf Dauer sehr ähnlich spielt)
Mit "Hallertau" liefert Uwe Rosenberg ein spielmechanisch interessantes und clever konzipiertes Expertenspiel ab, das durch seine überraschend leichte Zugänglichkeit und eine sehr schöne Optik überzeugt. Trotz recycelter Thematik beweist das Spiel im Detail Eigenständigkeit und neue Ideen. Ein Highlight, das allerdings thematisch schwächelt und das aufgrund solitärer Rechnerei und einem immer sehr ähnlichen Spielablauf nicht an die Spitze der Expertenspiele heranreicht.
Text: Chris