Das schwarze Gold des Ruhrgebiets

Was bitte ist ein Haspelknecht? Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung hatte, dass diese meist schlecht bezahlten Bergknechte dahingehend tätig waren, Erz und Kohle aus Gruben ans Tageslicht zu befördern. Nicht wirklich mein Thema, dementsprechend war mir auch das gleichnamige Brettspiel völlig unbekannt. Irgendwann bin ich mal darauf gestoßen, irgendjemand hat (wie so oft) ein Loblied darauf gesungen und ich leichtgläubige Seele hatte mal wieder einen Blindkauf getätigt. Natürlich mit Erweiterung versteht sich.

 

Jetzt lag "Haspelknecht" jahrelang ungespielt im Regal, immer wieder hat es mich angelächelt, aber die vielen Neuheiten haben das Spiel untergraben, es sollte einfach kein Tageslicht erblicken. Dieses Dilemma habe ich endlich beseitigt, wir haben das Spiel mitsamt der Erweiterung "The Ruhr Valley" ausgiebig gespielt und es hat sich mehr als gelohnt. 

 

Wie funktioniert das Spiel?

Im Laufe von drei bzw. vier Jahren (mit Erweiterung) versuchen wir, möglichst viel Kohle zu fördern und gleichermaßen lukrative Errungenschaften für unseren Hof zu erwerben. Die Aktionsauswahl beginnt mit damit, dass sich jeder Spieler abwechselnd und das genau zwei Mal alle Aktionssteine einer Farbe aus einem der ausliegenden Ressourcenfelder nehmen darf. Insgesamt darf man bei beiden Auswahlphasen zusammen nie mehr als fünf Scheiben nehmen. Drei mal macht das jeder Spieler innerhalb eines Jahres und drei mal arbeitet man dann mit den ausgewählten Scheiben, indem man sie seinen verfügbaren Arbeitern zuordnet.

 

Mit dem Bauern und dem Knecht lassen sich Ressourcen wie Holz, Kohle oder Weizen generieren oder Grubenwasser entfernen, abhängig von der gesetzten Scheibe. Zusätzlich kann man mit dem Bauern auch eine der ausliegenden Errungenschaften erwerben, welche in mehreren Reihen angeordnet sind. Aus der ersten Reihe darf man frei wählen, darunter muss man dann jedoch immer angrenzend eine neue Errungenschaft freischalten. Das ist mühsam und lässt sich durch das Kopieren einer bereits durch einen anderen Spieler erworbenen Errungenschaft umgehen, allerdings kostet das eine wertvolle Ressource.

 

Auf dem eigenen Hof-Tableau lässt sich bereits durch einen Kohlegräber Kohle aus der Pike abbauen, vorausgesetzt man sorgt für notwendige Holzstützen. Ist alles an Kohle dort entfernt, erhält man Zugang zum unterirdischen Stollen, auch hier müssen Holz- und Eisenbalken zur Stabilität gebaut werden, um tiefer vorzudringen. Des Weiteren verschwindet dann der Kohlegräber und man kann die Dienste eines Hauers und des titelgebenden Haspelknechts in Anspruch nehmen. Während der Hauer für den weiteren Kohleabbau bezahlt werden will, entfernt der Haspelknecht das leidige Grubenwasser und kurbelt die abgebaute Kohle durch den Schacht ans Tageslicht und damit auf den eigenen Hof.

 

Nach den drei ersten ertragreichen Jahreszeiten wird im Winter nicht gearbeitet, sondern Bilanz gezogen und Abgaben geleistet. Je mehr Kohle man dort hat, desto mehr Siegpunkte winken. Anschließend will noch der Adel bezahlt werden, was jedes Jahr ein bisschen schwieriger wird. Zuletzt verliert man sämtliche noch verfügbare Ressourcen (ja, natürlich auch die ganze Kohle), es sei denn, man kann durch die ein oder andere Lagermöglichkeit einen Bruchteil davon ins nächste Jahr mitnehmen. 

Was ist das Besondere an "Haspelknecht"?

Zunächst ist hervorzuheben, dass die thematische Umsetzung hervorragend gelungen ist. Hier hat man jederzeit das Gefühl, dass die eigenen Aktionen auch wirklich zum Thema passen. Nichts wirkt aufgesetzt, alles ergibt Sinn.

 

Was "Haspelknecht" besonders auszeichnet ist der Auswahlmechanismus der Aktionsscheiben. Dadurch, dass in jedem Bereich jedes Mal zufällige Scheiben liegen und nur der oberste Auswahlbereich kein nerviges Grubenwasser hinzufügt, ist die Auswahl oft sehr sehr knifflig. Die Jagd nach den wertvollen gelben Scheiben ist groß, allerdings wird man durch zu viele wertvollere Scheiben ans Ende der Spielerreihenfolge katapultiert. Ein toller Einfall und es spricht für sich, dass bereits diese Phase des Spiels so viel Würze in sich hat.

 

Eine enorm große Auswahl an Errungenschaften sorgt für viel Abwechslung einen einen hohen Wiederspielreiz, da immer nur etwa die Hälfte davon ins Spiel kommen.

Wie sehr gefällt es uns?

Richtig, richtig gut. Ich weiß gar nicht, wie wir dieses Spiel so lange links liegen lassen konnten. "Haspelknecht" ist ein überaus interessantes Spiel mit einem fantastischen Auswahlmechanismus. Was grübelt man hier herrlich an den Scheiben herum, die man in die nächste Arbeiterphase mitnimmt. Dadurch, dass man einerseits den eigenen Kohleabbau vorantreiben muss, andererseits die Errungenschaften mit ihren vielen Vorteilen und Siegpunkten nicht außer Acht lassen darf, entwickelt sich hier ein cleveres, anspruchsvolles und forderndes Vielspielervergnügen.

 

Was mir wirklich hervorragend gefallen hat, ist das stimmige Gleichgewicht zwischen Grübel- und Aktionsphasen sowie zwischen dem Erwerb von Ressourcen und Errungenschaften und dem Verlust eben jener. Alles ist recht knapp bemessen, aber nicht zu knapp, um untätig sein zu müssen. 

 

Die Spielerinteraktion ist in der Auswahlphase natürlich hoch, allerdings spuckt man sich hier nicht gegenseitig in die Suppe, sondern jeder macht aus der aktuellen Auslage das Beste; niemand ist hier aus dem Spiel, weil er später dran kommt. In der abschließenden Aktionsphase läuft alles weniger spektakulär ab, wenn alle Spieler ihre Scheiben einsetzen und auf ihren Tableaus rumwerkeln. Am Interessantesten ist dabei die Ausbreitung der Spieler auf dem zentralen Plan der Errungenschaften. Tatsächlich spielen diese Errungenschaften eine größere Rolle als man denkt, denn die clevere Auswahl und Kombination ist hier von entscheidender Bedeutung. Toll finde ich hier auch, dass es eine Vielzahl an unterschiedlichen Aufbauvarianten im Regelheft gibt, welche für noch mehr Variation sorgen.

 

Trotz aller Lobelei gibt es hier und da auch noch ein klein wenig zu meckern. Während Illustrationen und generell die Optik des Spiels sehr schön und übersichtlich sind, gilt dies nicht durchgängig für die Ikonographie. Einige Symbole, vor allem in den Stollen und auf den Errungenschaften, sind extrem klein geraten und etwas mühselig zu erkennen. In Summe muss ich abschließend dann noch sagen, dass ich den eigentlichen Spielablauf trotz seiner vielen, zufälligen Aufbauvariationen einen Tick zu repetitiv finde und dass mich persönlich das Thema trotz aller spielerischen Vorzüge des Spiels jetzt nicht super abgeholt hat. Ändert aber nichts daran, dass "Haspelknecht" definitiv im Regal bleiben wird und dass ich das Spiel jederzeit wieder mitspielen und auch vorschlagen würde.

Wertungen

Chris: 7 (ein wirklich klasse Spiel, der Auswahlmechanismus ist extrem gelungen, thematisch nicht ganz meins, auf Dauer stört mich etwas der immer sehr ähnliche Spielverlauf, die Varianz stimmt aber aufgrund der vielen verschiedenen Errungenschaften)

Vorherige Wertung: 8

Sarina: 8 (hat mir ausgesprochen gut gefallen, optisch wie spielerisch. Manchmal ist es echt Wahnsinn, was wir hier für tolle Spiele im Regal haben, die so lange nie auf dem Spieltisch kamen. Haspelknecht reizt mich sehr und ich will es sehr bald noch öfter spielen)

Klemens: 8 (Top-Spiel, thematisch mehr als überzeugend und spielerisch sehr sehr tricky. Würde ich auch jederzeit wieder mitspielen, zumal die vielen Errungenschaften total reizen)

FAZIT:

Wieso erst jetzt? "Haspelknecht" hat sich als hervorragendes Spiel herausgestellt, das durch seinen originellen, extrem gelungenen Aktionswahl-Mechanismus und einer thematisch mehr als überzeugenden Umsetzung punktet.

 

Sehr hohe Varianz, hoher Wiederspielwert, schöne Optik und trotz der Komplexität angenehme Spielzeit. Einzig kleinere Ikonographie-Schwächen und weniger aufregende Aktionsphasen kratzen ein klein wenig am Gesamtbild.

 

Die Erweiterung "The Ruhr Valley" würde ich uneingeschränkt empfehlen, ja sogar dringend empfehlen.

 

Text: Chris