Kickstarter: ab 05.10.21 Autor: Klemens Luger Spieldauer: 60-90 Min Spieleranzahl: 2-4
Info: Die Fotos zeigen noch kein fertiges Spielmaterial, sondern den handgemachten Prototypen.
Seit dem 05.10. ist die Kampagne zu "Magical Friends - And How To Summon Them" auf Kickstarter live. Wir durften den Prototypen ausgiebig
vorab spielen und verraten Euch, ob und für wen sich das Spiel lohnt.
Das Midsommarfest steht an. Und wie es sich gehört, streben alle Magier nach dem großen Preis, den man nur dann ergattert, sofern man die meisten magischen Freunde in die Taverne zum Fest mitbringt. Klingt lustig, oder? Ist es auch, denn die magischen Kreaturen, die sich beschwören lassen und mittels eines charmanten Lebkuchenherzens offiziell in den erweiterten Freundeskreis aufgenommen werden, sind vielfältig und versprühen eine wunderbare Fantasy-Atmosphäre.
Das Chaos regiert! Aber für welche Zielgruppe?
Zunächst einmal muss einem klar sein, was die Spieler bei "Magical Friends" erwartet - nämlich ein durch und durch chaotisches Wettrennen, bei dem man zu jeder Zeit eins auf die Mütze bekommen kann, selbst direkt vor dem Ziel. Wer schafft es, innerhalb von acht Runden die meisten magischen Kreaturen in die Taverne zu bringen? Wer setzt die Fähigkeiten seiner neu gewonnenen Freunde am klügsten und geschicktesten ein? Das klingt nach einem spaßigen Familien- oder Partyspiel, allerdings ist es genau das nicht. Obwohl die Einstiegshürde erfrischend niedrig ist und die Regeln schnell erklärt und verinnerlicht sind. Der eigene Spielzug ist denkbar einfach: Zunächst wird mittels einer Initiativkarte die Reihenfolge der Runde bestimmt - dabei gewinnt die höchste Karte. Jeder hat dieselben Karten von 1-11, davon wird genau eine Karte pro Runde in Spielerreihenfolge einmalig (also die Karte ist dann komplett aus dem Spiel) gespielt. Je niedriger die Karte, desto später ist man dran, aber desto besser sind die Boni. Zudem kann man in der laufenden Runde keine Karte spielen, die bereits von einem Mitspieler gespielt wurde. Somit entsteht bei der Auswahl der Artefaktkarte eine schöne, taktische Komponente ohne Glück. Will ich unbedingt eine bestimmte der ausliegenden Kreaturen haben? Dann muss ich eine hohe Karte spielen. Oder reicht mir diese Runde ein neuer Freund mit einer vermeintlich schwächeren Fähigkeit und dafür erhalte ich mehr Bewegung und bessere Boni? Jede Runde gewinnt man also eine Kreatur hinzu, anschließend bewegt man durch die Bewegungspunkte auf der soeben erworbenen Kreaturenkarte seine Freunde.
Klingt total easy! Was macht das Spiel dann zum Kennerspiel?
Während der grundlegende Spielzug mit Initiativkarte spielen, Kreatur beschwören und Bewegungen ausführen denkbar simpel ist, sammeln sich mit fortschreitender Spieldauer die Fähigkeiten eigener und fremder magischen Wesen auf dem Spielfeld. Um den Überblick zu bewahren, bedarf es dann schon etwas mehr als bei einem Familienspiel, erst recht, wenn man auch die gemeinen Skills der Gegnerkreaturen im Blick haben will. Wie jetzt, dein Minotaurus kann einfach so zwei Felder vorpreschen und meinen Gnom raushauen? Aber ich stehe doch auf einem Wolkenfeld ... verdammt, der Schutz hier gilt hier ja nur für gute Kreaturen. Hier kann man durchaus mal die ein oder andere Sache vergessen und schneller als einem lieb ist, segnet ein eigener Freund das Zeitliche.
Heute mal mit dem Feenpfad, okay?
Der Spielplan enthält ein paar modulare Teile, die sich unterschiedlich positionieren lassen und so für Abwechslung sorgen. Generell muss man sagen, dass der Autor hier auf jeden Fall Einfallsreichtum bewiesen hat, was aber auch dringend notwendig ist, denn wären die vier Wege zu Taverne immer gleich, wäre das Ganze wesentlich eintöniger und langweiliger. Ein Schalter lässt beispielsweise auf einem anderen Pfad Himmel in Hölle wechseln, wodurch gute Kreaturen plötzlich nicht mehr sicher sind, sondern böse auch noch andere Kreaturen raushauen können. Ein besetztes Portal lässt die eigenen Freunde bereits mitten auf dem Weg zur Taverne beschwören, auf dem Feenpfad gibt es Feenstaub, der eine weitere Bonusbewegung ermöglicht. Es gibt noch weitere besondere Orte und diese machen das Spielfeld auf jeden Fall interessant.
Natürlich gibt es ganze vierzig verschiedene Kreaturen, die sich alle unterscheiden und bereits so schon eine ordentliche Portion Varianz mit sich bringen. Dennoch war es ein cleverer Schachzug, auch das Spielbrett ein wenig variieren zu können. Die Kreaturen selbst besitzen allesamt einzigartige Fähigkeiten, manche davon sind sogar in der Lage, bei genügend Zauberstäben Magie zu wirken.
Die Interaktion ist durch die grundlegende Rivalität der Kreaturen enorm hoch, denn allesamt scheinen sie etwas gegeneinander zu haben - egal ob groß, mittel, klein, gut, neutral oder böse. Wird ein magischer Freund zwei Mal vergiftet, wird er geschlagen, also aus dem Spiel verbannt. Manche Fähigkeiten erlauben es auch, andere Kreaturen sofort zu schlagen. Das Schlagen gegnerischer Kreaturen macht doppelt Sinn, denn einerseits gelangt diese Kreatur natürlich nicht in die Taverne, zudem geht das Herz als Trophäe an den gemeinen Mitspieler. Wer nämlich am Ende die meisten Trophäen ergattert hat, erhält einen Bonusfreund für die Endwertung des Festes.
Grundvoraussetzung: die richtige Spielgruppe
Nun komme ich langsam zu meinem Fazit, was sich etwas schwieriger gestaltet als gedacht. Grundsätzlich liebe ich das Setting, die magische Atmosphäre und auch mit dem Wettrenn-Charakter des Spiels habe ich keine Probleme. Auch wenn diese Art von Spielprinzip sicher nicht zu meinem liebsten Genre gehört, finde ich solche Spiele ab und an immer mal enorm witzig, bei denen man sich einfach mal richtig fies auf die Glocken haut und ärgert. Somit hatte ich die Hoffnung, dass "Magical Friends" mich in dieser Hinsicht voll überzeugen könnte. Denn wie schon gesagt, stimmt einfach auch das Drumherum für mich. Dennoch muss ich nach einigen Partien sagen, dass es leider doch nicht ganz das ist, was ich mir vielleicht erhofft hatte. Das Spiel hat Charme, ist schön fies, wunderbar chaotisch und bietet Abwechslungsreichtum und Vielfalt durch die vielen verschiedenen Kreaturen. Bis hierhin bin ich sehr angetan von "Magical Friends".
Darüber hinaus sind es aber unter anderem ein wenig das Spieltempo und die fehlenden Emotionen, die mir etwas den Spielspaß rauben. Acht Runden lang spiele ich eine Karte, beschwöre eine Kreatur (im Spiel zu zweit sogar zwei) und bewege meine Freunde Richtung Taverne. Das ist spielerisch nicht sonderlich viel und meine Überlegungen beschränken sich darauf, welche Kreatur ich mir in dieser Runde hole, wie viele Freunde ich bewege und wohin und welche Fähigkeiten bei mir und meinen Mitspielern gerade relevant sind. Und jetzt kommt die Krux bei der Sache: das macht alles durchaus Spaß, teilweise ist es sogar sehr amüsant, aber so wirklich Emotionen kamen bei uns nicht auf.
Und ist das nicht das Entscheidende bei so einem Spiel? Darüber habe ich lange nachgedacht und auch, weswegen das so ist. Ich kann es leider nicht genau sagen, aber ich vermute, die fehlenden Emotionen hängen ein wenig damit zusammen, dass man innerhalb der acht Runden dann doch zu wenig Überraschendes macht. Klar, wenn jemand meine Fähigkeit vergisst und ich ihn daraufhin schlage, ist das bitter. Aber es liegt dann eben nur daran und am Zufall der Gegebenheiten. Mit vier Spielern herrscht ohnehin viel Chaos, was einerseits ja gut ist und dazugehört, andererseits macht man dann aber trotzdem streng genommen zu wenig, was mich wirklich zum fiesen Schurken macht. Wie man das besser hätte machen können? Keine Ahnung, vielleicht mit Handkarten, mit denen man überraschende Sachen machen kann, um den anderen noch mehr in die Suppe zu spucken. Eben Dinge, welche die anderen nicht kommen sehen. Das hätte meiner Meinung nach zu diesem Spiel gepasst, aber ich kann auch verstehen, dass der Autor den Fokus auf die Kreaturenfähigkeiten gelegt hat und das Spiel nicht überfrachten wollte. Es funktioniert ja auch und das sogar richtig gut, aber uns persönlich hat dann doch leider etwas gefehlt.
Was wirklich hervorragend gelungen ist, ist das fantastische Inlay. Sämtliches Spielmaterial ist in passenden Boxen verstaut und die Standees der ganzen Kreaturen mittels eines Nummern-Systems perfekt sortiert und verstaut. Hier wurde wirklich tolle Arbeit abgeliefert. Auch die Herzen, die den Kreaturen übergestülpt werden, finde ich großartig und einfach süß. Auch wenn es Mitspieler gab, die den Lebkuchenherzen-Look nicht ganz passend fanden. Ich finde es prima und einfach eine tolle Idee.
Wertungen
Chris: 6,5 (Vieles an dem Spiel spricht mich total an: charmantes Design, tolles Setting, chaotisches Wettrennen, viele verschiedene Kreaturen. Leider bietet es mir spielerisch aber zu wenig, um Emotionen zu erzeugen und dieses wunderbar fiese Spielprinzip voll auszukosten)
Sarina: 5,5 (Ein Spiel, das von mir verlangt, mir eine Menge Fähigkeiten unterschiedlichster Kreaturen bei mir und meinen Mitspielern zu merken, muss sich dann spielerisch schon extrem lohnen. Dies ist hier leider nicht der Fall, da mir das alles viel zu chaotisch, uninteressant und überraschungsfrei ist. Sorry, nicht mein Spiel.)
Mit "Magical Friends" bekommen Freunde chaotischer Wettrennen im Fantasy-Setting ein mit Liebe und Kreativität konzipiertes Spiel. Vierzig unterschiedliche Kreaturen mit einzigartigen Fähigkeiten fordern dann doch eher Kennerspieler als Familienspieler heraus; diese erhalten ein gelungenes Spiel für schadenfreudige Spielegruppen.
Für uns fehlt es trotz zahlreicher überzeugender Elemente leider ein wenig an Emotionen, da die Spielzüge sich zu sehr auf die Bewegung der Kreaturen und den passenden Einsatz ihrer Fähigkeiten konzentrieren, dabei aber richtig überraschende und fiese Aktionen fehlen. Das ist sicherlich Geschmacksache, aber für uns schafft es das Spiel somit nicht zum Highlight. Dennoch könnte sich für Liebhaber chaotischer Spiele mit Wettrenn-Charakter ein Blick lohnen.
Text: Chris
10.10.2021