Verlag: Elf Creek Games   Autor: Brian Suhre   Spieldauer: 60-120 Min    Spieleranzahl: 1-4

Eine strahlende Kutschfahrt über kleine Schlaglöcher

Heiliger Bimbam - sieht das toll aus! "Merchants of the Dark Road", das neue Spiel von den "Honey Buzz"-Machern Elf Creek Games, hat uns mal wieder mit seinem phänomenalen Material begeistert: wunderbare Metallmünzen, eindrucksvolle Laternen, Kristalle und Hufeisen, Double-Layer-Boards und doppelseitige Plättchen mit Glanzeffekt. Wo man auch hinschaut, was man auch anfasst, es ist einfach toll. Taugt dieser Kickstarter auch spielerisch etwas? Mal sehen.

 

Dice-Placement mit Grübelpotenzial

Jeder Spieler hat exakt dreizehn Aktionen. Jede davon wird eingeleitet durch das Aktivieren eines verfügbaren Nachtwürfels, der auf dem eigenen Tableau (vom Kutschenrad) hochgeschoben wird. Dafür gibt es drei Wege, die an drei bereits besetzten Würfelspots vorbeiführen. Der Würfel dort wird dann verdrängt und dessen Augenzahl bestimmt die exakte Bewegung mit der Kutsche auf dem Spielplan. Hufeisen können hier um ein Feld manipulieren, allerdings sind diese rar und meistens muss man also genau planen, welchen Würfel man wann verdrängt, um die entsprechenden Orte auf dem Spielbrett bereisen zu können. Das bedeutet also, dass man auch beim Einsetzen eines neuen Würfels, der dann in den Slot wandert, vorausplanen muss, da dieser ja später dann wieder für die Bewegung verwendet wird, wenn er verdrängt wird. Hinzu kommt, dass in einem der drei Slots auch die Augenzahl des verdrängenden Würfels für das Herstellen einer Ware relevant ist, sodass bereits dieser Würfelmechanismus ordentlich Hirnschmalz kostet und für Grübler ein gefundenes Fressen darstellt. Keine Frage, das alles ist echt originell und funktioniert prima, aber ist halt dann eben auch extrem anfällig für Nachdenkphasen.

Thema, Artwork und Design sind in diesem Spiel einfach nur fantastisch, sodass man hier wirklich ins Spiel gesogen wird. Ganz große Klasse, was dieser Verlag mit seinen Spielen an Tischpräsenz bietet.

Wohin geht die Reise? Cool, ich fahre mit!

Grundsätzlich bewegt man sich also über die verdrängten Würfel mit seiner Kutsche auf einem Rundkurs entlang und beendet dann die Bewegung auf einem Feld, das an zwei Orte angrenzt. Einen davon darf man im Anschluss aktivieren und die dortige Aktion ausführen. In der Taverne wirbt man mittels Waren Leute an, die alle zu einem bestimmten Ort reisen wollen. Auf dem Markt kann man über ein recht originelles Waren-Rondell neue Handelsgüter erwerben, die man dann in die Kutsche puzzeln muss. Auch einen Schwarzmarkt gibt es und diverse andere Orte, an denen man Aufträge, Zielkarten und andere nützliche Dinge erhalten kann. 

 

Eine Besonderheit stellt das Reisen dar. Reist jemand und verlässt den Komfort der Stadt, dürfen sich Mitspieler an der Reise beteiligen. Dies erhöht den Würfelpool für den Auftraggeber der Reise. Je nachdem, ob dieser sich für die namensgebende Dark Road oder eine Abkürzung mittels dreier Laternen entscheidet, wird eine entsprechende Reisekarte gezogen. Während der aktive Spieler bei einer Reise über die dunkle Straße zuerst einen der Würfel auswählen kann (höhere Augenzahlen bringen bessere Dinge, niedrigere bedeuten meist Verluste), darf er das bei der Abkürzung erst als letzter Spieler - und geht damit ein kleines Risiko ein. Allerdings darf er sich bei der Abkürzung den grundsätzlichen Reisebonus zweifach nehmen, was extrem gut sein kann.

Der Reiseführer entscheidet natürlich vorher, wohin er überhaupt fährt. Für die anderen Mitspieler lohnt sich das Mitreisen dann natürlich nur, wenn man auch Mitreisende hat, die an einen gleichfarbigen Ort reisen möchten oder Aufträge mit passenden Waren für die jeweiligen Orte besitzt. Das ist clever gelöst, da so immer auch ein Blick auf die Mitspieler nötig ist, zu welchen Städten diese wohl bald reisen werden und welche Waren sie möglicherweise am ehesten benötigen. Die Reisemechanik finde ich wirklich gelungen und überraschend "spannend" umgesetzt. Wobei Spannung hier das falsche Wort ist, aber es schafft eine Unberechenbarkeit, der man eben auf solch einer Reise ausgesetzt ist.

 

Verdammt ... ich will mehr von diesen "erleuchteten" Würfeln!

Einer dieser Reiseboni, die man übrigens frei auswählen darf, ist ein "erleuchteter Würfel". Diese sind sehr toll, da man sie zusätzlich zu einem Nachtwürfel einsetzten kann. Mit einem "erleuchteten" Würfel erhöht sich die Flexibilität bei der Kutschenbewegung, zudem darf man beide angrenzenden Orte UND die Gasse mit Sondergebäude aktivieren. Sehr mächtig!

Magische Tierwesen ... und wo sie zu finden sind

Natürlich passiert auch noch einiges drumherum. Ein Nebenschauplatz sind die Tierwesen, von denen man eines zum Start erhält und sich  bei jeder eigens initiierten Reise ein weiteres nehmen darf. Diese besitzen gewisse Fähigkeiten oder können mittels Kristallen - eine weitere Ressource, die man erhalten kann - kleine Extraaktionen auslösen. Nette Sache, die uns allen eigentlich gut gefallen hat. Leider sind nicht alle Start-Tierwesen gleich stark, sodass wir hier stets jedem Spieler zwei statt einem ausgeteilt haben und man vorab wählen konnte. 

 

Gratwanderung zwischen Münzen und Prestigepunkten

Eine Besonderheit stellt letztlich dann auch die Endwertung dar. Hier ist es nämlich so, dass man Siegpunkte und verdiente Münzen gegeneinanderstellt und nur die niedrigere Zahl zählt. Somit muss man stets ein Gleichgewicht zwischen Punkt- und Münzerwerb finden, was mir ausgesprochen gut gefällt.

Wertungen

Chris: 8 (Ja, es ist extrem grübelanfällig, nicht alle Starttiere sind gleich stark und die Symbolik ist jetzt nicht super innovativ. Aber mich holt das alles irgendwie total ab, ich mag die originellen Ideen und auch wenn der Spielflow etwas hakt, spiele ich das Spiel total gerne. Ein knappes Highlight für mich, nicht zuletzt wegen dem phänomenalen Material)

Holger: 6,5 (zuerst fand ich alles großartig, habe dann aber gemerkt, dass die tollen Einzelteile des Spiels sich irgendwie nicht harmonisch zusammenfügen; der Spielfluss wird immer wieder gestört, einfach kein rundes Spielerlebnis)

Klemens: 7.5 (Tolles Spiel mit klasse Ideen und großartigem Material, nur die etwas hohe Downtime stört mich etwas, da ich selbst bei sowas auch arg anfällig bin)

FAZIT:

Was für eine Tischpräsenz! "Merchants of the Dark Road" sieht bombastisch aus, fühlt sich auch so an und punktet durch viele tolle Ideen und eine clevere Würfeleinsetz-Mechanik. Letztere führt leider zu einem nicht wegzuredenden Grübelfaktor, der den Spielfluss immer wieder ausbremst. Vielleicht etwas überladen und redaktionell nicht ganz optimal, aber dennoch bleibt ein wirklich gutes Spiel, das fantastisch aussieht und einige Alleinstellungsmerkmale besitzt.

 

Nicht jeder wird es daher lieben und es ist ganz sicher spielerisch kein herausragendes Spiel, dafür gibt es zu viele kleine Schlaglöcher auf der Kutschfahrt. Trotzdem mag ich das Spiel sehr.

 

Text: Chris

10.03.2022