Es ist immer schwierig, eine Sportart auf Realismus fokussiert als Brettspiel umzusetzen. Auf der einen Seite müssen gewisse Details, die den Sport ausmachen, integriert werden, des Weiteren soll das Spiel spannend werden und auch Nicht-Kennern Spaß machen, was gar nicht so einfach zu vereinheitlichen ist.
Anders als bei K2 muss man bei Mountaineers nicht möglichst nah an den Gipfel kommen, sondern Kletterrouten auf dem riesigen Berg absolvieren. Im Prinzip also eine Art Zug um Zug, nur eben in anderer Ausführung. Grundsätzlich muss man sagen, dass das Drumherum wirklich thematisch und ideenreich umgesetzt wurde. Der Berg selbst ist in Gebiete wie Fels, Gletscher, alpines Gelände, Wald, Bergpfade etc. aufgeteilt, dort gibt es dann auch Gletscherspalten, Brücken, Hütten und allerlei Dinge, die man eben auch auf einem Berg erwartet.
Jeder Spieler erhält einen Charakter, den eine kleine Sonderfähigkeit auszeichnet, und sechs Kletterroutenkarten, die im Laufe der Runden erfüllt werden können und die meisten Punkte bringen. Diese lassen sich optimalerweise natürlich kombinieren, was durchaus einen gewissen Reiz ausmacht. Wie klettere ich am geschicktesten? Welche der
vielen lukrativen Verbesserungen, darunter z.B. Steigeisen, Sauerstoffflasche oder natürlich auch der Helikopter, gönne ich mir? Hier lockt Vieles, kostet aber auch eine Menge Zeit und Proviant. Letzteren kann man jederzeit aufstocken, muss dafür aber rasten und eine Aktion verschwenden. Hinzu kommen unerwartete Erschwerungen durch Ereigniskarten (nebel, Bärenalarm, überfüllte Bergpfade und Hütten), alles sehr thematisch. Letztendlich heißt das aber meistens nur, dass man auf einem bestimmten Geländetyp mehr Proviant als sonst ausgeben muss.
Die Ereigniskarten ermöglichen zudem noch weitere Aktionen beim Abwerfen der Karte (einmalig pro Zug möglich) oder Sonderbedingungen für Siegpunkte am Ende, dafür muss man die Karte dann aber behalten.
Natürlich geht es hauptsächlich ums Klettern an sich und auch hier hat man sich etwas Sinnvolles einfallen lassen: Jeder Spieler hinterlässt Kletterhaken, die der Reihe nach nummeriert sind, womit sich exakt der jeweilige Kletterverlauf am Ende nachvollziehen lässt. Diese Kletterhaken lassen sich allerdings von anderen sabotieren, sofern man sie nicht mit einem Karabiner sichert. Von diesen hat man allerdings nur zehn an der Zahl und diese kosten natürlich extra - sehr schöne Idee.
Aber wie spielt sich das Ganze jetzt? Prinzipiell sehr ordentlich. Die Suche nach der idealen Route ist interessant und grundlegend funktioniert die Spielmechanik auch,
allerdings hat die zwei Probleme:
1.) Für die anderen Spieler, die gerade gegenübersitzen, ist es ziemlich langweilig, zuzusehen, wie jemand auf der anderen Seite des Berges herum hantiert. Der Berg ist zwar praktischerweise drehbar, aber erstmal muss man die Füße stillhalten und abwarten, was so passiert. Das ist nicht immer dramatisch, zieht einen allerdings immer wieder mal aus dem Geschehen.
2.) Der eigentliche Spielablauf ist nicht sonderlich aufregend, man klettert halt ein paar Positionen weiter und macht eventuell noch ein, zwei Sonderaktionen, meistens weitere Schritte oder Proviant nehmen. Bei vier Spielern kann die Downtime hier doch unangenehm werden.
Wir hatten durchaus Spaß mit Mountaineers, vor allem, weil es eben schon etwas Neues und Originelles ist, seine Kletterrouten auf diesem großen Berg zu absolvieren, aber die große Euphorie blieb beim Spielen aus. Zu ereignislos laufen die eigentlichen Runden ab und zu monoton ist der Grundmechanismus trotz der vielen, kleinen Details, um Mountaineers zu einem wirklichen Highlight zu machen.
Extrem sauer aufgestoßen hat uns jedoch das Material, bei dem es eklatante Schwächen gibt. So imposant der drei- bis vierseitige Berg auch ausschaut, man muss es erstmal schaffen, ihn zusammenzubauen. Die Teile passen überhaupt nicht richtig in die drehbare Basis, ständig rutschen Bergteile wieder heraus. Oben wird der Berg etwas unter der Spitze mit einem Gummi fixiert, was recht gut klappt, würden denn die Teile unten halten. Außerdem lässt sich bei uns der Klipper zum Zusammenstecken von Basis und Spielfeld nicht mehr auseinandermachen, was zur Folge hat, dass die für die Spielschachtel zu große Basis sich nicht mehr einklappen lässt. So etwas kann absolut nicht sein!
Auch die faltbaren und zusammensteckbaren Spielertableaus bzw. Boxen sind zwar eine nette Idee, aber furchtbar umgesetzt, kaum etwas hält so wie es eigentlich soll. Absolut unverständlich für das Geld. Dass die Kletterhaken nummeriert sind, ist ja toll, aber weshalb gibt es hierfür kein sinnvolles Tableau, wo man diese der Reihe nach reinstecken kann? So muss man ständig nach der richtigen Nummer suchen, was oft nervig und unnötig ist. Die Karten sind in Ordnung, ebenso die Kletterhaken und Karabiner aus Holz. Die Plastikfiguren der Bergsteiger sehen etwas billig aus, aber immerhin funktioniert das Rein- und Rausstecken des Materials am Berg prima und bei uns ohne jegliche Probleme.
+ drehbarer 3D-Berg
+ solide Spielmechanik
+ viele thematische Details integriert
+ extrem viele verschiedene Kletterrouten
- schlimme Material-Mängel
- Spielmechanik wenig aufregend oder gar
spannend
- ab 4 Spielern recht lange, sehr passive
Downtime
- Ereigniskarten etwas unoriginell und lahm
Wertungen
Chris: 4
Sarina: 4
Sehr ordentlich umgesetzte Kletterei mit vielen thematisch gelungenen Details und nettem, aber unspektakulärem Spielablauf. Für über 100€ erhält man allerdings ein Spiel mit eklatanten Materialschwächen, was für uns nicht tragbar ist. Eine große Enttäuschung, zumal das Spiel an sich größtenteils gelungen ist.
Mountaineers ist eine gelungene Brettspiel-Interpretation des Klettersports und gibt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten Mühe, den Spagat zwischen Realismus und Spaß zu schaffen. Letztendlich scheitert das Spiel damit nicht, allerdings gelingt es auch nicht wirklich, große Spannung aufzubauen oder Emotionen beim Spielen zu vermitteln. Es macht schon Spaß, aber aufgrund der unschönen Materialmängel können wir in Betracht des hohen Preises in keinster Weise eine Empfehlung aussprechen.
Text: Chris