Das Puzzleteil passt!

Schon wieder ein Puzzlespiel? Sind die nicht langsam ausgelutscht? Nicht, wenn sie so clever konstruiert sind wie "My City" von Kosmos. Die Zauberzutat heißt erneut Legacy und wo viele andere Spiele an dieser Hürde gescheitert sind oder zumindest nicht gänzlich überzeugen konnten, liefert Reiner Knizia hier voll ab. Warum das so ist, lest Ihr im Folgenden.

 

Wie funktioniert das Spiel?

Selten war ein Spieleinstieg einfacher: jeder Spieler erhält einen eigenen Spielplan, je acht Gebäudeteile in drei Farben (alle Spieler haben den identischen Satz) und einen Siegpunktewürfel. Der Gebäuekartenstapel wird in die Mitte gelegt und schon geht es los.

 

Dann wird immer eine Karte aufgedeckt und alle Spieler müssen das abgebildete Gebäude bauen. Zu Beginn muss man an den Fluss anbauen, danach immer angrenzend an ein bereits ausliegendes Plättchen. So puzzelt man seine Stadt in Windeseile weiter und versucht dabei, Bäume nicht zu überbauen, während man Steine unbedingt abdecken sollte, ansonsten hagelt es Minuspunkte. Auch nicht bebaute Wiesenfelder saugen den eigenen Siegpunktestand nach unten, sodass man stets versucht, alles zu zu puzzeln. Bei freiwilliger Abgabe eines Siegpunktes darf man das aktuelle Gebäude, das gerade gebaut werden muss, aus dem Spiel legen.

 

Der Clou ist nun aber, dass jedes Kapitel aus drei aufeinander aufbauenden Spielen besteht, wobei in jeder der 24 Legacy-Partien etwas Neues hinzukommt. Auch die Wertung am Ende einer Partie wird immer komplexer, schnell reicht es nicht mehr aus, einfach nur irgendwelche Teile passend zu platzieren. Am Ende jedes Spiels erhält man Legacy-typisch Sticker, mit denen man die eigene Landschaft modifiziert, auch neue Gebäude bringen neue Herausforderungen mit sich.

 

Kann oder will man kein Gebäude mehr bauen, steigt man aus dem Spiel aus. Sind alle Spieler fertig, folgt die Wertung, wobei die Ergebnisse auf dem eigenen Spielertableau festgehalten werden. Ist die Legacy-Kampagne zu Ende, befindet sich auf der Rückseite ein alternativer Spielplan, mit dem man das "Ewige Spiel" spielen kann. Man muss "My City" also danach nicht entsorgen. 

Was ist das Besondere an "My City"?

Natürlich das Legacy-Spiel, das in acht Kapitel insgesamt 24 kurzweilige, immer leicht veränderte Puzzle-Partien bietet. Dabei muss man sagen, dass die Kniffe, die sich in jedem Umschlag befinden, wunderbar einfallsreich und interessant genug sind, dass die Neugier auf das nächste Kapitel nie verblasst.

 

Besonders erwähnenswert ist auch die Spieldauer, denn man kann ein Kapitel mit seinen drei Partien locker in einer Stunde spielen. Dadurch, dass alle gleichzeitig bauen, gibt es absolut keine Downtime, selbst wenn jemand mal etwas grübelt, wohin er sein nächstes Gebäude baut.

Wie sehr gefällt es uns?

Insgesamt hat mir "My City" viel besser gefallen als ich erwartet hätte. Bisher ist es uns immer recht schwer gefallen, Legacy-Spiele zu Ende zu bringen; Charterstone war eher eine Qual für uns, Rise of Queensdale okay, aber mit vielen Schwächen. Bei "My City"" war das diesmal anders, was vor allem an der unheimlich flotten Aufbauzeit und der perfekten Spielzeit einer Partie von etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten liegt. So haben wir immer mindestens drei Spiele direkt hintereinander gespielt. Die Neugier, was im nächsten Kapitel auf uns wartet, war groß und gleichzeitig stets auch nie in weiter Ferne. Immer gab es eine kleine Neuerung oder Regeländerung, sodass es nie, wirklich nie langweilig wurde. Ich hätte nicht gedacht, dass das bei einem Puzzlespiel möglich ist.

 

Die Regeln sind kinderleicht, dennoch kommt mehr und mehr Würze in die Endwertung einer Partie; man muss immer mehr beachten. Natürlich kann man nicht alles erfüllen, aber es gilt eben abzuwägen, worauf man sich in der aktuellen Runde konzentriert. 

 

Die Optik ist dabei einfach und zweckmäßig gehalten. Ja, die Gebäudeplättchen sind vielleicht etwas langweilig, aber im Endeffekt sind es eben verschiedenfarbige Puzzleteile, daher stört mich das hier nicht. 

 

Streng genommen bietet "My City" außer dem Legacy-Modus spielerisch absolut nichts Neues, aber der ist eben unheimlich motivierend und konzeptionell clever umgesetzt worden. Selten bietet ein Spiel dermaßen einsteigerfreundliche Regeln und zugleich eine interessante, perfekt austarierte Steigerung der Komplexität. 

 

Das klingt nach dem perfekten Spiel, oder? Nun ja, in gewisser Weise schon. Die Sache hat nur einen Haken - das Spiel ist trotzdem nicht für jeden etwas. Gefühlt würde ich sagen, dass der Großteil aller Spieler das Spiel sehr mögen oder sogar lieben wird, Taktikfüchse müssen hier aber immer wieder in den sauren Apfel beißen und akzeptieren, dass der Zufall hier immer wieder mitredet. Sarina war immer wieder gefrustet, dass die falschen Gebäudekarten aufgedeckt wurden, sodass sie der Meinung war, wenig beeinflussen zu können. Das stimmt teilweise, denn selbst, wenn man gewisse Wertungsaspekte außer Acht lässt und sich nur auf ein, zwei Dinge konzentriert, kann es sein, dass auch diese nicht funktionieren. Man muss eben bauen, was kommt. Aber da man jederzeit die Möglichkeit hat, das aktuelle Gebäude gegen einen Siegpunkt abzulegen, reicht mir das persönlich völlig aus, um ein befriedigendes Maß an eigener Handlungsmöglichkeit zu erzeugen. 

 

Dass das "ewige Spiel" enthalten ist und auch nach der Legacy-Kampagne weiter gespielt werden kann, ist wichtig. Mich persönlich reizt es allerdings deutlich weniger als die Legacy-Partien. Das ist aber okay, denn die bieten für mich genug, um den Preis zu rechtfertigen. Ein wirklich wunderbares Familienspiel und ich würde jede Wette eingehen, dass "My City" das neue Spiel des Jahres wird.

Wertungen

Chris: 8 (großartiges Puzzlespiel, das mich über Tage hinweg super unterhalten hat. Für mich das bis dato beste Puzzlespiel überhaupt, auch wenn "My City" am Ende ein klein wenig die Puste ausgeht)

Sarina: 7 (eigentlich hat es mir ja gut gefallen, aber ich hatte echt oft Pech am Ende mit den falschen Gebäudekarten, sodass ich immer wieder knapp verloren habe, ohne wirklich etwas dafür zu können. Das hat dafür gesorgt, dass ich ab Kapitel 5 nicht mehr so dabei war wie noch am Anfang)

FAZIT:

Wow! Nie hätte ich gedacht, dass mich ein Puzzlespiel über so viele Tage dermaßen gut unterhält. Der Legacy-Modus macht nahezu alles richtig: keine uninspirierte, belanglose Geschichte, sondern Abwechslung in Form von immer neuen Kleinigkeiten, welche die Spieler bei Laune halten.

 

Dazu überzeugt das Ganze mit einfachen Regeln, einem wunderbaren Anstieg der Komplexität und enorm flotter Spielzeit. Definitiv mein "Spiel des Jahres", für Familienspieler das nahezu perfekte Spiel. Einziger Wermutstropfen: das "ewige Spiel" nach der Kampagne kann nicht mehr so fesseln.

 

Text: Chris

Für diese Rezension stand uns ein Rezensionsexemplar zur Verfügung. Herzlichen Dank dafür an KOSMOS.