Komplexität: ***(*)

Reizvolles Studium

"Newton" suggeriert physikalischen Bezug, allerdings ist das nicht mehr als ein Eye-Catcher, denn zugegeben macht der Titel gemeinsam mit dem Apfel auf dem stimmigen Cover extrem neugierig. Klar, es geht irgendwie schon um Wissenschaft, aber das nur sehr oberflächlich, auch wenn die grundsätzlichen Aktionen wie Studieren, Lehrstunde, Reisen oder Technologie thematisch gut zusammenpassen.

Grundsätzlich werden in jeder der sechs Runden stets fünf Aktionen durch Karten bzw. durch das darauf abgebildete Aktionssymbol ausgelöst. Je mehr Symbole dieses Typs auf dem eigenen Schreibtisch ausliegen, desto stärker wird der nächste Zug - ein sehr schöner Mechanismus. Natürlich lassen sich bessere Karten dazukaufen, die weitere Zusatzaktionen ermöglichen oder farbige Bücher zeigen, die essentiell sind, um sein Bücherregal auf dem Tableau zu füllen. So erhält man nämlich durch abgeschlossene Reihen und Spalten Siegpunkte am Ende jeder Runde. 

Es gibt zwei Spielpläne: auf einem reist man umher, auf dem anderen schreiten eigene Lehrlinge auf einem verzweigten Technologiebaum voran, wobei man sich stets für einen Weg entscheiden muss. Das funktioniert hervorragend und ist spannend, zumal beide Spielpläne sehr modular sind

 

und keine Partie der anderen gleicht. Außerdem ist es ohnehin schwierig, weitere Lehrlinge zu erhalten, denn zu Beginn hat jeder Spieler nur einen einzigen. Was Newton von anderen Euro-Spielen abhebt, ist definitiv nicht seine Optik. Die Grafik erinnert an Orléans, atmosphärisch ist das Spiel nicht sonderlich überzeugend. Der überaus gelungene Spielmechanismus allerdings hebt Newton in die Riege der wirklich originellen Spiele mit extrem gut verzweigten Einzelmechanismen. Selten greift alles so harmonisch ineinander wie hier.

 

Die Kombination aus Deckbau und dem Voranschreiten auf dem Spielplan ist hochinteressant und äußerst reizvoll. Hinsichtlich der Aktionen bietet das Spiel nicht sonderlich viel Interaktion, aber es fühlt sich überhaupt nicht solitär an, da überall Bonusplättchen liegen, die man sich gegenseitig wegschnappt, und einem ständig gute Karten vor der Nase weggekauft werden. Die Komplexität, die einzelnen Stellschrauben des Spiels zu verstehen und vor allem taktisch klug einzusetzen, erfordert eine Menge Grips, weswegen wir das Spiel eher als Expertenspiel sehen, auch wenn die Einstiegshürde nicht so hoch wie bei anderen vergleichbaren Spielen ist. Die Tatsache, dass alle Spieler - selbst die Verlierer - bei uns direkt danach sofort nach der nächsten Partie gefragt haben, spricht ganz klar für Newton. Der Reiz, es erneut und vor allem besser zu spielen, ist groß.

 

Weniger gefallen hat uns die zwar funktionale, aber wenig atmosphärische und ebenso kaum thematische Optik.  Da enorm viele Plättchen auf den Spielplänen liegen, leidet die Übersicht vor allem zu Beginn etwas, die Ikonographie ist gelungen, wenn auch nicht perfekt. Die eigenen Buchplättchen haben wir verkehrt herum (mit der Spielerfarbe nach oben) auf die Tableaus gelegt, da es mit der anderen, eigentlich korrekten Seite nicht sonderlich übersichtlich ist. Unverständlich, weshalb das so umgesetzt wurde. 

Etwas demotivierend können Fehler in den ersten Runden sein, denn liegt man erstmal hinten, wird es extrem schwierig, das Blatt noch zu wenden. Dass die Buch-Strategie, wie es oft heißt, die beste Gewinnchance bieten soll, können wir nicht bestätigen. Es wurden sogar Partien gewonnen, in der die Bücher total vernachlässigt wurden.

Pro:

+ großartige Verzahnung der einzelnen

   Spielmechanismen

+ viele Wege führen zum Sieg

+ sehr hoher Wiederspielreiz

+ enorme Varianz 

Contra

- thematisch eher schwach

- funktionelle, aber wenig atmosphärische

  Optik

- kleinere Designschwächen

 


Wertungen

Chris: 8

Eva: 6

Klemens: 8

Sarina: 7

FAZIT:

Volltreffer! Newton bringt tatsächlich frischen Wind in die Flut mittelmäßiger Euro-Optimierspiele, da die Mechanismen wunderbar ineinander greifen und sich das Spiel enorm variabel zeigt. Viele Strategien können zum Sieg führen und es ist unheimlich knifflig, aus der immer wieder veränderten Ausgangslage das Beste herauszuholen. 

 

Für uns schon jetzt ein Jahreshighlight, das trotz kleinerer Schwächen noch oft auf dem Spieltisch landen wird. Dicke Empfehlung!

 

Text: Chris