Ein Wettrennen auf dem Ägäischen Meer, um Göttervater Zeus zu beeindrucken? Von Stefan Feld? Das passt ja so gar nicht zu seinen bisherigen Spielen. Stimmt, aber Mut zu Neuem ist immer gut, oder? Nun ja, nicht immer ...
Im Falle von Das Orakel von Delphi nämlich ist diese Neuausrichtung des Spieleautors zwar lobenswert, spielerisch und atmosphärisch hat uns das Ganze allerdings in keinster Weise überzeugt.
Das Spielmaterial ist umfangreich und von guter Qualität, aber herrje ... bunter als der Schlafanzug, den mir meine Eltern damals angezogen hatten, als ich mich noch nicht dagegen wehren konnte. Farbige Häuser,
Tempel, Symbole, farbige Monster und ja, bunte Ressourcensteinchern und Würfel. Klar, die Farben sind ein essentieller Baustein der Spielmechanik, da man immer nur bestimmte Aktionen mit den passenden Würfeln, Feldern, etc. machen kann, aber uns war das definitiv ein Tick zu viel des Guten. Hinzu kommt, dass das Erledigen der 12 Herkulesaufgaben seltsam abstrakt und unoriginell daherkommt.
Die Glückskomponente in dem Spiel ist recht hoch, auch wenn man drumherum wieder massig Möglichkeiten hat, bestimmte Aktionen zu beeinflussen. Man steigt in der Gunst der verschiedenen Götter auf und führt deren Spezialaktionen aus, erhält Helden und diverse Sonderfähigkeiten, aber all das kaschiert ein
unerwartet spannungsarmes Spiel mit unnötig
verkomplizierten Manipulationsmöglichkeiten, die das Spiel in die Länge ziehen, ohne es damit besser zu machen. Die Downtime ist ab drei Spielern ebenfalls nicht gerade gering, des Weiteren kommen einem Runden, in denen man nichts tun kann (und das kommt vor) wie verlorene Runden vor. Man muss hoffen, dass auch die anderen Spieler durch solche Nullrunden gebremst werden. Die Verteilung der Inselplättchen kann außerdem für nicht wirklich ausgewogene Spielbedingungen sorgen, was gemessen an der nicht gerade kurzen Spielzeit und Komplexität sehr ärgerlich ist.
+ Wettrennen statt Punktejagd
+ Spielmechanik im Kern ganz gut
+ umfangreiches Spielmaterial
- unnötig verkompliziert durch zu viele
"Nebenaktionen" (Mikrooptimierung)
- ... aber viel zu bunt
- extrem viel Zufall
- kaum Interaktion
- wirkt atmosphärisch gekünstelt, die 12
Aufgaben sind unoriginell und langweilig
Kein typischer "Feldsalat", aber der Mut, etwas Neues zu wagen, scheitert leider sowohl atmosphärisch als auch spielmechanisch. Ein Spiel, das mehrere Chancen auf unserem Spieltisch erhalten hat und keine davon nutzen konnte.
Wenn der alte Zeus dermaßen lahme Wettkämpfe veranstaltet, muss man sich nicht wundern, warum keiner mehr an ihn glaubt. Der Olymp wackelt gewaltig.
Text: Chris