Das bessere "Evolution"?

Wer mich kennt, weiß, dass das "Ozeane"-Setting genau mein Ding ist. Als Biologie-Lehrer und großer Tierfreund lechze ich förmlich nach solchen Spielen - alles, was irgendwie mit Evolution und Ökosystemen zu tun hat, finde ich erstmal hochinteressant. Dass "Evolution" bei mir aufgrund einiger Mankos knallhart durchgefallen ist, hat natürlich schon ein wenig die Angst vor einer erneuten Enttäuschung geschürt, dennoch war die Vorfreude auf "Ozeane" recht groß. Am Ende steht die Erkenntnis, dass das Spielsystem, das beiden Spielen zugrunde liegt, einfach nicht meins ist.


Wie funktioniert das Spiel?

Vor der Kambrischen Explosion (diese tritt etwa zur Halbzeit der Spieldauer ein ) spielt jeder Spieler in seinem Zug eine Karte aus. Dabei kann man frei entscheiden, ob man eine neue Spezies erschafft, eine bereits bestehende mit einer weiteren Eigenschaft verbessert oder die Karte für eine Fischmigration benutzt. Mit letzterer darf man eine der vier Zonen wählen (Riff oder eine von drei Ozeanzonen) und Fische aus einer anderen Zone dorthin schwimmen lassen.

 

Das ist deswegen wichtig, da man in der anschließenden Fressphase nur Fische aus dem Riff fressen darf, eine Alternative besteht nur durch einen Angriff auf andere Spezies. Eine Spezies darf fressen, danach altern jedoch alle eigenen Spezies. Beim Altern entfernt man einen Fisch hinter den Sichtschirm (diese sind dann am Ende Siegpunkte); ist das nicht möglich, stirbt die Spezies. Zuletzt wirft man noch beliebig viele Oberflächenkarten ab und zieht auf sechs auf. Auch Tiefenkarten dürfen hier schon gezogen werden, allerdings sollte man diese noch nicht zu früh auf die Hand nehmen, da man diese noch nicht spielen darf.

 

Neben dem normalen Fressen und einem Angriff auf andere Spezies gibt es noch eine dritte Möglichkeit, sich den Bauch zumindest einigermaßen satt zu schlagen, den Zuwachs. Diesen erhält man aus der ersten Ozeanzone. Ist diese komplett leer, erfolgt die Kambrische Explosion und ändert das Spiel massiv. Denn von nun an muss jeder Spieler immer zwei Karten ziehen, alle Spezies altern ab sofort um zwei Fische und - das Wichtigste in diesem Spiel - endlich dürfen auch die mächtigen Tiefenkarten gespielt werden.

 

Die Tiefenkarten sind vielfältig und einzigartig, allesamt bieten sie einzigartige Fähigkeiten und Eigenschaften. Um sie auszuspielen, muss man jedoch die Fischkosten aus seinem bisher angesammelten Vorrat hinter dem Sichtschirm bezahlen.

 

So entwickelt, kämpft und altert man fleißig weiter, bis alle Fische aus allen Zonen gefressen wurden. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Fischen, hinzugezählt werden Bonuspunkte, die man bereits am Anfang des Spiels in Bezug zur Spielerreihenfolge aus Ausgleich für bestimmte Nachteile erhält.

Was ist das Besondere an "Ozeane"?

Ozeane besticht durch das interessante Thema, sofern man diesem etwas abgewinnen kann. Die farbenfrohe Optik, das schöne Spielmaterial sowie die klasse illustrierten Karten machen das Spiel definitiv zu einen Hingucker

 

Man erschafft einzigartige Ökosysteme mit tollen Synergien, die Spielerinteraktion ist unheimlich hoch und durch einen riesigen Stapel an Tiefen- und Szenariokarten stimmt auch die Abwechslung.


Wie sehr gefällt es uns?

Um ehrlich zu sein konnte "Ozeane" uns nicht begeistern. Wir wollten das Spiel aufgrund des tollen Themas und der fantastischen Optik mögen, letztendlich blieb der Spielspaß aber bei so ziemlich jeder Spieleranzahl gehörig auf der Strecke. Ob zu zweit (es funktioniert durchaus zu zweit!), zu dritt, zu viert oder zu fünft - niemals konnte das Spiel besondere Emotionen erzeugen, war selten wirklich spannend und insgesamt störten uns mehr Dinge als uns gefielen.

 

Das klingt jetzt erstmal niederschmetternd und ich will damit auf keinen Fall sagen, dass "Ozeane" ein schlechtes Spiel ist; das ist es nämlich nicht. Aber es ist nur einfach keines, das uns sonderlich gefallen hat, trotz der Affinität zum Thema. Woran das liegt, möchte ich nun erklären: Der Oberflächenkartenstapel ist zwar groß, es gibt allerdings nur wenige verschiedene Karten, sodass sich viel zu schnell herauskristallisiert, welche offensichtliche Strategien man fahren sollte. So läuft die erste Hälfte des Spiels ohne die Tiefenkarten recht gemächlich und unspektakulär ab, die meisten Spezies sind recht gut geschützt, erste Symbiosen entstehen - gefühlt passiert hier immer dasselbe und das auch noch bei mehreren Mitspielern. Dann endlich der große Knall - die Kambrische Explosion und die Szenariokarten verändern das Spiel massiv und der Zufall redet eine gehörige Portion mit. Alle Tiefenkarten sind einzigartig und es gibt natürlich bessere und schlechtere - vor allem im Bezug auf die aktuelle Spielsituation und die bisher gefahrene Strategie. Diese Karten bringen dann endlich die schmerzhaft vermisste Würze ins Spiel, da sich mit diesen heftige Effekte aktivieren lassen und krasse Fähigkeiten entstehen. Teilweise sogar so krass, dass man einige Runden klar Oberwasser hat, im schlimmsten Fall lässt sich dann einige Zeit nichts daran ändern, dass ein Spieler Punkte ohne Ende absahnt. Der Spielspaß verschiebt sich hier also dahingehend, ob die Tiefenkarte zur eigenen Strategie passt oder nicht. Mit den Szenariokarten kann es dann sogar völlig chaotisch verlaufen, wenn man etwa immer wieder die am weitesten links kreierte Spezies an den Nachbarn weitergeben muss.

Wertungen

Chris: 5 (besser als Evolution, aber die "Oberflächenphase" ist mir zu langatmig und langweilig. Mit den Tiefenkarten wird es dann endlich interessant, aber der Spielablauf gefällt mir immer noch nicht.)

Holger: 5 (viel zu langatmige erste Phase, da es zu wenige unterschiedliche Karten gibt, Tiefenkarten bringen Spannung, aber es sind unfair Kombos möglich. Thema, Optik und Spielmaterial sind aber klasse. Schade!)

Sarina: 6 (schönes Thema, gefällt mir einen Tick besser als Evolution, aber insgesamt dauert es mir viel zu lange für das, was es ist)

Klemens: 5 (hat mich nicht überzeugt, viel zu zufällig)

Eva: 6 (extrem schönes Material, spielerisch war es okay und durchaus interessant, aber zäh und wenig spannend. Die Tiefenkarten sind cool, aber auch extrem zufällig, wer davon profitiert)

FAZIT:

Trotz toller Optik und super interessantem Thema schafft es "Ozeane" nicht, eine faire und überzeugende Spielerfahrung zu kreieren. Auf eine langatmige Oberflächenphase folgt eine spannende Tiefenkartenphase, die jedoch zu stark vom Zufall abhängt und zudem chaotisch werden kann. Wenn man sowas mag, kann man durchaus Spaß haben, uns hat es leider nicht zugesagt.

 

Am Ende steht unter dem Strich: "Ozeane" ist insgesamt besser als "Evolution", aber leider weit entfernt von einem Highlight.

  

Text: Chris