Verlag: Mindclash Games Autor: Richard Amann Spieldauer: 80-180 Min. Spieleranzahl: 1-4
Ja gut, das Brettspielhobby kann furchtbar enttäuschend sein. Was habe ich die Auslieferung dieses Kickstarters herbeigesehnt; auf Mindclash Games ist immerhin Verlass, so dachte ich. Pustekuchen! Auch dieses Mal rede ich nicht um den heißen Brei herum: das Spiel hat mich am Ende enttäuscht und ist wieder ausgezogen.
Nicht gänzlich enttäuscht, denn Spielmaterial, Thema und Optik sind großartig, und auch Teilaspekte der Spielmechanik mag ich: Das Würfeleinsetzen über die custom dice macht Spaß, ich mag die Dinoangriffe in Episode 1, die vielfältigen Würfel-Einsatzfelder und das hervorragende Spielertableau mit all den Fähigkeiten aus Episode 2. Fast wollte ich schreiben: und ich liebe die Mindclash-typische großartige Verzahnung der einzelnen Elemente ... dem ist aber hier nicht so!
"Perseverance" hat zwei entscheidende Probleme für mich: Episode 1 ist ein gutes Spiel, das vieles richtig macht, aber am Ende dann zu wenig bietet, um es regelmäßig auf den Tisch bringen zu wollen. Die Aktionswahl mit der damit verbundenen Dinobedrohung gefällt mir, ebenso das grundsätzliche Konzept der "Follower" über Mehrheitenwertungen und damit ausgeschütteten Stimmen im Camp. Thematisch ist das nett und recht passend, hat hier und da natürlich Interpretationsspielraum, aber nun gut, da habe ich schon wesentlich unthematischere Euros gespielt, von daher passt das alles für mich. Dass man vor allem auch über Kämpfe zum richtigen Zeitpunkt Punkte ... äh, Follower generiert, sorgt dafür, dass mehrere Strategien abseits der Campwertungen funktionieren. Und trotzdem spielt sich das dann nach der zweiten Partie zu ähnlich, zu emotionslos, zu uninteressant, jedenfalls für mich.
Episode 2 ist das wesentlich interessantere Spiel, da es in den Bereichen Aktionsvielfalt, Umfang, Strategien und Komplexität eine gehörige Spur draufsetzt. Leider ist diese zweite Episode aber sperrig, unzugänglich, unelegant, überfrachtet und thematisch uninteressant.
Zunächst mal etwas ganz Subjektives: ich liebe flüssige Züge, die fordernd sind und ich mich bereits auf den nächsten freue. Den Zügen meiner Mitspieler möchte ich im Idealfall komplett folgen, sie bestaunen, belächeln, den Kopf schütteln, irgendwas. Ich will "dabei" sein, vor allem auf so einer verdammten Dinoinsel, auf der wir doch alle irgendwie zusammenarbeiten sollten und dann am Ende einfach die clevereren Aktionen tätigen.
In "Perseverance" ist das alles nicht so. Okay, zuerst muss ich einen Würfel auswählen und einsetzen. Cool, das macht mir Spaß. Aktionsmäßig habe ich hier die freie Wahl, es gibt massig Möglichkeiten, fast schon zu viel. Okay, ich platziere ihn hier - wähle drei aus sieben Aktionen. Alles klar, meine freigeschaltete Fähigkeit erlaubt mir hier noch was Besonderes. Super, das hat sich gelohnt. Nächster! Nein halt, jetzt kommt ja noch die Sekundäraktion. Okay, fünf Möglichkeiten. Ich mache ... hmm, ich beeinflusse diesen Offizier da. Ach halt, ich bekomm jetzt ja noch eine neue Fähigkeit, okay super. Ach shit, wir haben nach der ersten Aktion den Dinoangriff vergessen. Kein Problem, schnell nachgeholt. So, jetzt aber du! Nein halt, Abenteuerkarte noch. Okay, sieben Karten, ich nehme diese zwei hier, dann noch das. So, weiter geht's. Sorry, aber das ist kein gutes Spieldesign. Nicht falsch verstehen, ich liebe großartig verzahnte, harte Expertenspiele, die meinen Kopf qualmen lassen. Aber das geht sogar in "Feudum" besser und langweilt andere Mitspieler nicht.
Und was zum Teufel machen eigentlich die Dinos in Episode 2? Dumm rumstehen und warten, bis sie jemand weghaut. Ja wow, bei einer Expedition greifen sie an, sind aber in den seltensten Fällen eine echte und vor allem glaubwürdige Bedrohung. Das alles ist so furchtbar generisch und langweilig, dass ich es nicht aushalte. Am schlimmsten finde ich aber die konstruierte Versammlungswertung: Bestimme in jedem der fünf Regionen die Präsenz, verteile die entsprechenden Plättchen, Vorder -oder Rückseite werden geheim gewählt, meistens nimmt man die Stimmen, davon gibt's dann 2 plus Siedlungen, egal von wem; hier Gleichstand, da gibt's dann die Hälfte - ach ja, der zweitplatzierte bekommt dann die Hälfte der Rückseite, die nicht ausgewählt wurde, dann die Offizierswertung ... ach komm, wo ist die Klopapierwertung und das Bieten auf die letzten Mehlpackungen? Nee tut mir Leid, aber das macht echt wenig Spaß. Eine gute Verzahnung besteht übrigens nicht darin, neunzig Aktionsmöglichkeiten zu erlauben, für jede davon zwei Ausnahmeregeln über erlernbare Fähigkeiten zu bieten und einen Spielzug aus der Downtime-Hölle draufzupacken.
Chris: Einzelaspekte wie das Dice-Placement und die Fähigkeiten aus Episode 2 mag ich, ansonsten bin ich ziemlich enttäuscht von dem fehlenden Gespür der Designer für ein flüssiges, interessantes und thematisch packendes Spielerlebnis
Sarina: Episode 1 muss ich nicht nochmal spielen, Episode 2 war da schon sehr viel reizvoller. Am Ende aber dennoch nichts Mitreißendes, das irgendwie in Erinnerung bleibt und an das man am nächsten Tag noch denkt
Klemens: Episode 2 war schon ziemlich herausfordernd, aber die viel zu langen Züge nerven schon und lassen einfach kein flüssiges Spiel aufkommen, thematisch hat es mich auch nicht abgeholt
In "Perseverance" stecken gute Ideen und teilweise gelungene Aspekte, aber ein harmonisches Ganzes kann ich hier - vor allem in Episode 2 - nicht erkennen. Episode 1 ist in Ordnung und macht Spaß, reizt mich aber nach drei Partien nicht mehr; die wesentlich interessantere Episode 2 ist sperrig, unelegant und überfrachtet, ohne dabei aufregend und interessant genug zu sein. Am Ende gibt es also keinen Grund für mich, das Spiel zu behalten.
Text: Chris
18.06.2022