Verlag: Delicious Games Autor: Vladimír Suchý Spieldauer: 30-120 Min Spieleranzahl: 1-4
Vladimìr Suchýs "Underwater Cities" genießt bei vielen Spielern hohes Ansehen, für viele war der Ausflug in die Unterwasserwelt eines der Highlights der letzten Jahre. Bei uns kam der Titel nicht ganz so gut weg, dennoch waren wir gespannt darauf, ob der nächste große Titel des Verlags "Praga Caput Regni" auf unserem Spieletisch zünden wird. Bereits der erste Blick auf das Spiel ließ ein komplexes Eurospiel vermuten, in dem man auf vielfältigste Weise an die begehrten Siegpunkte kommt. Schnell hat sich gezeigt: oh ja, Siegpunkte gibt es an allen Ecken und Enden. Ist "Praga Caput Regni" ein wildes Punktefestival ohne Sinn und Verstand? Oder hat das alles Hand und Fuß?
Wie funktioniert das Spiel?
Die sechs Hauptaktionen aktiviert man über Plättchen, die man sich aus einer der Mulden eines sich drehenden Rades nimmt. Je nachdem, wo sich das Plättchen befindet, kostet es Gold (roter Bereich), ist kostenlos (grüner Bereich) oder gibt sogar Siegpunkte (blauer Bereich).
Man wählt dann eine der beiden abgebildeten Aktionsmöglichkeiten und erhält zudem immer die Bonusaktion des jeweiligen Radplatzes und kann freie Zusatzaktionen durchführen. Generell gilt: alle Aktionen darf man in beliebiger Reihenfolge ausführen.
Für die Hauptaktionen hat man ein kleines Stadt-Tableau. Dort kann man Hauptaktionen verbessern, indem man sich Upgrade-Plättchen nimmt und die Aktionen überbaut. Ebenso lassen sich Mauer-Plättchen erwerben, die man an das Stadt-Tableau anlegt. In der Stadt Prag selbst kann man Gebäude bauen. Egal ob Mauer oder Stadtgebäude - beides gibt es in zwei Stufen und beides gibt einen Baubonus sowie Symbole für weitere Boni. Beim Bauen kann man nämlich auf den Plättchen abgebildete Symbole zusammenpuzzeln, um weitere Boni zu erhalten. Auch die Platzierung auf dem Spielplan spielt eine Rolle - hier gibt es zahlreiche Aspekte wie Boni durch angrenzende Gebäude oder Mehrheitenwertungen, sobald bestimmte Marktfelder zugebaut wurden.
Auch auf der Brücke kann man voranschreiten, auf der insgesamt fünf Wegabschnitte warten. Auf allen erhält man Ressourcen und Punkte, teilweise gegen Bezahlung. Eier sind hier ganz besonders wichtig (hat mal damals wohl als Mörtel verwendet!), um die starken Brücken-Aktionen durchführen zu können.
Die Grundressourcen Gold und Stein koordiniert man auf dem Spielertableau. Dieses besitzt zwei Räder, die den aktuellen Ressourcenstand anzeigen. Darunter befinden sich die dazugehörigen Leisten für die Generierung eben jener Ressourcen. Auch diese lassen sich auf vielfältige Weise verbessern und eröffnen an bestimmten Punkten weitere Boni und Möglichkeiten.
Auf den zwei imposanten Treppen versucht man, seinen Stein noch oben und nach rechts. bzw. links zu befördern. Schritte nach oben geben je nach erreichter Reihe am Spielende Punkte, Schritte auf die Seite erhöhen den Punktewert für blaue bzw. rote eingesammelte Plättchen während des Spiels. Für Schritte nach oben benötigt man immer zwei silberne Fenster, eine rare Ressource. Mit goldenen Fenstern in Kombination lässt sich eine Zusatzaktion durchführen.
Im Detail gibt es noch etliche kleine Stellen, an denen man Siegpunkte direkt oder über Plättchen am Spielende erhält.
Was ist das Besondere an "Praga Caput Regni"?
Zunächst einmal muss man lobend erwähnen, wie viel (gutes) Material für einen Preis von um die 40€ in der Spielebox steckt. Double-Layer-Tableaus mit Rädern, eine Vielzahl an dicken Plättchen, Papptreppen - das ist schon wirklich klasse. Klar, die Ressourcenmarker wie Fenster und Eier hätten schöner und wertiger sein können und hier und da merkt man schon, dass es natürlich kein Deluxe-Material ist. Die Tableaus verbiegen minimal, die Anleitung ist aus dünnstem Papier, nun gut. Dennoch überwiegt hier klar die Freude.
Extrem gelungen ist die spielmechanische Verzahnung der einzelnen Elemente. Die Kettenmechanismen, die sich hier auftun, sind faszinierend und bereichern die
16 Hauptaktionen in vielfältiger Weise. Durch die vielen Boni und Zusatzmöglichkeiten gelingt es, einen sehr befriedigenden Fortschritt im Laufe des Spiels zu erreichen.
Ganz fantastisch: der Kniff der "Würfelhindernisse". Auf dem Aktionsrad fällt der mitgeschobene Würfel irgendwann in eine Vertiefung und das Rad dreht sich nicht weiter. So wird angezeigt, dass der Zeitmarker vorgeschoben werden muss. Lästiges Überprüfen oder Nachdenken, in welcher Runde man gerade ist, entfällt komplett - großartig. Auch auf den Spielertableaus gibt es weitere drei Würfel, die - sobald genügend Ressourcen hergestellt - die Räder blockieren und weitere Boni mit sich bringen.
Wie sehr gefällt es uns?
Wenn ich "Praga Caput Regni" aufgebaut sehe, verspüre ich direkt enorm große Lust auf das Spiel. Ich weiß, was für eine anspruchsvolle Herausforderung mir bevorsteht und die sicherlich gewöhnungsbedürftige, aber meiner Meinung nach passende Optik gefällt mir richtig gut. Nicht alle Designentscheidungen finde ich im Detail auf den Punkt gelungen. Während die Ikonographie hervorragend gelungen ist, leidet die Übersichtlichkeit aufgrund kleiner Symbole und nicht ganz optimaler Farbgebung ein wenig. Den Spielplan und generell die Optik finde ich großartig, Sarina sieht das dagegen anders. Für sie ist das alles viel zu "wild, oft unübersichtlich und wenig einladend". So ein bisschen kann ich das verstehen, die kleinen Symbole und vor allem den unübersichtliche Stadtbereich hätte man sicher optimaler gestalten können. Man braucht eben ein, zwei Partien, dann fällt einem das Ganze schnell leichter. Optimal ist es aber zugegebenermaßen nicht ganz.
Auf Anhieb hat mir "Praga Caput Regni" spielerisch besser gefallen als "Underwater Cities". Das Spiel fordert einen extrem, da eine Partie schneller zu Ende ist als einem lieb ist und man seine Aktionen mit Bedacht wählen wollte. Super reizvoll finde ich die Möglichkeiten, seine Aktionsquantität zu erhöhen. Es macht am Ende schon einen riesigen Unterschied, ob ich 16 oder 20 Aktionen durchführen kann.
Generell muss man sagen, dass das Spiel ganz sicher kein Mangelspiel ist. Im Gegenteil - man wird geradezu überschüttet mit Belohnungen. Hier trennt sich dennoch ab einem gewissen Punkt die Spreu vom Weizen. Denn nur, wer (ab etwa der Hälfte des Spielverlaufs) die "richtigen" Boni einsackt, arbeitet effektiv und kommt am Ende auf eine siegbringende Punktzahl.
Auch der Spielablauf bleibt durchweg interessant. Zu jeder Zeit hat man lukrative Optionen und je weiter das Spiel voranschreitet, desto wichtigere Entscheidungen hat man zu treffen. In der B-Note könnte man bemängeln, dass das Spiel zu Beginn spannender erscheint, da man sich dort die Grundfeste seiner Strategie aufbaut und später eher auf wilde Siegpunktjagd geht. Mich persönlich stört das aber nicht, da ich dieses Prinzip mag und mir das Spiel auch genug Möglichkeiten spendiert.
Bleibt das Spiel im Regal? Keine Frage, auf jeden Fall.
Wertungen
Chris: 9 (sehr reizvoll, genau die richtige Spiellänge, ich liebe es wenn man ein wenig Druck verspürt, das Beste aus seinen begrenzen Möglichkeiten zu machen, dabei aber auch zu etwas kommt. Super Verzahnung, interessante Aktionswahl, bis ins Detail zu Ende gedacht, vielleicht einen Tick zu mechanisch)
Sarina: 8 (tolles Spiel, mechanisch super interessant und fordernd, fast ein wenig zu viele Boni, die Optik gefällt mir leider nicht so sehr, Atmosphäre kommt keine rüber)
Klemens: 8 (großartiger Aktionswahlmechanismus, enorm vielseitig und ganz schön knifflig. Hat mir sehr gut gefallen, die Optik ist aber etwas unübersichtlich, teilweise extrem kleine Symbole)
Mit "Praga Caput Regni" liefern Delicious Games ihr bislang bestes Spiel ab. Hervorragende Mechanismen treffen auf großartige Ideen und einen knackigen, sehr reizvollen Spielverlauf. Die Optik wird nicht jedem gefallen und hat durchaus kleine Schwächen, aber dennoch sollte man diesem Titel eine Chance geben. Ansonsten verpasst man ein absolutes Euro-Highlight, das einen wunderbaren Einstieg in die Welt der Expertenspiele bietet.
Text: Chris