Schnelligkeit wird belohnt

2018 etwas in der Spieleflut untergegangen und mir sogar gänzlich unbekannt gewesen, wünschte sich Holger den Hans im Glück Titel "Race to the New Found Land". Ein im Kern recht klassisches Spiel, bei dem frühzeitiges Punkten belohnt wird - ewiges Ansammeln und Horten von Ressourcen ist hier also keine gute Idee. Bereits bei der Spielerklärung machte mich das Ganze sehr neugierig, da sich einige Elemente besonders anhörten. Letztes Endes konnte das Spiel nicht ganz das halten, was es versprochen hatte, aber lohnenswert war das Ganze dennoch.

Wie funktioniert das Spiel?

In vier knackigen Runden aktivieren die Spieler ihre Aktionen durch eigene Schiffe, die sie den jeweiligen Aktionsslots zuweisen. Dabei werden alle Aktionsarten der Reihe nach abgehandelt, wobei jeder entscheiden muss, ob er eines seiner Schiffe dort einsetzt.  Es werden ganz klassisch Waren gesammeln und verkauft sowie Inseln besiedelt und entdeckt. Am Ende jeder Runde werden Aufträge erfüllt und vollständig besetzte Städte bzw. komplettierte Inseln gewertet. Bei dieser Wertung profitieren Spieler mit Mehrheiten in den jeweiligen Städten bzw. auf den Inseln.

 

Wer auf der Siegpunktleiste zügig voran kommt, kann mehrere Meilensteine erreichen, bei denen immer aus einer Karten- oder Ressourcenauslage die lukrativste Option gewählt werden kann. Wer also zuerst kommt, mahlst zuerst. Wer nach vier Runden die meisten Siegpunkte hat, gewinnt.


Was ist das Besondere an "Race to New Found Land"?

Während die eigentlichen Aktionen sehr klassisch daherkommen, vermittelt das "Rennen" auf der Siegpunktleiste, gepaart mit den Mehrheitenwertungen auf Städten und Inseln, einen recht eigenständigen Charakter.

 

Die Spielzeit ist mit vier Runden angenehm knackig, ohne am Ende das Gefühl zu vermitteln, nichts erreicht zu haben. Dadurch, dass man die Anzahl der Schiffe erhöht und zusätzliche Karten erhalten kann, steigert sich die Aktionsquantität und demnach auch der Ertrag. Das Erreichen der Meilensteine auf der Punkteleiste ist nett gemacht, ebenso der catch-up-Mechanismus, durch den zurückliegende Spieler früher die Meilensteine erreichen.

 

Die Tatsache, dass man sich zwar in Spielerreihenfolge für die Aktionen der Reihe nach entscheidet, diese aber entsprechend der eigenen Fahnen in einer anderen Reihenfolge ausführt, bringt eine nette, taktische Komponente ins Spiel.

Wie sehr gefällt es uns?

Insgesamt hat uns das Spiel recht gut gefallen. Die Optik reißt erstmal keine Bäume raus, das Material ist für ein 30€- Spiel okay, dafür zeigt sich das Ganze jederzeit übersichtlich und perfekt ikonographiert. Das Reizvolle, warum ich mich auf das Spiel sehr gefreut habe, war die Kombination der klassischen Aktionen mit einem Wettrenn-Charakter, bei dem zügiges Voranschreiten belohnt wird. Letztes Endes war dieses Spielelement durchaus nett, ohne aber als Alleinstellungsmerkmal durch die Bank zu überzeugen. Wenn man nicht gerade als letzter einen Meilenstein erreicht, ist die Auswahl immer noch recht ordentlich, außerdem ist jede Handkarte am Spielende zumindest zwei Punkte wert. Alle erfüllen ist ohnehin extrem schwierig.

 

Die Spielzeit lag mit vier Spielern bei etwas über 90 Minuten, was sehr für das Spiel spricht. Nur vier Runden sind erstmal eher ungewöhnlich, reichen hier aber vollkommen aus und machen auch den Reiz des Spiels aus. 

 

Eine ordentliche Schippe Zufall hat es aber auch ins Spiel geschafft, denn welche Karten oder Inselteile man zieht (letztere müssen auf eine Insel passen), ist nicht beeinflussbar, was trotz guter Planung vieles erschweren kann. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass das Spiel sehr gut ausbalanciert ist, überall gibt es zumindest einen Trostpreis, sodass niemand völlig leer ausgeht. 

 

Wieder einmal gar nicht gefallen haben uns die Spezialfähigkeiten der einzelnen Länder. Während zwei davon (z.B. eine fünfte Werft) alle Optionen offen lassen, drängen andere die Spieler in eine bestimmte Richtung. Viele mögen das, da so immer eine gewisse Varianz geboten wird und man sich eben anpassen muss, wir tendieren mittlerweile eher dazu, für alle dieselbe Offenheit zu bieten. Zumindest kam es uns nicht so vor, dass eine Fähigkeit besonders stark oder besonders schwach war, aber das war natürlich nur unser Empfinden.

 

Am Ende des Tages diskutierten wir natürlich wie üblich darüber, wie gut das Spiel ist. Unserer Meinung nach ist "Race to the New Found Land" ein gutes, gelungenes Spiel aus der Mittelgewichts-Klasse. Es spielt sich recht flott, bietet genug Raum zum Planen und Taktieren und hat sogar durch die Relevanz, schnelle Punkte zu erzielen, einen eigenständigen Charakter. Dennoch war das Ganze letztendlich weniger frisch, wie es sich anhört. Siegpunkte werden zu einer weiteren Ressource neben Holz, Stein und Gold und müssen beim Optimieren einfach ebenso miteinberechnet werden. Nimmt man diesen Aspekt raus, bietet "Race to the New Found Land" ansonsten wenig Spannendes oder gar Aufregendes, macht aber dennoch Spaß. Daher brauche ich das Siel abschließend nicht selbst in meiner Sammlung, würde aber wohl jederzeit wieder mitspielen.

Wertungen

Chris: 7 (hat mir ganz gut gefallen, knackig und teilweise interessante Entscheidungen, insgesamt aber kein Highlight, da das Spielgefühl nicht wirklich besonders ist)

Sarina: 6 (Optik und Material gefallen mir nicht sonderlich, spielerisch bietet es mir zu wenig, mit einigen Ländern ist die Strategie zu sehr vorgegeben, kann man mal spielen, aber brauche ich nicht unbedingt nochmal)

Holger: 8 (Total unterschätztes, tolles Leichtgewicht - ein Genremix aus Mehrheitenspiel, Rennspiel und Workerplacement, das sich entspannt spielen lässt. Leider zu zweit nicht ganz so toll, zu dritt und vor allem zu viert gefällt es mir sehr gut. Dass Nationen unausbalanciert sein sollen kann ich nicht bestätigen, mit allen ist der Sieg möglich)

Eva: 7 (hat mir in Summe ganz gut gefallen, im Gegensatz zu Sarina finde ich das Spiel optisch auch nicht misslungen, aber spielerisch nicht ganz so gut und reizvoll wie erhofft, zumindest recht zügig gespielt)

FAZIT:

Rundum gelungenes Spiel mit eigenständigem Spielgefühl, knackiger Spielzeit und schöner Mehrheitenwertung. Letzten Endes zeigt sich "Race to the New Found Land" aber nicht ganz so besonders, wie es zuerst den Eindruck macht. Siegpunkte werden zu einer weiteren Ressource und das "Wettrennen" ist letztlich nicht so spannend wie erhofft. Dennoch ein schönes Mittelgewicht, das astrein funktioniert und in seiner Kompaktheit durchaus reizvoll ist.

  

Text: Chris