Epische Hass-Liebe

Hand aufs Herz - dieses Spiel kann man nicht einfach mal so spontan spielen. Eine Partie "Ringkrieg" muss man planen, am besten einen halben Tag. Spielt man mit einem Neuling, sollte der sich lieber einige Tage darauf vorbereiten und selbst dann wird ihn die erste Partie hoffnungslos überfordern. Lohnt sich das wirklich? Könnte man in dieser Zeit nicht drei andere sehr gute Spiele spielen? Ja, könnte man. Aber kein anderes bietet ein solch episches Erlebnis für zwei Spieler. Nicht mal "Star Wars Rebellion". Aber der Preis, den man dafür bezahlt, ist doppelt hoch. Und anstrengend.

 

Wie funktioniert das Spiel?

Wie man sicher denken kann, übernimmt ein Spieler die Seite der Freien Völker inklusive der Gemeinschaft des Rings, der Gegenspieler Saurons und Sarumans Streitmächte sowie die südländische Brut und die Ostlinge. Die Ziele unterscheiden sich dabei: während Sauron und seine Verbündeten für den Sieg 10 Punkte über das Erobern von Städten und Festungen benötigen oder die Ringträger mit der dunklen Macht des Ringes korrumpieren müssen, versuchen Frodo und Sam, den Ring in den Schicksalsberg zu werfen. Zudem können die Freien Völker ebenfalls durch militärischen Sieg gewinnen, sie benötigen dafür "nur" 4 Punkte, was aufgrund der feindlichen Übermacht alles andere als eine einfache Aufgabe ist.

 

Die Aktionswahl läuft über Würfel ab, von denen der Spieler der Freien Völker 4, Sauron dagegen schon 7 hat. Diese Anzahl lässt sich erhöhen, indem Schergen (z.B. der Hexenkönig) oder spezielle Charaktere wie Gandalf der Weiße ins Spiel gebracht werden. Mit den Würfelergebnissen lassen sich dann verschiedenste Aktionen tätigen. Neben klassischen Aktionen wie Rekrutierung, Bewegung, Angriff oder Ereignissen kann sich die Ringgemeinschaft mit dem richtigen Symbol bewegen. Dann schreitet der Bewegungsmarker voran, gleichzeitig kann der Sauron Spieler für den Würfel mit einem Augesymbol (die darf er sogar ohne zu würfeln zuweisen) versuchen, die Gemeinschaft zu entdecken. Gelingt ihm dies, muss sich die Gemeinschaft zeigen, was diverse Nachteile hat und Zeit kostet.

 

Die Gemeinschaft des Rings startet - wie auch im Film - aus Bruchtal. Jederzeit lassen sich aber Gefährten von der Gemeinschaft trennen, um an Kämpfen teilzunehmen oder Völker zu aktivieren, um mit diesen militärisch eingreifen zu können. Dies ist auch Voraussetzung, wenn man Aragorn zum König oder aus Gandalf den Grauen, Gandalf den Weißen machen will.

 

Beide Spieler erhalten jede Runde Handkarten, mit denen sich - sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind - Ereignisse ausspielen lassen. Alternativ bieten diese Karten in der unteren Hälfte auch Kampfeffekte für die Schlachten. Das Spiel bietet natürlich allerlei Detailregeln wie das Verbarrikadieren in Festungen, Belagerungskämpfe, Elite und Anführer-Einheiten oder bestimmte Charaktereigenschaften.

Was ist das Besondere an "Der Ringkrieg"?

Zunächst einmal ist es natürlich die fantastische Atmosphäre, die hier auf den Tisch gezaubert wird. Diese steigt natürlich noch mit bemalten Miniaturen und Extra-Material, doch bereits in der Grundversion bringt "Ringkrieg" die epische Reise der Hobbits und den Kampf um Mittelerde hervorragend rüber. 

 

Thematisch haben wir eine sensationell umgesetzte Spielmechanik mit vielen Facetten, harten, taktischen Entscheidungen und enorm vielen Möglichkeiten. Trotz der asynchronen Voraussetzungen ist das Spiel extrem gut ausbalanciert.

 

Zu erwähnen ist außerdem, dass der Verlauf der Geschichte nicht identisch mit der Buch- oder Filmvorlage sein muss. Gute "Ringkrieg"-Spieler reagieren auf die jeweilige Spielsituation und machen ihre Entscheidungen davon abhängig. 

Wie sehr gefällt es uns?

Ich habe es schon öfter erwähnt - "Ringkrieg" ist eines meiner absoluten Lieblingsspiele, wenn nicht sogar das Spiel, das mich am meisten fasziniert. Das liegt zum einen daran, dass ich Herr der Ringe liebe, zum anderen aber vor allem an der unfassbar genialen Brettspielumsetzung. Das Spiel schafft es tatsächlich, das monumentale Ausmaß der Vorlage zu transportieren und bietet den Spielern ein enorm spannendes, taktisch anspruchsvolles Vergnügen. Alles, was man sich in so einem Ringkrieg vorstellt, ist hier möglich. Gefährten beliebig von der Ringgemeinschaft trennen und die Geschichte neu schreiben? Kein Problem! Große Schlachten in Städten und Festungen? Aber natürlich! Militärischer Sieg auch für die Freien Völker möglich? Ja, wenn man es geschickt und clever anstellt! Saruman, der Hexenkönig, Baumgart, die Ringgeister, der Balrog, die untote Armee? Jaaaa, alles dabei. Alles, was man sich eben so vorstellen kann, vor allem mit den beiden Erweiterungen. Mehr Herr der Ringe geht einfach nicht.

 

Als stolzer Besitzer der Collectors Edition bin ich jedes Mal verblüfft, wie phänomenal das Spiel allein bereits nach dem Aufbau aussieht. Über Boardgamegeek gibt es ein alternatives deutschsprachiges Spielbrett (ein weiteres steht kurz bevor), das meiner Meinung nach etwas mehr Mittelalter-Flair versprüht, allerdings schätze ich auch das buntere, übersichtlichere Originalbrett. Das Spielbrett der Collectors Edition ist deutlich größer als das der normalen Version. Dies ist von Vorteil, da der Platz für die vielen Miniaturen schnell eng werden kann. Bei mir sowieso, da ich weiteres 3D-Material wie Berge und Orte habe drucken lassen, das ebenfalls Platz wegnimmt. Für mich sind diese Upgrades aber nicht mehr wegzudenken, denn damit wird einem eine überwältigende Optik geboten.

 

Natürlich sind die 120 Minuten auf der Spieleschachtel alles andere als realistisch, drei bis fünf Stunden kann das Ganze schon dauern. Aber ganz ehrlich ... jede Minute davon ist es wert. Ohne Frage, ich liebe dieses Spiel.

 

Gleichzeitig - und das bringt mich fast um den Verstand - hasse ich es aber auch. Ich hasse es dafür, dass ich es viel zu selten spielen kann. Die Betonung liegt hier auf kann, denn dieser geniale Spielspaß kommt nur dann ans Licht, wenn man einen passenden Mitspieler hat. Und das ist ehrlich gesagt schwieriger als bei allen anderen Spielen in meinem Regal. 

 

Die Einstiegshürde ist immens hoch, man muss als Erklärer schon ordentlich Zeit investieren, um alles zu verstehen und sicher drauf zu haben. Das über vierzigseitige Regelheft erscheint allerdings heftiger als es wirklich ist, vieles wird immer wieder wiederholt, was erstmal durchaus hilfreich ist. Auch die Aktionen an sich und der eigentliche Spielablauf sind nicht schwer zu verstehen, die eigentliche Hürde sind die die vielen kleinen Regeldetails. Will man "RIngkrieg" ordentlich spielen, muss man diese beherrschen, die Charakterfähigkeiten kennen und im Blick haben sowie generell auf dem Spielbrett die Übersicht bewahren. Das gestaltet sich ohne bemalte Figuren und auf dem kleineren Spielbrett oft als Herausforderung, was schade ist, da dadurch der Spielspaß deutlich leiden kann. Leider ist das auch mein allergrößter Kritikpunkt: jemanden zu finden, der sich so in dieses Spiel reinarbeitet, damit das grandiose Feeling und die taktische Tiefe voll zum Tragen kommt, ist schwierig. Glücklicherweise habe ich zwei, drei solcher Mitspieler. Leider nicht meine Frau Sarina. Aber ich kann mir vorstellen, dass der Großteil der Spieler hier abwinkt und diese enorme Hürde nicht überspringen will oder kann.

 

Die Glückskomponente im Spiel ist nicht wegzureden, immerhin zieht man zufällige Karten und Jagdplättchen und man löst die meisten seiner Aktionen durch Würfelergebnisse aus. Auch in den Schlachten entscheiden Würfel und Karten über den Ausgang des Kampfes. Dennoch hat man überall genügend Einflussmöglichkeiten, um das Schicksal zu modifizieren. Letztendlich benötigt man natürlich aber dennoch hier und da auch mal das gewisse Quäntchen Glück.

 

Abschließend möchte ich sagen, dass dieses Spiel für mich auch deswegen ein ganz besonderes ist, da man hier ein Level an Spannung, Epik und Spielspaß geboten bekommt, das im Gedächtnis bleibt. Oft ist eine "Ringkrieg"-Partie sogar noch spannender als die Filme, sofern man Mitspieler hat, die sich in dieser Welt wohlfühlen. Ich habe das Spiel fast ausschließlich mit Herr der Ringe-affinen Spielern gespielt. Spieler, die mit der Vorlage nichts anfangen konnten, waren dann auch nicht bereit, so viel Zeit in die Einarbeitung zu stecken.

Wertungen

Chris: Eines meiner absoluten Lieblingsspiele aller Zeiten, optisch mit CE und dem ganzen Zusatzmaterial bombastisch, spielerisch ein immer wieder episches, in Erinnerung bleibendes Erlebnis)

Sarina: keine Wertung (Ich habe es echt mehrmals versucht, bin aber krachend gescheitert. Herr der Ringe gibt mir nichts, ich kenne weder Orte noch Charaktere, daher kann und will ich mich in dieses enorm komplexe Spiel nicht reinarbeiten. Auf den Karten steht mir viel zu viel Text, den ich nicht verstehe, da mich alles andere drum herum einfach kalt lässt. Es ist ganz einfach nicht mein Spiel und somit kann ich es auch nicht bewerten, ohne richtig 

                          verstanden zu haben, was das Spiel in der Tiefe bietet)

Holger:

Wertung steht noch aus, wird im Laufe des Jahres geupdatet :) 

FAZIT:

Ihr seid Herr der Ringe-Fans und Expertenspieler, die vor einem über vierzigseitigen Regelwerk und einer Spieldauer von drei bis fünf Stunden nicht abgeschreckt werden? Ihr wollt die gesamte Epik der "Herr der Ringe"-Geschichte mit all seinen Völkern, Ländereien und abscheulichen Bösewichten zu zweit auf dem Spieltisch erleben? Dann ist "Der Ringkrieg" das perfekte Spiel für Euch. Vorausgesetzt ihr habt noch so einen Verrückten, der bereit ist, sich in dieses Spiel zu kämpfen und es in seiner Gänze zu verstehen.

 

Kein anderes Spiel schafft es, eine solche Atmosphäre zu zaubern, nirgendwo anders gibt es mehr "Herr der Ringe"- Flair. Spielmechanisch großartig konzipiert, zudem das wohl ausbalancierteste Spiel aller Zeiten. 

 

Es gibt FÜR MICH nichts anders als die Höchtwertung für dieses grandiose Brettspielerlebnis in der Collectors Edition. Auch wenn es aufgrund der Einstiegshürde viel zu selten auf den Tisch kommt.

 

Dennoch eine Warnung, die ich trotz der Liebe zu diesem Spiel aussprechen muss: auf den Bildern seht ihr die Collectors Edition mit bemalten Figuren sowie zusätzliche 3D-Elemente. Das alles ist nicht in der normalen Version enthalten, was natürlich Atmosphäre kostet. Vor allem aber leidet die unbemalte Grundversion an Übersichtsproblemen, denn einerseits ist die Karte für die vielen Figuren fast schon zu klein, des Weiteren kann man die Miniaturen der einzelnen Völker viel schlechter auseinanderhalten, was mich persönlich extrem stören würde. Daher mein Tipp: die Figuren zumindest grundieren und einfarbig in der Völkerfarbe bemalen. Das ist kein Hexenwerk, meiner Meinung nach aber sehr sinnvoll. 

 

Text: Chris