Zu viele Kutschen mit Sand im "Getriebe"

Ich schreibe nicht um den heißen Brei herum, sondern sage es heute mal direkt: Robin Hood and the merry men hat uns mehr als enttäuscht. Das Thema hatte uns alle angesprochen, das tolle Spielmaterial sowieso, dennoch wollte sich so gut wie überhaupt kein Spielspaß einstellen. Warum das so ist, erläutere ich im Folgenden.

Wie funktioniert das Spiel?

Das Spiel läuft semi-kooperativ - das heißt, dass zwar derjenige gewinnt, der am Ende die meisten Siegpunkte ergattert hat, allerdings nur, wenn nicht zu viele Wachen des Sheriffs die Orte belagern und zu viele Münzen von den Straßen einkassiert wurden.

Jede der vier bis fünf Spielrunden ist in zwei Phasen unterteilt. Zuerst sind die merry men im Einsatz; die Gefährten der Helden um Robin Hood agieren im Workerplacement-Modus und sammeln Ressourcen, Geld, bauen Barrikaden und Fallen oder werden auf Königsmission geschickt. Dies geschieht neben dem Besetzen von Einsatzfeldern auf dem Spielplan, gekoppelt durch das Ausspielen von Gefährtenkarten, die man entweder passiv spielt und ein zentrales, schwächeres Ortsfeld besetzt oder aktiv. Letztere Möglichkeit aktiviert dann die Kartenfunktion, die jetzt mit dem jeweiligen Ort übereinstimmen muss, und ist etwas stärker als die passive Option.

 

Im Anschluss sind die Helden an der Reihe, nachdem zufällig Wachen des bösen Sheriffs Orte belagern, Kutschen zum Schloss fahren (was man verhindern muss) und die drei Bösewichte des Spiels hier und da das Räuberleben erschweren. 

 

Was ist das Besondere an Robin Hood and the Merry Men?

Neben der angesprochenen semi-kooperativen Spielmechanik sind es vor allem die sehr gelungenen thematischen Aktionen, die eine besondere Erwähnung verdienen: Man kann reiche Leute bestehlen und bei einem Scheitern verhaftet werden, man überfällt Kutschen des Sheriffs und erlangt dadurch Ansehen, baut Barrikaden und Fallen, um die Kutsche und Wächter auf dem Weg ins Schloss aufzuhalten. Die Helden können an Wettbewerben mit Pfeil und Bogen teilnehmen, um ihr Münzkonto aufzustocken und müssen natürlich auch passende Waffen für den Kampf sammeln. All das passt hervorragend zum Thema, die konzeptionelle Idee ist ein großes Lob wert.

 

Auch die Optik des Spiels kann man nur als phänomenal bezeichnen. In der Deluxe-Ausgabe spielen wir mit wunderbaren Helden- und Bösewichtfiguren; die Barrikaden, Fallen, Kutschen und Ressourcen sind allesamt schöne Holzteile. Auch die Illustrationen sind mal wieder sensationell, allerdings ist der Spielplan für die Fülle an Orten, Infotafeln und Einsatzfeldern etwas zu eng und unübersichtlich geraten.

Wie sehr gefällt es uns?

Leider hat sich der Spielspaß enorm in Grenzen gehalten, denn allesamt haben wir gleich mehrere größere Probleme mit dem Spiel. Für die Spiellänge von mehr als zwei, teilweise drei Stunden bei vier oder fünf Spielern ist der Glücksanteil durch die Karten enorm. Man ist dermaßen eingeschränkt in seinen Aktionen, dass man oft auffällig wenig sinnvolle Optionen hat. Klar, man kann die Karten passiv spielen, aber hier erhält man nur wenig Ertrag und kann zudem nicht alle Felder wie z.B. das Bauen aktivieren. Noch viel schlimmer sind die drei königlichen Auftragskarten, mit denen man am Ende Siegpunkte generieren kann. Mit etwas Pech erhält man hier drei enorm schwache Karten, während andere die Möglichkeit erhalten, gut die dreifache Anzahl an Punkten zu machen.

Des Weiteren lassen sich manche Karten in keinster Weise aus eigener Kraft erfüllen, da es völlig zufällig ist, wo Wächter und Bösewichte auftauchen. Da man den Startspieler nicht aktiv ändern kann, bedeutet das, dass selbst wenn ich an einem Ort alle Wächter auf den vier Unterschlupffeldern besiege (was eine Karte fordert), beim nächsten Spieler sofort wieder neue Wächter eintreffen können. Solche unbeeinflussbaren Dinge gibt es hier zuhauf, was in unseren Runden zu absolutem Unverständnis und Missfallen geführt hat.

 

Hinzu kommt ein weiteres großes Problem: die Regeln und der Spielfluss. Die Regeln sind üppig und ziemlich fordernd, denn überall gibt es kleine Sonderregeln, die das Spiel unnötig verkomplizieren. Das gibt es in vielen Spielen, aber hier ist es so dermaßen ungeschickt konzipiert, dass es nervt. Und auch der Spielfluss hakt enorm, da sich die Einzelteile der Spielmechanik zu konstruiert anfühlen. Natürlich kommt man rein, je öfter man es spielt, aber letztendlich hat uns das Spiel an sich einfach kaum Spaß gemacht. Emotionen bleiben auf der Strecke und so interessant das Konzept, gemeinsam gegen den Sheriff und dessen Schergen spielen zu müssen, auch ist - das, was man in diesem Spiel tut, hat bei uns wenig bis keine Euphorie oder gar einen besonderen Reiz ausgelöst. 

 

Auch die Ikonographie ist nicht durchgängig überzeugend, viele Symbole sind extrem klein und ähneln sich (Eisen und Holz). Es ist zudem unverständlich, weshalb die beiliegende Spielhilfe so lückenhaft ist und die Siegpunkte- und Ansehengenerierung, die sich bei verschiedenen ähnlichen Aktionen doch sehr unterscheidet, nicht irgendwo übersichtlich dargestellt wird.

Wertungen

Chris: 4 (die Ideen, die im Spiel stecken, gefallen mir. Das Spielen selbst hat mich jedoch vollkommen enttäuscht. Der Spielfluss war eine Katastrophe und neben all den angesprochenen Schwächen hat es mich einfach kalt gelassen)

Sarina: 4 (schon lange nicht mehr so wenig Spaß bei einem abendfüllenden Spiel gehabt. Total der Willkür der Karten ausgesetzt, wenig Spannung und zäher Spielablauf. Nee, das muss ich nicht nochmal spielen)

Holger: 4 (ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so schwer in ein Spiel reingekommen bin. Die Auftragskarten sind ein schlechter Witz und der Kartenzufall ist hier extrem hoch. Mit dem Würfelglück hab ich kein Problem, aber wenn man drumherum so wenig Sinnvolles machen kann, ist das extrem unbefriedigend)

Mark: 4 (ganz kurz: schwaches Spiel. Hat mir nicht sonderlich gefallen)

Eva: 5 (fand es okay, aber hatte viel mehr erwartet. Das Spiel sieht so gut aus, aber die Spielmechanik hat auch mich nicht überzeugt. Zu viele Miniregeln und am Ende des Regelpaukens macht man dann doch extrem wenig Sinnvolles)

FAZIT:

Robin Hood und seine Merry Men haben es in keinster Weise geschafft, sich einen festen Platz in unserem Spielregal zu erkämpfen. Die Optik ist super, das Thema wurde wunderbar eingeflochten, doch der eigentliche Spielablauf ist zäh, von zu viel Zufall geprägt und letztlich für die Fülle an Regeln nicht reizvoll genug.

 

Unserer Meinung nach wurden hier viele Regeln um ein Spielgerüst netter Ideen ohne ein Gespür für gutes Spielgefühl konstruiert.

 

Text: Chris