Verlag: Leder Games  Autor: Cole Wehrle  Spieldauer: 60 -90 Min    Spieleranzahl: 2-4

Von Krieg und Knuffigkeiten

Das Strategiespiel Root behandelt den Kampf um die Vorherrschaft in einem friedlich anmutenden Märchenwald. Doch die kunterbunte Fassade täuscht! Die überaus niedlichen und liebevoll gezeichneten Waldbewohner rüsten sich zu einem unerbittlichen Kampf! Noch halten die „Marquise de Katz“ den Wald fest in ihren Pfoten. Doch ihre geflügelten Erzfeinde, die „Horst-Dynastien“, haben sich aus den Baumwipfeln erhoben und rücken mit ganzen Geschwadern von Piepmätzen in die Schlacht. Gleichzeitig rebellieren wagemutige Mäuse gegen die Herrschaft der Plüschtiger und irgendwo inmitten all diesen Chaos streift ein einsamer und verwegener Waschbär durch den Wald auf der Suche nach Abenteuern. In Root treten vollkommen unterschiedliche Fraktionen mit unterschiedlichen Plänen und Taktiken in den Ring. So unterschiedlich sie auch sein mögen, sie haben doch eins gemeinsam: Sie sind einfach unbeschreiblich knuffig.  

Bekannte Storypfade - einfacher Einstieg

In "Root" wählt sich zunächst jeder Spieler eine der verschiedenen Tiergruppen des Waldes. Diese Wahl ist bereits enorm entscheidend, denn die einzelnen Fraktionen spielen sich vollkommen unterschiedlich, haben andere Rundenabläufe, andere Möglichkeiten, Siegpunkte zu erlangen, und sogar zum Teil andere Spielregeln. In der Basisversion sind das der Marquis de Katz, mit seinen grimmig schauenden Katzen, die Horst Dynastie der Vögel, die Waldrandallianz der Mäuse und der Vagabund, als eine ein-Mann-Armee. Man merkt bereits hier an der Namensgebung und dem Design, wieviel Kreativität und Liebe zum Detail in dem Spiel stecken, aber bleiben wir zunächst bei den Regeln.

 

Die Schlacht um den Wald findet auf einem liebevoll designten Spielbrett statt, dass den Wald in mehrere Lichtungen unterteilt. Lichtungen sind mit Wegen untereinander verbunden und jeweils immer einer Tiergattung zugeordnet: Maus, Fuchs oder Hase. Auf diesen Lichtungen können die einzelnen Fraktionen ihre Krieger platzieren, Kämpfe ausfechten, Gegenstände herstellen oder Gebäude errichten. Es gilt also sich eine Strategie zurecht zu legen, seine Krieger und Gebäude geschickt zu platzieren und den Spielplan stets im Auge zu behalten. Immerhin schlagen sich hier 4 Fraktionen (mit Erweiterung bis zu 7) in einem jeder-gegen-jeden die Rübe ein. 

Die verschiedenen Optionen, die man während seines Zuges hat sind dabei hat sind enorm vielfältig und um nicht den Überblick zu verlieren erhält jeder Spieler ein Tableau für seine Fraktion auf dem im Stil einer ToDo-Liste steht, welche Aktionen man durchführen darf und in welcher Reihenfolge. Bereits hier fällt auf, dass die einzelnen Parteien sich nicht nur in einigen Details, sondern in ihrer gesamten Spielweise vollkommen voneinander unterscheiden.

Die Katzen zum Beispiel sind zu Beginn des Spiels massiv in der Überzahl und dürfen ihre Krieger doppelt so weit bewegen, als jede andere Fraktion. Dafür sind sie aber die einzigen die einen Rohstoff (Holz) brauchen zum Gebäude zu errichten und müssen selbigen auch noch zur jeweiligen Baustelle transportieren. Eine solche Notwendigkeit gibt es für die anderen Spieler einfach nicht.

Die Vögel hingegen müssen ihre Handkarten verwenden, um ihre Züge zu „programmieren“: Sie müssen planen wann sie bei welchen Lichtungen ankommen und was sie dort tun wollen werden. Einmal abgelegt, ist dabei für den Spieler bereits größtenteils festgelegt, welche Aktionen sie/er in dieser Runde durchführen muss. Nur die Ausführung gilt es jetzt noch zu planen.

Die Mäuse haben zu Spielbeginn nicht mal eine einzige Figur auf dem Feld, können aber „Sympathiemarker“ verteilen, mit denen sie gezielt Revolten auslösen und damit Lichtungen komplett von allen anderen Fraktionen befreien können. Zwar gelten für sie modifizierte Kampfregeln, aber eine auf Aggression setzende Spielweise scheidet hier aufgrund ihrer massiven Unterzahl vollkommen aus.

Der Spieler, der sich für den Vagabunden entscheidet, kommandiert nicht mal eine eigene Armee und kann keine Gebäude bauen, sondern hat nur einen einzigen Spielstein zur Verfügung, nämlich sich selbst. Dafür darf er den Wald außerhalb der Lichtungen, also Bereiche die eigentlich gar nicht Teil des Spielfeldes sind, für seine Bewegung nutzen und er ist der Einzige der Gegenstände benutzen kann, während andere Fraktionen diese nur herstellen dürfen. Die Gegenstände bestimmen dann, welche Aktionen er ausführen darf.  

 

Man merkt hier bereits das wohl herausstechende Merkmal von Root: Die Asymmetrie der Fraktionen erreicht hier ein Ausmaß, dass ich noch in keinem anderen Spiel so gesehen habe. 

 

Unfassbar charmant

Fangen wir bei der Knuffigkeit an. Es hat schon einen Grund warum neben dem Erfinder Cohle auch Kyle Ferrin Wehrle als Illustrator namentlich auf der Schachtel erwähnt wird. Die Zeichnungen auf den Tableaus und den Karten sind einfach zum knuddeln süß. An dem kleinen Häschen mit den Kulleraugen, das stolz seinen Karottenkuchen präsentiert oder der tapferen kleinen Maus, die wagemutig ein Schwert schwingt, das viel größer ist als sie selbst, kann man sich kaum satt sehen.

Verspielte kleine Details finden sich zudem noch auf den Spielfiguren. Der verschlagene Blick der Katzen oder die großen unschuldigen Augen der Mäuse, die wie wandelnde Toastbrote aussehen, geben dem Spiel eine ganz besondere Atmosphäre.

Hinzukommen weitere Kleinigkeiten, wie z.B., dass die Spielregeln auch in Form von Paragraphen, dem „Gesetz von Root“ nochmal zusammengestellt sind. Allerdings liest sich das nicht immer ganz einfach, da hinter jedem Paragraphen mit einem Symbol markiert ist, für welche Fraktionen dieses Gesetz überhaupt Gültigkeit hat.

 

Allein die Gebäude gehen hier etwas unter, den hierbei handelt es sich nur um Pappplättchen, die im Allgemeinen recht lieblos daherkommen. Liebhaber des Spiels können aber 3D gedruckte Alternativen erwerben, um auch diesem Manko Abhilfe zu schaffen. 

Asymmetrie – Unendlicher Wiederspielwert oder maximale Verwirrung

Wie bereits erwähnt, wird die Asymmetrie der spielbaren Parteien auf ein sehr krasses Niveau gehoben. Jede Fraktion ist von Grund auf anders, spielt sich völlig unterschiedlich, hat andere Regeln und intensiviert sogar andere Genretypen von Spielen, wenn man es genau betrachtet. Das Spiel gibt sogar einen Schwierigkeitsgrad für jede Fraktion an.

Wählt man z.B. die Katzen muss man seine Truppenstärke und die verbesserte Mobilität nutzen, um sich auf die Bedrohungen der anderen Spieler konzentrieren und rechtzeitig einschreiten. Dabei muss man vor allen Dingen dabei das Wegnetz im Auge behalten, damit der Holztransport nicht unterbrochen wird. Es muss also abgeschätzt werden, welche Spieler eine potentielle Gefahr sind und welche Lichtungen für die eigene Strategie wichtiger sind, als andere.

Die Vögel wiederum müssen praktisch jede Runde kämpfen und außerdem übernimmt ihre besondere Mechanik viele Entscheidungen für den Spieler: Einmal programmiert, gilt es nun, das beste aus der bereits vorgegebenen Aktionsreihenfolge zu machen. Damit eignen sich die Vögel sehr gut für Spieler mit aggressivem Spielstil, die nicht übermäßig lange planen wollen.

Ganz anders der Vagabund, der mit seinen Gegenständen eher ein gutes Ressourcen Management vom Spieler verlangt. Er kann sich aus dem Konflikt der anderen raushalten oder sich einmischen, ganz wie es ihm beliebt.

Und die Flussvolk-Fraktion aus der Erweiterung lebt vom Handel; mit ihnen muss der Spieler am Tisch auf einmal interaktiv werden und die anderen Spieler möglichst geschickt bequatschen, um seine Waren und Dienstleistungen zu verkaufen.

Dieses Konzept impliziert einen schier unendlichen Wiederspielwert! Spielt man das Spiel ein weiteres Mal und wechselt einfach nur die Fraktionen durch, ändert sich absolut alles. Man hat wirklich das Gefühl gleich ein komplett neues Spiel zu spielen. Und damit wird es nie langweilig.

Leider bewirkt diese Asymmetrie auch das größte Problem des Spiels: Man verliert unglaublich schnell den Überblick! In Strategiespielen legt man sich ja für gewöhnlich seine Marschroute fest, fokussiert sich auf seine eigenen Züge und beobachtet dann, was die anderen tun. Versucht man in Root aber nach einem erfolgreichen Zug umzuschalten, merkt man schnell: „Hoppla, die machen ja alle was ganz anderes!“ Auch der erfahrenste Spieler wird hier an seine Grenzen stoßen. Ich muss es so direkt sagen: Spielt man das Spiel zum ersten Mal ist es praktisch unmöglich zu verstehen, was eigentlich auf dem Tisch gerade passiert! Ein großes Problem, das damit verbunden ist, ist außerdem, dass Regelverstöße oftmals überhaupt nicht bemerkt werden. Schließlich kann es sein, dass die jeweilige Fraktion eine essentielle Regel, die für eine andere gilt, gar nicht befolgen muss. Bei meinen ersten Partien Root wurden jedes Mal solche Fehler gemacht, die erst im Nachhinein auffallen. Denn bevor es einem in den Sinn kommt zu fragen „Darfst du das überhaupt?“ versucht man erstmal zu begreifen „Was tust du da eigentlich?“. Ich übertreibe hier nicht. Als ich das Spiel in einer Runde auf den Tisch brachte, hatte einer meiner Mitspieler erst in der letzten Runde verstanden, dass die Katzen Holz sammeln, was die Grundlage all ihrer Züge ist.

Ich muss es so direkt sagen: Wenn ihr Root zum ersten Mal einer Gruppe präsentiert, wird diese Runde enorm frustrierend! Denn nicht nur braucht ihr eine Ewigkeit um die Regeln zu erklären, denn jeder Spieler hat ja andere Regeln; nein, sobald das Spiel startet, spielt jeder Spieler nur noch für sich und wird die anderen am Tisch mit einem Tunnelblick ausblenden. Die eigene ToDo- Liste ist schon umfangreich genug. Da muss man nicht noch eine zweite oder gar dritte anschauen, die nochmal komplett anders aussieht. Hinzu kommt, dass Root es – je nach Strategie oder Kartenglück – erlaubt ziemlich beeindruckende Züge abzuliefern, die locker mal 10 oder mehr Punkte bringen. Und 30 Punkte gewinnen ja das Spiel! Das bedeutet, eure erste Partie Root sieht wahrscheinlich so aus: Locker 1,5h Regeln erklären, dann geht jeder nur stur seine Liste durch in Ermangelung einer Strategie (denn so gut kennt man die Kniffe des Spiels ja noch nicht) und auf einmal hat jemand gewonnen und keiner weiß so recht warum! Ja es klingt etwas überspitzt, aber genauso ist mir das nun schon in drei verschiedenen Runden passiert.

 

Meiner Meinung nach braucht ihr mindestens 3 Partien bis bei allen Spielern der Knoten platzt und man die verschiedenen Mechaniken und Strategien durchschaut hat. 

 

Wie sehr gefällt es uns?

Aber es lohnt sich, sich da rein zu fuchsen. Ich mag dieses Spiel wirklich sehr! Das ganze Setting mit seinen liebevollen Figuren und Zeichnungen vermitteln einen unglaublich spaßigen Mix von knuffigen Knuddeltierchen und einem knallharten Strategiespiel. Das Spiel hat eine gesunde Mischung von Glück und Taktik und je nach Wahl der Fraktionen kann man vollkommen andere Spielmechaniken ausprobieren. Zugegeben, die Handkarten diktieren manchmal schon sehr, welche Optionen man hat, aber wie gesagt finde ich, die Entwickler haben eine sehr gute Mischung hinbekommen. Und je nach Lust und Laune, kann ich schon bei der Wahl der Partei, die ich spiele, ein wenig bestimmen was passieren wird. Will ich Aufbaustrategie und einen von langer Hand geplanten meisterhaften Zug umsetzen, der die anderen von den Socken hat, wären der Echsenkult aus der Erweiterung oder die Mäuse eine gute Wahl, will ich Krawall und Kampf nehme ich mir die Vögel. Falls ihr also ein Spiel sucht, dass ihr mit einer konstant bleibenden Gruppe immer wieder spielen möchtet, ist Root eine großartige Wahl, denn es wird niemals langweilig.

 

Allerdings müsst schon Zeit investieren. Alle Spieler sollten mit dem Spiel vertraut sein und ein ähnliches Level haben. Und falls ihr es zum ersten Mal spielt: Bringt um Gottes Willen viel Zeit mit und seid gewarnt, dass das Spiel zu Beginn enorm frustrierend ist! Aber wenn ihr euch die Zeit nehmt und irgendwann die Strategien blickt, könnt ihr hier wirklich eine Menge Spaß haben! 

 

Kleiner Tipp für Kenner – The Underworld Expansion

Ein letzter Tipp noch von mir: Wenn ihr das Spiel öfters spielt, haltet die Augen offen nach der Erweiterung „Underworld Expansion“. Ich kenne sie nur vom online Spielen und soweit ich weiß ist sie in Deutschland (noch?) nicht zu haben. Aber diese Erweiterung hat echt alles, um dem Wiederspielwert, der ohnehin enorm ist, nochmal eine Schippe drauf zu setzen. Zwei neue Spielbretter (See und Gebirge) mit völlig neunen Mechaniken, ein komplett neues Kartendeck, das gegen das alte getauscht werden kann und mit den Maulwürfen endlich eine Fraktion, die die Katzen in Punkto Masse und Mobilität ablösen kann und sich trotzdem sehr einfach spielt.  


Wertungen

Mark: 7 (tolles Spiel, für das man aber eine feste Spielgruppe haben muss, ansonsten verliert das Spiel die Magie, die es entwickeln kann)

Chris: 8 (überragendes Spiel, das in der richtigen Gruppe voll einschlagen kann. Da ich immer gern bezüglich Spielauswahl variiere, es selten auf den Tisch kommt und ich die Möglichkeiten nur ankratze, ist es für mich zwar ein knappes Highlight, aber nicht mehr)

FAZIT:

Ein großartiges und enorm vielseitiges Spiel. Nicht übertrieben taktisch und mit einer wundervoll niedlichen Optik. Aber ihr müsst eine ziemliche Hürde überwinden und sehr viel Zeit investieren, bis ihr das Spiel wirklich versteht. Ich empfehle das nur für Gruppen, die sich auf längere Zeit darauf einlassen möchten. 

  

Text: Mark