Bombastkino auf dem Spieltisch

"Scythe", der Kickstartererfolg aus 2015, erzählt eine alternative Vergangenheit in Osteuropa. Riesige Mechs fiktiver Nationen stapfen durch das Land - der Krieg hat überall seine Spuren hinterlassen. Feuerland sei Dank gibt es die deutsche Brettspielausgabe und die steht der Kickstarter-Variante in Punkto Ausstattung in nichts nach. Zumal es unzählige Upgrades für dieses Spiel gibt, mit denen "Scythe" sicherlich zu einem der eindrucksvollsten Spiele überhaupt zählt.

Wie funktioniert das Spiel?

Nachdem jeder Spieler eine zufällige Fraktion und ein Aktionstableau erhalten hat, geht es reihum los. Ist man am Zug, aktiviert man eine seiner vier Spalten des Tableaus, wodurch man zuerst die obere Aktion und im Anschluss - sofern die Kosten bezahlt werden können - die untere ausführt.

Während die oberen Aktionen Bewegungen und Ressourcenproduktion bzw. Handel ermöglichen, sind es vor allem die kostspieligen unteren Aktionen, die den Bau von mächtigen Mechs, Gebäuden, Entwicklungen und Rekrutierungen auslösen.

 

Dadurch, dass die Startregionen von zu Beginn unüberwindbaren Flüssen und Seen umringt sind, gilt es zunächst einmal, die Weichen für einen Marsch ins Landesinnere zu stellen, was über Stollen oder Mech-Fähigkeit "Waten" geschehen kann. Anführer lassen sich ebenfalls bewegen, nur sie lösen spezielle Events aus, die lukrative Boni bringen. Gelangt ein Anführer in die Fabrik, das zentrale Feld des Spielplans, darf er sich eine der ausliegenden Fabrikkarten nehmen und hat ab sofort fünf anstatt vier Aktionsmöglichkeiten.

 

Auch Kampfhandlungen gibt es in "Scythe", die mittels dem Ausgeben von gesammelten Stärkepunkten und dem Spielen von Kampfkarten absolviert werden. Kämpfe können dabei nur von Anführern und Mechs ausgelöst werden.

 

Natürlich haben alle Fraktionen ihre Besonderheiten und speziellen Sonderfähigkeiten, so können die Nordischen Königreiche direkt zu Beginn bereits schwimmen. Essentiell für die Endwertung sowie das Auslösen des Spielendes sind die Sterne, die man für allerlei Errungenschaften und Fortschritte wie z.B. gewonnene Kämpfe oder dem Bau aller Mechs oder Gebäude erhält. Je nachdem, wie hoch dann am Ende das eigene Ansehen ist, werden diese Sterne entsprechend stark gewertet. Des Weiteren gibt es Siegpunkte für andere Elemente wie erfüllte Aufträge oder kontrollierte Gebiete.


Was ist das Besondere an "Scythe"?

Ein Blick genügt, um festzustellen, dass Scythe phänomenal gut aussieht. Setting, Artwork und Spielmaterial sind unfassbar gut, allein die Spielertableaus mit ihren Vertiefungen sehen hervorragend aus. Zudem bietet das Spiel allerlei Upgrade-Möglichkeiten, die ich hier gar nicht alle aufzählen will. Wir selbst haben die Neoprenmatte, das Extended Board sowie die Deluxe-Ressourcen. Diese werten die ohnehin schon tolle Optik noch weiter auf und sorgen dafür, dass Scythe mit das Spektakulärste ist, was man so auf den Spieletisch bringen kann, jetzt von Kickstartern mit allerlei Plastik mal abgesehen.

 

Auch spielerisch hat "Scythe" das gewisse Etwas. Die Konzeption, dass viele Errungenschaften Sterne bringen und diese in Abhängigkeit des Ansehens gewertet werden, ist interessant und anspruchsvoll. Auch das, was auf dem Spielplan letztlich passiert, gibt es so in dieser Weise in keinem anderen Spiel. "Scythe" hat so einige Alleinstellungsmerkmale, große wie kleine. 

Wie sehr gefällt es uns?

Wir spielen "Scythe" wirklich gerne. Allein der Anblick, der sich einem auf dem Spieletisch bietet, macht jedes Mal eine Freude. Das Setting ist cool, ebenso die Asymmetrie der Völker - wirklich jedes Spiel bringt neue Herausforderungen mit sich. Spielerisch muss man sagen, dass Jamey Stegmaier hier wirklich tolle Arbeit abgeliefert hat. Die Ideen, die im Spiel stecken, sind großartig, teilweise phänomenal, was dafür sorgt, dass "Scythe" ein einzigartiges Erlebnis bietet, das man so in keinem anderen Spiel bekommt. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Die Aktionen an sich sind thematisch und dass Ressourcen nicht einkassiert, sondern auf dem Spielplan verbleiben und kontrolliert werden müssen, ein absolut sinnvoller Kniff. Auch die Varianz stimmt hier, denn nicht nur die Völker, sondern eben auch die Tableaus mit ihren unterschiedlichen Aktionsanordnungen und Kosten sorgen dafür, dass immer andere Voraussetzungen herrschen.

 

Klingt nach einem ziemlich perfekten Spiel, oder? Ja, aber leider ist es das nicht ganz, zumindest nicht für uns. So originell und innovativ einiges hier ist, so hat "Scythe" für uns  auch einige Problemchen. Zum Einen ist der Spielablauf - auch mit der "Kolosse der Lüfte"-Erweiterung, durch die man zu Beginn mehr Optionen hat - immer sehr ähnlich. Dem Spiel fehlt eine gewisse Spannungskurve, vieles plätschert ein wenig vor sich hin. In seinen besten Momenten ist Scythe durchaus spannend, etwa wenn ein entscheidender Kampf ansteht oder man einem riskanten Zug entgegenfiebert. In Summe waren wir jedoch mehr mit dem Kopf als mit dem Herz dabei - klingt komisch, ist aber so. 

Wertungen

Chris: 7 (Jedes Mal, wenn es auf den Tisch kommt, finde ich es beeindruckend und reizvoll, der eigentliche Spielablauf macht immer Spaß. Letztendlich bin ich aber hier nicht ganz so im Spiel wie es sein könnte, vieles wiederholt sich und ist dann nicht ganz so aufregend, wie es die Optik vermuten lässt)

Eva: 8 (Wird nicht mein Lieblingsspiel, ich finde leider eher weniger Zugang dazu, thematisch wie spielerisch, daher Tendenz zur 7. Das würde diesen tollen Spiel jedoch nicht gerecht werden, daher gibt es doch die knappe 8. Ein Spiel mit tollen Ideen, die Spannung am Tisch könnte aber höher sein)

Mark: 8 (Es hat seine Schwächen, aber dennoch in seiner Gesamtheit ein sehr gutes Spiel. Kommt bei mir regelmäßig auf den Tisch.)

Holger: 7 (sieht super aus und macht Spaß. Die Völker sind natürlich nicht gleich stark, das muss einem gefallen; der Spielablauf ist mir etwas zu repetitiv)

FAZIT:

"Scythe" ist ein hervorragendes Spiel mit phänomenaler Optik und toll umgesetzten, originellen Ideen. Alles funktioniert, wie es soll, und das fantastische Setting tut sein Übriges hinzu, dass man hier von einem Highlight sprechen kann.

 

Für uns ist es jedoch kein Meisterwerk, da das Wichtigste beim Spielen - die Emotionen - bei uns etwas auf der Strecke blieben. In seinen besten Momenten kann Jamey Stegmaiers populärstes Spiel zwar Gefühlsregungen erzeugen, doch zu oft ist man eher stiller Beobachter und Planer als involvierter Teilnehmer. Wo ein "Star Wars Rebellion" den Spieler vor Anspannung an der Stuhllehne knabbern lässt oder ein haarsträubender Fehler in "Dominant Species" einem die Luft raubt, kann "Scythe" nicht im entferntesten Ähnliches im Spieler bewegen. Ob die "Aufstand der Fenris"-Erweiterung hier nachbessert, werden wir irgendwann sicherlich noch testen. 

 

Aber hey, das ist okay. Es macht trotzdem großen Spaß. Nur spielt es eben nicht in der Liga der ganz großen Brettspiele.

 

 

 

Text: Chris