Chinesische Gartenarbeit fürs Auge

"Mein Garten ist schöner als deiner" - wer kennt diesen Satz rivalisierender, kleingeistiger Kleinstadtbürger nicht. So jedoch nicht in "Tang Garden", glücklicherweise arbeiten die Spieler gemeinsam daran, ein möglichst eindrucksvolles Gärtchen für die Kaiserin anzulegen. Doch wer steuert den hübschesten und wertigsten Teil dazu bei? In unserer Rezension verraten wir Euch, wie uns das über Kickstarter finanzierte, optisch eindrucksvolle Spiel gefällt.

Wie funktioniert das Spiel?

Ein Spielerzug ist denkbar einfach: platziere ein Gartenplättchen  oder dekoriere den Garten. Dekorationen sind 3D-Elemente wie Brücken, Bäume oder Pavillions, ebenso können auch Tier- oder Pflanzenplättchen auf passenden Geländeteilen platziert werden. Vier Stapel Geländeplättchen stehen in den Ecken des Spielbrettes zur Verfügung, bei denen jeweils das oberste Plättchen aufgedeckt ist. Die verschiedenen Arten von Terrain (Vegetation, Steine und Wasser), müssen immer exakt passend angelegt werden. Legt man also Wald an Wald, darf man den grünen Würfel auf seinem Spielertableau einen Schritt weiter bewegen. Schließt man ein Gebiet dabei sogar ab, winkt ein Extraschritt. Passend angelegte Wege geben Münzen und teilweise sogar beliebige Schritte auf den Leisten.

 

Beim Voranschreiten der Würfel auf dem Spielertableau muss man darauf achten, dass diese Marker möglichst gleichmäßig vorwärts bewegt werden, denn nur wenn man ein Gleichgewicht der Elemente wahrt, erhält man Boni. Haben beispielsweise alle drei Würfel die nächste Stufe erreicht oder überschritten, darf ein neuer Charakter aus der Auslage ausgewählt werden. Charaktere haben allesamt eine aktive Fähigkeit und zudem eine Bedingung zur Siegpunktgenerierung am Spielende. Es darf jedoch stets nur ein Charakter aktiv sein, den zweiten - egal ob es ein soeben erhaltener oder der aktuell aktive Charakter ist - muss man dann in den Garten platzieren. Nur so wird die Fähigkeit ausgelöst, am Ende überhaupt Siegpunkte für diesen zu erhalten, die aktive Fähigkeit ist nun aber nicht mehr verfügbar.

 

Auf dem Brett liegen zudem Landschaftsmarker, die man erhält, sobald man sie überbaut. So fügt man den Spielbrettseiten Panoramen hinzu (kleine und große), die bestimmte Details wie Wasserfälle, Tiere oder Gebäude zeigen. Das ist wichtig für die eingesetzten Charaktere, denn deren selbst festgelegte Blickrichtung ist immer auf einen Spielfeldrand und alle darin enthaltenen Landschaftsteile beschränkt. Je nachdem, wie toll dieser Blick am Ende ist (Symbole müssen mit den Charakterbedingungen übereinstimmen), umso mehr Punkte winken am Ende.

 

Außerdem verfügt jeder Spieler über vier Laternen-Marker. Diese können für einmalige Boni eingesetzt werden. So können z.B. zwei Plättchen in einer Runde oder zwei Dekorationen platziert werden. 

 

Das Spiel endet, sobald sich nur noch drei der ausliegenden Landschaftsmarker auf dem Spielbrett befinden oder sobald einer der vier Geländestapel komplett leer ist.

Was ist das Besondere an 

"Tang Garden"?

 

Das Spiel sieht phänomenal gut aus. Das weiße, mystisch anhauchende Spielfeld wird im Spielverlauf mit bunten Landschaften, schicken 3D-Teilen, allerlei Charakteren und Plättchen geschmückt - ohne Zweifel dürfte "Tang Garden" damit eines der hübschesten, wenn nicht sogar das hübscheste Plättchen-Legespiel sein.

 

Auch spielerisch zeigt sich das Ganze durchaus interessant und originell, es steckt mehr in "Tang Garden", als ich zunächst vermutet habe. Während einerseits der Garten mit ausliegenden Plättchen erweitert werden kann, reizen auch die wertvollen Dekorationen, wobei man bei diesen ein wenig auf das Glück angewiesen ist. Welche Dekorationskarten zieht man? Ist dann überhaupt noch ein verfügbarer Platz aktuell auf dem Spielfeld dafür frei? Ansonsten war der Zug für die Katz'. Auch die vielen Charaktere mit ihren Fähigkeiten und Siegendbedingungen in Abhängigkeit auf die eingesteckten Landschaftsteile an den Spielrändern sorgen für eine angenehme Tiefe abseits des Plättchenlegens

Wie sehr gefällt es uns?

Nach unserer ersten Partie "Tang Garden" waren wir ziemlich angetan. Natürlich fand Sarina vor allem an dem wunderschönen Spielmaterial Gefallen, auch mir taugt das alles optisch ziemlich gut. Dabei will ich aber klarstellen, dass wir weniger einfach nur der Optik verfallen sind, sondern auch sonst echt Spaß hatten. Das liegt daran, dass die Spielmechanik sich nicht nur auf das alleinige Plättchenlegen beschränkt, sondern auch drumherum einige interessante Kniffe bietet, die reizvoll sind.

 

Die Vorfreude auf weitere Partien war ziemlich groß; als es dann soweit war, flachte die Euphorie jedoch etwas ab. Nicht so sehr, dass wir das Spiel gar nicht mehr spielen wollten, keineswegs, aber hier und da störten uns ein paar Dinge immer mehr. Leider sind die Symbole auf den Landschaftsteilen ziemlich klein geraten, einige davon sehen sich dabei leider auch noch sehr ähnlich, was mich immer wieder stört. Auch die Ikonographie auf den Charakteren ist alles andere als optimal, selten haben wir direkt auf Anhieb gewusst, was diese Fähigkeiten genau bedeuten. Da hilft nur immer wieder ein Blick ins Regelheft, sehr nervig. Bleiben wir bei den Charakteren ... da verspüre ich noch mehr Redebedarf. Es gibt viele Charaktere, echt viele. Ich hab jetzt keine Muse zu zählen, aber mit der "Golden Age"-Erweiterung, die bei mir enthalten war, sind es geschätzt an die zwanzig.

Jetzt gibt es für jeden Charakter eine farbige Base, deren Farbe auch auf der Charakterkarte angegeben ist. Leider sehen sich viele der Bases so dermaßen ähnlich, dann es immer wieder zu Verwechslungen kommt. Das könnte man umgehen, indem man die grauen Miniaturen bemalt, dazu habe ich allerdings in diesem Spiel eher wenig Lust. 

 

Dadurch, dass der Spielplan mit allerlei 3D-Material und Plättchen vollgestellt wird, leidet natürlich auch die Übersicht etwas. Welche Landschaften sind nochmal unter oder hinter einem bestimmten Teilchen? Was liegt da hinten? Sind das Fische? Ein klein wenig kann ich verstehen, wenn man sich an der nicht ganz optimalen Übersicht stört, ich persönlich fand das hier aber gar nicht schlimm. Klar, hin und wieder muss man zwei mal hinschauen oder irgendwas kurz hochheben, aber mein Gott, da hab ich schon Schlimmeres erlebt.

 

Sarina bemängelte ebenfalls den Faktor Zufall beim Ziehen von Dekorationen, dem widerspreche ich allerdings klar, denn das muss man einfach mit einplanen und das ist auch gut so. Könnte man aus den Deko-Elementen gezielt auswählen, wäre es halb so spannend und ich finde, dass dieser kleine Glücksaspekt das Spiel interessanter macht. Lieber sicher ein Gartenplättchen bauen oder hoffen, dass man eine gute Deko zieht. Zumal es ja bessere und schlechtere Zeitpunkt gibt, diese Karten zu ziehen.

 

Die Auf- und Abbauzeit empfinde dagegen ich als leicht nervig, aber noch im vertretbaren Rahmen.

 

Insgesamt hat mich "Tang Garden" trotz dieser Mängel positiv überrascht, es ist keineswegs ein Material-Blender, sondern bietet vielmehr eine recht interessante und originelle Spielmechanik. Die Spielzeit ist mit etwas über einer Stunde angenehm, sowohl zu zweit als auch zu dritt. Zu viert konnten wir es bislang noch nicht ausprobieren, werden das aber nachholen und gegebenenfalls hier updaten, sollte sich da etwas signifikant ändern.

Wertungen

Chris: 7 (gerade noch so eine schwache 7, da ich trotz der aufgeführten kleinen Mängel irgendwie immer wieder Lust auf "Tang Garden" habe. Ich finde es schön, ich finde es - für das, was es ist und sein will - nicht zu seicht, mich stört die Zufallskomponente bei den Dekorationen nicht und auch die Übersichtsproblematik stört mich nicht. Einzig die Aufbauzeit, die winzigen Symbole und die Charakter-Ikonographie sind für mich nervig)

Sarina: 6 (Die Optik hat mich erst völlig umgehauen, später störte mich dann die Unübersichtlichtkeit, die Mini-Symbole und vor allem die nervige Umsetzung der Charaktere mit ihren gleichfarbigen Bases und schlechter Ikonographie. Spielerisch ganz nett mit Licht und Schatten)

Klemens: 6 (Ein schönes, interessantes Spiel, das mir Spaß gemacht hat. Nach zwei, drei Partien ist für mich der Spielreiz allerdings nicht mehr all zu hoch, ab und an würde ich es aber immer wieder mal mitspielen)


FAZIT:

Der chinesische Garten sieht nicht nur großartig aus, sondern weiß auch spielerisch durch schöne Einfälle und einem schlanken, aber interessanten Spieldesign zu überzeugen. "Tang Garden" ist zwar konfrontativ, jedoch auf eine spürbar ruhige und unaufgeregte Weise. Für Taktiker und Vielspieler möglicherweise einen Tick zu ruhig.

 

Im Detail stören zu kleine, schwer zu erkennende Symbole auf den Landschaften, farbig unglückliche, da zu ähnliche Basen sowie eine suboptimale Ikonographie auf den Charakterkarten.

 

Insgesamt ein schönes Spiel für zwischendurch. Für mich sogar eines der interessanteren Plättchen-Legespiele, spielerisch im Vergleich aber nicht ganz so reizvoll wie das zuletzt besprochene Pandoria

 

Text: Chris