Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, unsere Erwartungshaltung war nicht besonders hoch. Schließlich stammt "Terramara" vom italienischen Quintett, bestehend aus Virginio Gigli, Flaminia Brasini, Stefano Luperto und Antonio Tinto. Den beiden Erstgenannten verdanken wir das hervorragende "Lorenzo der Prächtige" und "Coimbra".
Wie funktioniert das Spiel?
Wir setzen ganz klassisch der Reihe nach einen unserer vier Arbeiter bzw. unseren Häuptling auf eines der zahlreichen Aktionsfelder des modular aufgebauten Spielfeldes. Wichtig hierbei ist, dass stets nur zwei unterschiedliche Figuren auf einem Feld stehen können. Hierbei darf der zweite, der das Feld aktivieren möchte, dies nur tun, wenn er mehr militärische Stärke als der bereits dort befindliche Mitspieler hat. Hinzu kommt, dass man innerhalb der fünf Runden zwar jederzeit auf alle Felder aller Runden (jede Runde hat ein bis zwei neue Zeilen an Aktionsfeldern) setzen darf, jedoch nur die Arbeiter zurückbekommt, die auf dem Heimatplan ganz oben und den Aktionsfeldern, die bis zu aktuellen Runde reichen, zurückbekommt. So kann man zwar mächtige Aktionen früh durchführen, bekommt seinen Arbeiter aber jedoch erst später bzw. gar nicht mehr zurück.
Essentiell sind neben der Militärleiste, die für das bereits genannte sekundäre Aktivieren eines Feldes sowie Raubzüge gegen Mitspieler dient, der Fluss und die Reisewege. Der Fluss bzw. die Reichweite, die man auf diesem mit dem Kanu zurückgelegt hat, bestimmt, welche der mächtigen Karten darunter man bauen oder reservieren kann. Auf dem Reiseweg fährt man mit seinen beiden Karren entlang und kann dort entweder direkt nach unten fahren (am Ende des Weges winken Siegpunkte), oder aber Umwege für Boni, Zusatzaktionen und das Freischalten von Spielendbedingungen für sich selbst aktivieren, die weitere Siegpunkte generieren können.
Auf den Aktionsfeldern selbst sammelt man wie gewöhnlich Ressourcen, wandelt diese in wertigere um oder tauscht sie direkt gegen Siegpunkte ein. Natürlich kann man auch Startspieler werden, was sofort einen Boni für alle Spieler, außer dem zweiten der neuen Reihenfolge, ausschüttet.
Was ist das Besondere an "Terramara"?
Das Spiel erfindet grundlegend nichts neu. Alles, was man hier macht, ist ein alter Hut des Ressourcenerwerbs und dem Tausch gegen Karten und Siegpunkte.
Besonders ist hierbei jedoch, dass wir hier ein wirklich knallhartes Workerplacementspiel vor uns haben. Selten war es anspruchsvoller, die richtigen Ressourcen zur richtigen Zeit zu haben und umwandeln zu können. Dadurch, dass jede Runde Teile des modularen Spielbrettes und damit deren Aktionsfelder umgedreht werden und rausfallen, werden die Aktionen zwar grundsätzlich mächtiger, aber das macht es nicht leichter, wenn die "Grundressourcen" am Ende fehlen und man an diese auch nicht mehr kommt.
Die drei Nebenschauplätze Militär, Reiseweg und Fluss sind zudem prima ins Spiel eingeflochten und allesamt enorm wichtig, sodass man oft vor wirklich kniffligen Entscheidungen steht.
Wie sehr gefällt es uns?
Insgesamt hat uns das Spiel auf jeden Fall Spaß gemacht. "Terramara" ist wie erwartet ein sehr anspruchsvolles Spiel geworden und unserer Meinung
definitiv ein Expertenspiel. Es bedarf schon einer guten Planung und einem scharfen Auge, um alles im Blick zu haben und die besten Aktionen im jeweiligen Moment zu finden. Dass
man nicht nur die Aktionen der aktuellen Runde, sondern theoretisch sämtliche Aktionsfelder des Spiels besetzen kann, stellt den Spieler immer wieder vor ein Dilemma. Eigentlich
brauche ich dringend dieses Feld, aber dann bekomme ich den Arbeiter erst zwei Runden später zurück. Ein toller Kniff, wie wir finden.
Auch das Reisen auf dem Fluss und dem Weg für die Karren ist essentiell wichtig, das Militär sollte man nicht vernachlässigen, wenn man besetzte Felder der Mitspieler ebenfalls aktivieren möchte. Den Spielern wird hier einiges abverlangt, was die Grübelphasen hier und da durchaus in die Höhe schießen lassen kann. Mechanisch unserer Meinung nach also ein wirklich gelungenes Spiel mit viel Varianz durch die vielen modularen Spielfeldteile.
Thematisch muss man leider sagen, dass uns das Ganze nicht überzeugen konnte. Klar, zum Setting der Terramaraner - das sind norditalienische Clans der mittleren bis späten Bronzezeit - passen die Aktionen reisen, handeln, Jagd und Metallurgie durchaus, aber letztendlich ist das Treiben eher wenig atmosphärisch und vermittelt - wie viele andere Workerplacementspiele dieser Art - lediglich, dass man sich schlicht Ressourcen nimmt und diese umtauscht, ohne hier gewisse Aktionen den Spieler "fühlen" zu lassen. Ich weiß, ich weiß, das ist äußerst schwierig, aber letztendlich sind es solche Details, die für uns ein gutes bzw. sehr gutes Workerplacementspiel von einem grandiosen unterscheiden.
Die Illustrationen von Michael Menzel sind wie gewohnt toll (das Cover ist genial), die Ikonographie gelungen, allerdings sehen sich einige Symbole sehr ähnlich und sind zudem recht klein, was der Übersichtlichkeit schadet. Eine tolle Idee sind die Personenkarten (werden erst empfohlen, wenn man mit dem Grundspiel vertraut), die einen jungen Charakter mit Aktionsverstärkungen auf der Vorderseite und ein erwachsenes Pendant auf der Rückseite zeigt. Zu Beginn jeder Runde darf man die Karte kostenlos umdrehen, verliert jedoch die vorherige Fähigkeit. Dafür gibt es für gewisse Aktionen zusätzliche Siegpunkte. Leider muss man hier aber auch sagen, dass diese Karten eine gewisse Strategie belohnen. Hier hat uns diese Tatsache das Spielgefühl eher etwas getrübt, da es einfach schwierig ist, jemanden beispielsweise am Fluss einzuholen, der jedes Mal einen Schritt mehr gehen darf.
Ist "Terramara" jetzt ein "Stone Age für Experten"?
Tatsächlich haben die beiden Spiele das ein oder andere gemeinsam. Wir sammeln mit unserem Stamm Rohstoffe und bauen Werkzeugkarten, die zudem unter gewissen Umständen, nach Kartentyp gesammelt, Siegpunkte geben. Letztendlich kann man beide Spiele aber nicht wirklich miteinander vergleichen, zumal "Stone Age" eines der zugänglichsten Kennerspiele auf unterem Niveau ist und viele Glückselemente enthält. Durch seine Kompaktheit und seinem liebevollen Design finden wir "Stone Age" aber das atmosphärischere Spiel.
Chris: 7 (mir gefällt das alles, auch wenn ich es ziemlich anstrengend zu spielen finde. Der Spielreiz ist für mich recht hoch, da es viele interessante Wege zum Sieg gibt und man wirklich gefordert wird. Atmosphärisch bin ich enttäuscht, da habe ich mir etwas mehr erhofft. Wird definitiv nicht mein Lieblingsspiel, aber ich freue mich auf weitere Partien)
Mark: 7 (war schon ziemlich gut, hat mich jetzt aber nicht aus den Latschen gehauen. Macht Spaß und hat auch seine kleinen schönen Kniffe, aber mehr auch nicht)
Eva: 7 (Gutes Spiel, das anspruchsvoller ist als gedacht, aber die Übersicht leidet stark unter den vielen suboptimal gekennzeichneten Feldern und zu ähnlichen Symbolen. Auch mir fehlt hier das gewisse Extra an Atmosphäre und Thema.)
Franzi: 6 (Spielmechanik für mich zu trocken, hat wenig Flair und ist meiner Meinung nach ein Spiel ohne Seele)
"Terramara" hat die meisten unserer Erwartungen erfüllt, aber nicht übertroffen. Es ist ein äußerst anspruchsvolles Experten-Workerplacementspiel mit interessanten Nebenschauplätzen abseits der vielen Aktionsfelder. Mechanisch wirklich gut, atmosphärisch und thematisch sind wir eher enttäuscht.
Man muss sich schon darauf einstellen, dass das klassische Ressourcensammeln und Eintauschen stark im Fokus steht. Selten war es aber so knifflig wie hier. Leider hat das Spielfeld mit seinen kleinen, ähnlichen Symbolen Übersichtsprobleme und die Downtime kann bei Grüblern schlimme Ausmaße annehmen.
Letztendlich fehlt dem Spiel für uns aber das gewisse Etwas, um in höhere Wertungsregionen zu gelangen.
Text: Chris