Verlag: Druid City Autor: Tim & Ben Eisner Spieldauer: 60-90 Min. Spieleranzahl: 2-5
Auf geht's, mutige Helden des Riffs! Zeigt in der Arena, was ihr drauf habt und beschützt das Riff vor den fiesen Monstern, die dort draußen im Meer lauern.
Yeah, ich bin bereit dafür. Und zwar jederzeit. "Tidal Blades" ist ein Spiel, das ich niemals verkaufen würde, denn jedes Mal, wenn ich dieses Spiel auf den Tisch bringe, fühle ich eine besondere Atmosphäre. Umso trauriger, dass meine Stammspielgruppe meine Begeisterung überhaupt nicht teilt. Warum das so ist und was das Spiel für mich so besonders macht, erfahrt ihr im Folgenden.
Ein wahrer Augenschmaus
Allein die imposante Spielschachtel macht gewaltig Eindruck, das Spielmaterial steht dem in nichts nach. Vor allem das großartige Artdesign und die traumhaft idyllische Karibik-Optik machen ordentlich was her. Das Spielmaterial ist in der Deluxe-Ausgabe sehr wertig, wenn auch ein klein wenig zu viel Plastik (über die Würfel-Arena kann man streiten) dabei
ist. Ansonsten bekommt man aber tolle
Würfel, wertige Tableaus mit tollen Illustrationen und Fähigkeitsrädern, griffige Karten und haptisch coole Ressourcen. Einzig das Spielfeld in Gestalt mehrerer kleiner Einzelbretter ist Geschmacksache. Die meisten meiner Mitspieler und ich waren uns einig, dass wir einen einzelnen, großen Spielplan bevorzugt hätten, aber mit einer großen Meer-Spielmatte als Unterlage passt das schon.
Unaufgeregte, aber zielführende Aktionen
In "Tidal Blades" beginnt man seinen Zug mit klassischem Workerplacement. Setzt man seine Figur an einen Ort auf eine der Inseln, darf man die dort gewählte Aktion des Feldes sowie die grundlegende Aktion der Insel ausführen. Außerdem darf man anschließend eine Challange ausführen, die zur jeweiligen Insel passt. Die Herausforderungen sind die Handkarten der Spieler und fungieren bei ihrer Erfüllung neben den obligatorischen Siegpunkten auch als diverse Verbesserungsmöglichkeiten. Es gibt sie in drei Kategorien und jede davon steht quasi für ein Talent, mit dem man auch Monster außerhalb des Riffs bekämpfen kann. Hat man vor dem Monsterkampf beispielsweise bereits passende Herausforderungen abgeschlossen, erhält man Vorteile im Kampf durch einen Extrawürfel. Die Symbole, die man beim Erfüllen der Herausforderungen mit seinen Würfeln würfelt, erhöhen das entsprechende Charakterrad. Von diesen Charakterrädern gibt es vier und auch diese sind wunderbar in die Spielmechanik verwoben: Eines davon bestimmt die erlaubte Würfelanzahl, ein anderes die Effektivität von Stuntkarten, das dritte lässt Euch immer mehr Würfel am Ende einer Spielrunde auffrischen und upgraden und das letzte Rad bringt weitere starke Charakterfähigkeiten. Sehr cool!
Dann würfle ich eben nochmal!
Alles steht und fällt natürlich mit den Würfelergebnissen, die für man für die Challenges und die Monsterkämpfe benötigt. Zu viel Zufall für solch ein Spiel? Nö, auf gar keinen Fall. Denn in "Tidal Blades" dürft ihr einfach neu würfeln. So oft ihr wollt. Bis ihr das gewünschte Ergebnis habt. Okay, es ist nicht ganz so einfach, da man auch noch einen Gefahrenwürfel mit dabei hat, der ein oder später auch mehrere "X" zeigt. Ein "X" bedeutet, dass man einen aktiven Würfel entfernen muss, was extrem bitter ist, aber auch darauf kann man sich wunderbar vorbereiten. Denn für jede Muschel, die man hat, kann man eines der bösen "X" egalisieren. Wer sich also gut vorbereitet, hat sehr gute Chancen, erfolgreich zu sein. Natürlich kann man auch hier Würfelglück und Pech haben, das liegt in der Natur der Sache. Aber ganz ehrlich, noch nie hatte ich in einem Eurospiel mit Würfeln mehr Manipulationsmöglichkeiten als hier. Es muss einfach so sein, dass man auf ein gutes Würfelergebnis hofft, ansonsten wären die Würfel fehl am Platze. Aber dadurch, dass die Muscheln einem so viel Flexibilität geben, lasse ich das Argument "zu viel Zufall" hier einfach nicht gelten. Ich soll noch einen drauf setzen? Okay, aufgepasst: Alle Muscheln, die man für das Ausschalten der "X"-Würfel verwendet, werden auf der Schildkarte platziert. Liegen dort mindestens vier Muscheln, darf man durch das Abwerfen der Muscheln sogar einen beliebigen Würfel auf eine beliebige Seite drehen! Krass, oder? Ja eben. "Tidal Blades" macht das meiner Meinung nach einfach richtig gut!
Sooo gut! Wieso zum Teufel mögt ihr das nicht?
So ein klein wenig ernüchtert war ich schon, als Holger und Sarina wenig Gutes an "Tidal Blades" gelassen haben. Aber wieso zum Teufel? Das Spiel schaut gut aus und kombiniert den Workerplacment-Teil, der als Vorbereitung hinsichtlich Ressourcenbeschaffung und Boni dient, wunderbar mit der anschließenden Würfelei um Herausforderungen und Monsterbekämpfung. Alles passt zusammen, es gibt NICHT zu viel Zufall im Spiel, die Charakterfähigkeiten sind cool und abwechslungsreich und die knackigen vier Spielrunden sind so kompakt, dass jede Aktion ihre Bedeutung hat.
Erweiterung ist Pflicht
Die Erweiterung "Anglers Cove" ist meiner Meinung nach Pflicht. Die Ortsaktionen auf der neuen Insel sind sehr stark, allerdings muss man dabei auch ein Outcast-Token ziehen. Jedes davon eine Zahl von 1 bis 4; wer am Ende des Spiels die höchste Summe mit allen seinen Tokens hat, verliert ganze 5 Siegpunkte - bei einem durchschnittlichen Ergebnis von 40-50 Punkten kann dies das Zünglein and der Waage sein. Die Anglers Cove bringt dadurch ein tolles, unvorhersehbares Gambling-Element mit ins Spiel, das ich nicht mehr missen möchte.
Chris: 8,5 (Optik top, wunderbare Wohlfühl-Atmosphäre, tolle Kombi von Workerplacement und "Würfel-Kämpfen", wenig Zufall durch genügend Würfel-Modifikationsmöglichkeiten, coole Charakterfähigkeiten)
Klemens: 8 (sehr schönes Spiel, das vieles richtig macht; der Monsterkampf gefällt mir nicht so besonders, aber ansonsten macht das schon sehr viel Spaß)
Eva L.: 8 (Super Spiel, lässt ich wunderbar und unkompliziert spielen, schaut dazu noch super schön aus und man kommt zu viel mehr als man anfangs denkt)
Sarina: 5,5 (langweilige Aktionsfelder, keine Spannung, optisch ganz nett, aber ich hatte ziemlich wenig Spaß, dafür bietet mir das Spiel nichts Außergewöhnliches, die zentrale Spielmechanik ist trivial und nur durch viele Detailzusätze unnötig aufgeplustert)
Holger: 6 (Das Spiel funktioniert und hat vor allem gegen Ende auch Spaß gemacht, aber ich hatte mehrfach extremes Würfelpech und das ist mir dann alles irgendwie zu zufällig)
Stefan: 8,5 (Tidal Blades bleibt ein klasse Spiel, immer wieder gerne, fantastische Optik, rundum gelungene Spielmechanik, ich mag die vielen Belohnungen, die man beim Räderdrehen freischaltet)
Auch wenn nicht alle meine Euphorie teilen - "Tidal Blades" ist für mich und viele meiner Mitspieler ein Highlight. Kaum ein Spiel versprüht eine so wunderbare Wohlfühl-Atmosphäre. Die Progression im Spielverlauf stimmt und die Mechanik baut prima aufeinander auf - Vorbereitung auf Herausforderungen und Kämpfe sind nötig - oder es klappt eben über Würfelglück.
Mit Erweiterung und vor allem zu dritt ein wunderbares Spiel, für das ich mich immer begeistern kann.
Text: Chris