Verlag: Panic Roll   Autor: Stephen Louis, Tony Mayer   Spieldauer: 40-200 Min.    Spieleranzahl: 2-5

Relativ spaßbefreite Liebe

Rettet Eurika Springs! Der ansässige Sheriff ist auf mysteriöse Weise verschwunden, also liegt es an uns, der Bürgerwehr, die Stadt zu verteidigen. "Townsfolk Tussle" kommt als reiner Bossbattler daher, in dem sich die Spieler semikooperativ insgesamt vier Bossen in den Weg stellen und zwischendurch ihr Equipment aufbessern. Was macht das Spiel richtig? Woran hapert es? 

Vintage-Cartoon-Stil zum Niederknien!

Zweifelsfrei gehört dieses Spiel zu den optisch gelungensten und charmantesten Spiele der letzten Jahre. Als Cuphead-Fan schätzt man die Liebe zum Detail, die Fähigkeiten der Bosse, das vielfältige Equipment - alles lädt immer wieder zum Schmunzeln ein und setzt das Retro-Setting großartig in Szene.

Triefend thematisch

Der größte Pluspunkt abseits der tollen ästhetischen Präsentation liegt im Thema, das sich durch jede Ritze dieses Spiels zwängt. Alle Bosse kommen mit ihrem eigenen KI-Deck daher und unterscheiden sich so bezüglich ihrer Verhaltensweise. Beispiel gefällig? Bort Davis ist eigentlich gar kein fieser Unhold, eher ein Tourist, welcher mit seinen Blitzlichtern, spitzen Souvenirs und Fotoalben um sich schießt. Witzig, oder? "Townsfolk Tussle" hat thematisch enorm viel zu bieten und das schätze ich sehr an diesem Spiel. Auch das Equipment strotzt nur so vor lustigen Details, die einfach thematisch passend sind und wenn man dann auch noch von einem besiegten Boss einen heftig guten Gegenstand ergattert, fühlt sich das einfach richtig an.

Rudimentär(st)e Spielmechanik 

Traurig, aber wahr: Trotz meiner Liebe zum Thema und der Euphorie über die großartige Präsentation hat mich die Mechanik sprichwörtlich kalt erwischt. Natürlich wusste ich vorher schon, dass dies hier kein "Kingdom Death Monster" ist, auch keine Lite-Version davon. Aber was man dann letztendlich hier macht, hat spielerisch so überhaupt nicht für Begeisterungsstürme gesorgt.

 

Das Ausrüsten des Charakters ist cool, aber sobald es nach der Townphase ans Eingemachte ging - dem Boss battlen, stellte sich Ernüchterung ein. Es gibt viele tote Züge, wenn man beispielsweise zu weit vom Boss entfernt ist und man nichts anderes machen kann als ein paar Schritte hinzulaufen. Wurde vielleicht sogar die Bewegungsreichweite reduziert, gestaltet sich das sogar ziemlich ernüchternd und langweilig. Aber auch wenn dieser Fall nicht eintrifft, läuft man in der Regel auf den Boss zu und wirft einen W10. Das war's. Ja okay, es gibt noch Geländefelder, mit denen man interagieren kann. Aber ganz ehrlich, das sind dann eher Alibi-Aktionen. Klar ist es lustig, wenn man an der Tür eines Farmhauses klopft und hofft, dass der Kerl da drinnen mal kurz eine Ladung Schrot auf den Boss abfeuert. Aber das funktioniert für mich nur, wenn die grundlegende Spielmechanik trägt und unterhält. Und das tut sie leider für mich nicht. Obwohl ich durchaus stumpfe Bier & Brezel-Spiele mag, ist mir diese Mechanik hier einfach zu sehr runtergebrochen. Die Bosse selbst visieren zwar zufällig die Spieler an, wobei es meistens eben sehr innovationslos mal wieder den nächsten Spieler in Reichweite trifft. Es gibt auch Ausnahmen, wenn z.B. der aktuell reichste Spieler fokussiert wird, aber zu häufig bleibt es auf den bekannten Pfaden und zeigt sich daher recht überraschungsarm.

 

Aufbrechen können das dann zwar teilweise die thematischen und witzigen Angriffe, aber trotz allem muss ich unter dem Strich dann bilanzieren, dass uns "Townsfolk Tussle" zu wenig Überraschung, zu wenig Spaß und zu wenig spielerisch Reizvolles geboten hat. Es ist ein Run & Gun Spiel ohne Sinn und Verstand, man haut gemeinsam abwechselnd drauf und hofft, dass der Boss nicht zufällig irgendwelche dummen Dinge macht. Hinter den eigenen Aktionen erkenne ich nirgendwo einen Ansatz von einem intelligenten Muster, sondern meist nur stumpfes Geprügel.

Semikooperativ? Macht keinen Sinn!

Völlig deplatziert kommt dann der semikooperative Ansatz daher. Warum kauft man nicht gemeinsam in der Stadt ein und supportet sich? Weshalb muss man Mitspieler behindern, um seine Zielkarten zu erfüllen? Wir kämpfen doch gemeinsam gegen den Boss. Warum fühlt sich das alles eher wie ein Fremdkörper an? 

Einfach zu lang und letztendlich zu spaßbefreit

Was man dem Spiel zugutehalten muss, ist die Tatsache, dass es dann doch super einsteigerfreundlich ist. Man kommt schnell rein, die Regelerklärung dauert keine zehn Minuten. Dann folgt aber ein eintöniges Gekloppe gegen vier Bosse, was drei bis vier Stunden dauern kann. Nee sorry, das ist mir definitiv zu viel. Selbst die Reduzierung auf drei Bosse macht es nicht viel besser. Selbst in der richtigen Spielegruppe mit bemalten Miniaturen und Cuphead-Soundtrack im Hintergrund würde ich - im Rahmen eines vierstündigen Spieleabends - auf Anhieb zwanzig bessere Alternativen aus dem Spieleregal ziehen können, welche für mehr Emotionen und mehr Spielspaß sorgen. Und das ist dann auch der Grund, weshalb "Townsfolk Tussle" für mich persönlich durchgefallen ist. Trotz allem, was ich an dem Spiel großartig finde.

 

Wertungen

Chris: 5,5 (Drei Anläufe hat es gebraucht, das Spiel wieder zu verkaufen. Ich will es eigentlich lieben, aber es hat mir leider viel zu wenig Spaß gemacht. So schade.)

Holger: 5 (Ich bin vielleicht nicht wirklich der Typ für Boss-Battler, zumindest dieser hier hat mich absolut kalt gelassen. Keine Spannung, einfach stumpfsinnig)


FAZIT:

Dieser kleine Teufel in meinem Kopf will mir die ganze Zeit verklickern, wie wunderschön "Townsfolk Tussle" doch ist und wie sehr ich das Spiel als Cuphead-Fan mögen müsste. Die Erinnerung an die letzten ernüchternden Spieleabende mit diesem Kickstarter haben es jedoch geschafft, mich davon wieder zu trennen. Trotz vollständig bemalter Figuren!

 

"Townsfolk Tussle" sonnt sich in seinem grandiosen Setting und der fantastischen Präsentation. Zieht man dieser Fassade aber die Maske vom Gesicht, bleibt ein viel zu langes, stumpfes Gekloppe gegen zwar thematisch lustige Bosse, aber das ist nichts, was den Preis oder die Lebenszeit rechtfertigt. Da spiele ich lieber nochmal "Cuphead" im Koop-Modus.

 

Text: Chris

03.05.2022