Verlag: Nemesis.Games Spieldauer: 120-240 Min Spieleranzahl: 1-4
Wo kommt das denn jetzt wieder her? Kickstarter verpasst, alle reden darüber, Mondpreise auf dem Sekundärmarkt. Na toll, also wie immer. Aber das Glück war mir hold: ein faires Angebot zwischen den ganzen Aasgeiern und so kam ich dann doch noch irgendwie zu "Uprising - Curse of the Last Emperor". Nach angeblich über drei Jahren Playtesting soll dieses Spiel im Koop-Bereich voll einschlagen und nach etwas Recherche war ich der Überzeugung, dass das Potenzial dazu definitiv vorhanden ist. Ist das hier ein Must-Have für Koop-Fans, die es etwas härter mögen?
Der Feind deines Feindes ist dein Freund
In "Uprising" stellen wir uns der mächtigen Legion, die das Land in Angst und Schrecken versetzt. Gleichzeitig gibt es aber noch einen weiteren Feind, die Horde. Beide machen uns mächtig zu schaffen, doch mit guter Planung, etwas Glück und Cleverness kann man beide Fraktionen auch aufeinander hetzen
und sich gegenseitig dezimieren lassen. Das schafft Zeit und spart Ressourcen, gleichzeitig kostet es aber Punkte. Denn die erste Besonderheit von "Uprising" ist, dass am Ende jeder Runde beide Fraktionen nach den eigenen Aktivierungen punkten. Dabei gibt es für die Nemesis - die beiden Bedrohungen der Spieler - vor allem für besiegte Feinde unterschiedlicher Gruppierungen Punkte - und zwar egal, wie viele davon besiegt wurden. Einfacher erklärt: Wenn die Horde beispielsweise eine Einheit der Legion, eine des blauen Spielers und eine des gelben Spielers in dieser Runde ausgeschaltet hat (sichtbar über die besiegten Einheiten auf dem jeweiligen Friedhof), erhält sie für die drei unterschiedlichen Gruppen an Gegnern jeweils zwei Siegpunkte. Darüber hinaus punkten die Feinde auch für noch aktive Einheiten auf dem Spielplan. Man muss also stets sehr genau überlegen, wer sich wem entgegenstellt und was ein negatives Resultat zur Folge hätte. Ein überaus taktischer und sehr gelungener Aspekt von "Uprising".
Die nächste Besonderheit des Spiels liegt in der Sieg- bzw. Niederlagebedingung. Am Ende des vollkooperativen Spiels gewinnen die Spieler nur, wenn alle Spieler mehr Siegpunkte als beide gegnerischen Fraktionen haben. Es nützt also nichts, wenn ein Spieler voranprescht und alles wegrasiert, was ihm unter die Fittiche kommt. Alle müssen darauf achten, dass keiner gleich viele oder weniger Punkte hat als die Horde und die Legion. Das habe ich ebenfalls so noch in keinem anderen Spiel gesehen und diese Mechanik gefällt mir enorm gut.
Nur 4 Runden? Dann können wir ja danach noch ... vergiss es!
Worüber wir reden müssen, ist die Spieldauer von "Uprising". Natürlich kommt das auch immer auf die Spielgruppe und die Mitspieler an, keine Frage. Aber ich habe das Spiel jetzt sowohl solo, als auch mit drei verschiedenen Mitspielern gespielt, und dabei hat sich an der Spielzeit so gut wie nichts geändert, die Erstpartie mal etwas außer Acht gelassen.
Man kann selbst entscheiden, ob man zwei, drei oder die vollen vier Spielrunden spielt. Klingt wenig, aber letztendlich dauert dann jede davon doch eine gute Stunde. Ja, richtig gelesen. Ich wage zu behaupten, dass man eine komplette Partie kaum in unter 4 Stunden schafft und das ist dann doch eine gewaltige Hausnummer.
Umso wichtiger ist also die Frage, ob sich das Ganze spielerisch lohnt. Rein aus dem Gefühl heraus würde ich dies auf jeden Fall bejahen, auch wenn man sich darüber bewusst machen muss, was man hier serviert bekommt.
Geile Optik
Was die Tischpräsenz angeht, zeigt sich "Uprising" beeindruckend sexy. Das Board und die Karten sehen gut aus, die Acryl-Standees sind fantastisch und ich wünsche mir viel mehr Spiele mit solchen "Figuren". Haptisch wunderbar und man muss nicht schon wieder alles erst bemalen, bevor es richtig gut aussieht, so lobe ich mir das. Auch die Trays für Ressourcen und Spielermaterial sind klasse. Dazu kommen dann noch farbige Garnisonen, die man aufeinanderbauen kann. Das alles sieht wirklich toll aus und bietet Bombast-Optik out of the box.
Einzig einige kleinere Farbdifferenzen sind uns negativ aufgefallen. So sind die gelben Würfel auf den Standees eher orange, aber nun gut, da gab es bei der Herstellung eben ein paar kleine Unsauberkeiten. Wieder richtig toll ist dann aber das Regelheft mit Spiralbindung. Sehr gute Qualität und auch regeltechnisch haben die Jungs von Nemesis.Games das gut gemacht. Es gibt kleinere Regelunklarheiten, die sich aber eher auf Effekte von Karten und Plättchen beziehen, allerdings keine große Sache.
Heftige Herausforderung, Spielgefühl und vertane Chancen
Der Schwierigkeitsgrad ist gelinde gesagt happig. Bereits auf easy wird man heftig gefordert und auf den höheren Stufen kann sich "Uprising" zu einem enorm schwierigen Unterfangen gestalten. Da vieles Timing-Aspekte sind (wann drehe ich welches Plättchen um, wo spawnen Gegner, welche Karten sind überhaupt verfügbar, welche Fähigkeiten ziehe ich wann) spielt der Zufall hier natürlich ordentlich mit rein, sodass es blöd, aber auch geschickt laufen kann.
Das Kampfsystem ist simpel, aber einwandfrei. Jede Einheit wirft bestimmte Würfel, stärkere Gegner und Garnisonen sogar gleich mehrere auf einmal. Die Stärke eines der zahlreichen "Boss-Gegner" ist - ähnlich wie bei Mythic Battles Pantheon - abhängig von dessen aktueller Lebenspunkte - je vitaler, desto stärker. Dadurch, dass auf jedem Hexfeld maximal 5 Einheiten stehen dürfen, gibt es keine riesige Massenschlachten, was ich sehr begrüße. Ein Kampf geht nach einer Fernkampfrunde und anschließendem Nahkampf immer bis zum bitteren Ende. Jeder Spieler hat außerdem einen Helden, der nicht als Einheit zählt und somit nur für das Erkunden und das Erfüllen von Quests zuständig ist.
Jede der vier Runden läuft mit einem etwas längeren Verwaltungsakt an, in dem z.B. ein Event aufgedeckt wird, der Markt abgeräumt und aufgefüllt und neue Quests offenbart werden. Anschließend ist man dann in Spielerreihenfolge abwechselnd an der Reihe. Jeder verfügt über acht Aktionskristalle, mit denen man eine oder mehrere Aktionen durchführt. Hat kein Spieler mehr Aktionskristalle, sind die Gegnerfraktionen dran, bevor danach Ressourcen generiert und Siegpunkte für die Runde verteilt werden.
"Uprising" enthält viele originelle kleine Aspekte, von denen ich jetzt einfach mal ein paar in den Raum werfe: Skelette - die "einfachsten" Gegner der Horde bewegen sich in der Regel nicht, verwandeln sich allerdings in stärkere Gegner, sobald drei Skelette auf einem Feld stehen. Im Kampf zeigen ein paar der Würfel Blitzsymbole. Diese haben einen allgemeinen Effekt für alle, je nachdem in welcher Runde man ist, sind aber zusätzlich Druidenkarten mit mächtigen Effekten verfügbar. In Runde 3 hat man also bei einem Blitz die Auswahl zwischen dem "normalen" Effekt, gegnerische Schilde zu zerstören, aber auch eine der drei Druidenmächte zu nutzen. Das bringt eine super taktische Komponente mit ins Spiel, die ich sehr gelungen finde.
Ihr merkt also, "Uprising" hat ziemlich viel, das mir gefallen hat. Nun gibt es allerdings auch einige Dinge, die verhindert haben, dass ich dieses Spiel liebe. Zunächst einmal habe ich gemerkt, dass ich dieses Spielprinzip nicht unbedingt favorisiere. Ich meine damit die Konfrontation mit einer immer weiter andauernden Gegnerhorde. Es gibt außer dem Druck der immer wachsenden Bedrohung für mich zu wenig spannende Elemente, die Eventkarten beeinflussen nicht die aktuelle Runde durch irgendeine unvorhergesehene, spielbeeinflussende Bedingung, sondern stellen einfach nur weitere Gegner auf die Karte. Es fühlt sich dadurch leider wie an Kampf gegen Windmühlen an. Okay cool, zwei Horden diese Runde gekillt, gleich kommen aber drei neue. Nun ja, kann man so machen, ich bin aber kein Freund von diesem Spielkonzept. Irgendwas fehlt mir da. Jedes Spiel spielt sich am Ende des Tages dann - trotz unterschiedlicher Fraktionen und Gegner - sehr sehr ähnlich.
Hinzu kommt: trotz vieler Dice-Manipulation-Möglichkeiten fehlt die meiner Meinung nach essentielle, grundsätzliche Option eines Rerolls (wir haben die Hausregel mit "eine Ressource für einen Würfel-Reroll" gespielt. Essentiell deswegen, da die Konzeption der einzelnen Spielelemente (immer nur ein Health, starke Monster, maximal 5 Einheiten auf einem Hex, random Items) es so nur extrem frustrierend machen, da ein mieser Wurf trotz heftig intensiver Vorbereitung ernüchternd den Spieler in die Knie zwingen kann und man einfach dadurch eine komplette Eventrunde nicht mehr auf die Beine kommt. Das ist unnötig und macht im Falle mehrerer misslungener Würfelrolls einfach keinen Spaß. Zumindest mir nicht. Und meine Mitspieler sahen das alle ähnlich.
Auch die Spielerkooperation könnte meiner Meinung nach höher sein. Eine Unterstützung durch einen Helden, Items oder eigene Truppen ist in der Regel nicht möglich. Es konzentriert sich alles darauf, wer wann welches Ziel als nächstes verfolgt. Das bietet durchaus Kommunikation am Tisch und auch "High-Five"-Momente, wenn ein Mitspieler die Gegner weghaut, aber gemeinsam würde das für noch mehr Dynamik und Emotionen sorgen. Leider ist mir das hier etwas zu wenig.
Chris: 8 (ein tolles Spiel, das vieles richtig und frisch macht, aber auch etwas zu lang, teilweise zu frustrierend ist und letztendlich auch nicht ganz meine Art von Spiel ist. Dennoch eines der coolsten Koop-Spiele der letzten Zeit)
"Uprising" zu bewerten, fällt mir enorm schwierig. Auf der Habenseite stehen viele originelle und frische Ideen, eine großartige Optik und eine schweißtreibende, harte Herausforderung. Leider verhindern am Ende aber das etwas mühsame Spielprinzip, zu wenige Reroll-Möglichkeiten und eine eher geringe Spielerkooperation für mich den Aufstieg zu einem Meilenstein im Koop-Genre.
Text: Chris
17.10.2021