Mein lieber Schorli, was für ein fieses Spiel! "Wasserkraft" gesellt sich mit Leichtigkeit und einer eindrucksvollen Intensität in die Riege der härtesten Mangelspiele, die wir je gespielt haben. Hier zählt jeder Tropfen und alle Mitspieler sind stets dazu gewillt, einem genau diesen Tropfen in letzter Sekunde, direkt vor der Nase wegzuschnappen. Sowas kann Spaß machen? Durchaus.
Wie funktioniert das Spiel?
Es kann losgehen, wenn alle Spieler Folgendes verstanden haben:
1) Wasser fließt von oben nach unten. Ja, echt.
2) Wasser kann man nur mit einem eigenen oder neutralen Staudamm kontrollieren.
3) Wasser lässt sich nur mit einem eigenen Turbinenwerk in Energie umwandeln.
4) Man darf auch Rohrleitungen von anderen Spielern benutzen, muss ihnen jedoch Geld dafür bezahlen und schenkt ihnen Siegpunkte.
5) Bagger und Betonmischer kosten viel Geld.
6) Bagger und Betonmischer kosten sehr viel Geld!
7) Bagger und Betonmischer gibt man nicht aus, sondern dreht sie in einem Rad und erhält sie wieder. Ebenso die Bau-Plättchen.
8) Das Drehen geht nur mit der Schraubenzieher-Aktion.
9) Auch die Schraubenzieher-Aktion ist echt teuer.
10) Besetzte schnell wichtige Aktionsfelder, ansonsten werden auch die teuer.
11) Energie zu produzieren, ist mühsam.
12) Jede Runde solltest du dennoch mehr Energie produzieren.
13) Ohne Aufträge geht nichts!
14) Aufträge bringen deinen "Spielmotor" zum Laufen.
15) Jetzt kann es losgehen. Ihr könnt euch nun die Regeln durchlesen oder Regelvideos schauen. Ihr seid nun bestens dafür vorbereitet.
Was ist das Besondere an "Wasserkraft"?
Nach unseren Partien haben wir uns lange darüber unterhalten, wie wir das Thema und dessen Umsetzung fanden. Während die Männer durchweg begeistert waren, konnten die Frauen allesamt eher wenig mit dem Thema anfangen. Einig waren wir uns jedoch schnell, dass die Umsetzung überzeugend, originell und vor allem sehr anspruchsvoll ist.
Selten hatten wir es mit einem Euro-Expertenspiel zu tun, das uns von Anfang an so sehr unter Druck gesetzt hat. Man startet zwar erstmal mit genügend Ressourcen, weitere zu erhalten, ist allerdings schwerer als gedacht. "Wasserkraft" schafft es, durch das zunächst mühsame Erfüllen der Aufträge durch Energieproduktion, einen Motor zum Laufen zu bringen, der seinesgleichen sucht. Schafft man es tatsächlich, ein eigenes Netzwerk aufzubauen, um den Wasserfluss sinnvoll für sich zu steuern, entfaltet das Spiel seine wahre Größe. Das zu schaffen, ist allerdings ein hartes Stück Arbeit.
Wie sehr gefällt es uns?
Bei uns gab es eigentlich keine zwei Meinungen bezüglich der Qualität des Spiels - sowohl konzeptionell, als auch spielerisch: "Wasserkraft" ist ein hervorragendes Spiel. Wo man zunächst noch an der fiesen und harten Wasserklau-Mechanik sowie dem extremen Mangel an Ressourcen und Geld verweifelt, so eindrucksvoll ist der Moment, an dem die Maschinerie ins Laufen kommt. Hier ein klein wenig Energie produzieren, dann noch den Auftrag mitnehmen, der eine wichtige Rad-Umdrehung und einen Bagger liefert, wunderbar. Nächste Runde noch eine Erhöhung bauen, damit das zweite Wasser, das ich selbst steuere, nicht überschwappt und zack - noch mehr Energie und ein lukrativerer Auftrag.
Was "Wasserkraft" aus der Symbiose der Aktionen, dem Gebäudebau, der Energieproduktion und dem Erfüllen von Aufträgen und damit der Ausschüttung essentieller Boni macht, ist sensationell. Jede Entscheidung fühlt sich hier wichtig an und ist es auch, die Interaktion ist überraschend hoch und das Spiel punktet mit innovativen Aspekten wie dem Recycling von Ressourcen und dem Wasserflussmanagement.
Leider gibt es aber auch mal wieder etwas zu meckern! Warum es nur so wenige kleine Bagger und Betonmsicher gibt, ist uns ein absolutes Rätsel. Immer wieder hatten wir nicht genügend Ressourcen und das schon zu Beginn des Spiels, was einfach nicht sein kann. Auch das Rad an sich ist gewöhnungsbedürftig. Das Drehen funktioniert zwar, aber geschmeidig sieht anders aus. Diesbezüglich gibt es ja bereits allerlei Zusatzmaterial zu kaufen, aber das hätte man besser lösen müssen. Da die Ressourcen auf dem Rad platziert werden müssen, fallen diese natürlich auch sehr klein aus, was mal wieder echt fitzelig ist.
Als größten Kritikpunkt für uns haben wir tatsächlich die Sonderfähigkeiten der Ingenieure ausgemacht. Wir haben sowohl mit der empfohlenen Startzusammenstellung, als auch mit den erweiterten Regeln der zufälligen Auslage gespielt. Jedes Mal empfanden wir diese Fähigkeiten als nervig, da einige deutlich schwächer daherkommen als andere. Wir waren sogar so weit, dass wir es fast lieber ohne Ingenieure spielen wollten.
Auch die Fähigkeiten der CEOs, also der Spielertableaus, sind nicht ganz ausgehlichen, aber noch verschmerzbar. Diese werden ohnehin erst aktiviert, sobald man sein drittes Turbinenhaus gebaut hat.
Chris: 8 (für mich ein wahnsinnig gutes Spiel, ich liebäugle fast mit einer 9, aber die Materialschwächen und vor allem die unausgeglichenen Ingenieursfähigkeiten haben einen faden Beigeschmack)
Eva: 6 (objektiv betrachtet ein sehr gutes Spiel, aber das Thema lässt mich völlig kalt und ich finde es sogar einen Tick zu heftig, was Ressourcenarmut angeht. Mehr Arbeit meiner Meinung nach als Spielspaß.)
Holger: 8 (gutes und heftiges Eurogame mit interessantem Thema und ansprechender Optik, das keine Fehler verzeiht. Die für mich nicht genug ausbalancierten Chefingenieure und ein paar Materialmängel verhindern leider eine höhere Wertung)
Klemens: 8 (richtig gutes Spiel, aber schon sehr heftig, wie es dir in die Eier treten kann.)
Sarina: 6 (gutes Spiel, ohne Frage, aber mir hat es nach der zweiten Partie immer weniger Spaß gemacht. Thema ist nicht meins, Spielkonzept ebenfalls nicht ganz)
Konzeptionell und spielerisch sehr starkes Spiel mit innovativem Ressourcen-Recycling und interessantem, aber fiesem Wassermanagement. Ohne Frage ist "Wasserkraft" ein Highlight, jedoch keines ohne gewisse Mängel. Material- und Balancing-Schwächen verhindern eine höhere Wertung für uns.
Eine dicke Empfehlung an wasseraffine Optimierer gibt es aber auf jeden Fall!
Text: Chris