Verlag: Eagly-Gryphon / Skellig Autor: Vital Lacerda Spieldauer: 60-150 Min Spieleranzahl: 1-4
Der neue Lacerda ist da! Irgendwie immer ein besonderes Gefühl, wenn ich den neuesten Streich dieses großartigen Spieledesigners in den Händen halte. Ähnlich geht es mir mit Büchern von Sebastian Fitzek. Jede Branche hat eben ihr uneinholsames Zugpferd, das - auch wenn der Preis immer mehr anzieht - gekauft wird wie geschnitten Brot. So kurios dieser Vergleich auch ist, haben sowohl Lacerda als auch Fitzek für mich absolute Geniestreiche abgeliefert, jedoch danach auch immer wieder ziemlich geschwächelt. Keines ihrer Werke war schlecht, weit entfernt davon sogar. Aber bei weitem nicht alle sind für mich Meisterwerke. Und so wie ich auch jedes Mal beim neuen Fitzek auf den hoffentlich nächsten
Volltreffer warte, so ist es auch bei Lacerdas Spielen. Doch ich muss ganz klar sagen: Nein, auch dieses Mal gelingt Lacerda leider nicht der ganz große Wurf. Im Gegenteil.
Kein Feierabend-Experte
Ein lustiges Wort, das sich in unseren Spielegruppen mittlerweile etabliert hat, ist das "Feierabend-Expertenspiel." Damit ist ein ziemlich anspruchsvolles Spiel gemeint, das man auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch problemlos spielen kann. Ziemlich schnell wurde klar, dass "Weather Machine" nicht unter diese Kategorie fällt. Was Lacerda hier spielmechanisch aus dem Feuer haut und den Spielern abverlangt, ist heftig. Vom ersten Zug an rattern die Gehirnschrauben und das ändert sich auch nicht bis zum Schluss. Konzentration, Überblick, Timing und die richtige Strategie sind hier ein Muss, sodass man auf diese Grübelaufgabe Lust haben muss.
Was "Weather Machine" großartig macht
Erneut beweist Lacerda, dass er ein absoluter Virtuose darin ist, großartig verzahnte Spiele zu konstruieren. Kein Autor kommt da meiner Meinung nach an ihn ran und in "Weather Machine" setzt er im Vergleich zu seinen Vorgängertiteln noch einen drauf. Ich bin jedes Mal beeindruckt, wie unglaublich ausgeklügelt dieses Spiel ist. Bis in jede klitzekleine Ecke besticht das Spiel mit raffinierten Abhängigkeiten und geschickten Boniausschüttungen. Stets hat man die Qual der Wahl, dabei muss man höllisch aufpassen, sich nicht zu verzetteln. Grundsätzlich finde ich eine solche Herausforderung sehr reizvoll.
Mir gefällt hier vor allem, wie die Ressourcen über die Aktionsfelder generiert werden und dass nur eine davon zum Kauf von Bots, Werkstattplättchen, Chemikalien und zur Manipulation der Spielerreihenfolge benötigt wird. Alle anderen benötigt man für das Auslösen der Aktionen selbst sowie deren Kosten. Das ist clever gelöst und stellt die Spieler immer wieder vor Dilemmata, auf was man als nächstes gehen sollte. Garniert wird das dann mit drei unterschiedlichen Leisten, die man weitaus seltener aktiviert als man zuerst annimmt. Hier ist extrem gutes Timing gefragt, um zum richtigen Zeitpunkt davon zu profitieren. Auch die Generierung des (ebenfalls eher seltenen) Einkommens über die Bots, die Plättchenmechanik für Siegpunkte am Ende sowie die Bonusaktion zu Beginn des Zuges - alles sehr clever designt.
Worin "Weather Machine" versagt
Überraschenderweise verliert Lacerda mit "Weather Machine" aber das, was ihn immer ausgezeichnet hat - eine großartige Symbiose aus Thema und Mechanik. Schon "On Mars" hatte in diesem Punkt leichte Schwächen, kompensierte das aber mit der extrem gelungenen Shuttle-Mechanik. In "Weather Machine" sind wir nun an einem Punkt angelangt, bei dem das Thema nur noch belanglos und uninspiriert wirkt. Wir hatten zu keiner Zeit das Gefühl, Einfluss auf das Wetter zu nehmen, selbst die Wetterexperimente fühlten sich nicht mehr an als das Erfüllen eines Auftragsplättchens mit dem passenden Symbol.
Wo "The Gallerist" und "Kanban" spielmechanisch durch Eleganz punkten, gleichzeitig aber super komplex bleiben, sind die Züge in "Weather Machine" eher zäh. Trotz der tollen ikonographischen Hilfe unterteilen sich die Aktionen in mehrere Phasen, die dauern können. Vor allem, wenn man die Doppelaktion ausführt, kann es zum Geduldsspiel für die Mitspieler werden. Dabei sind die Aktionen selbst eigentlich gar nicht so lang, aber die Downtime entsteht hier vorrangig durch die Grübelanfälligkeit, ja nichts falsch zu machen. In "Weather Machine" ist das exakte Timing von Ressourcen enorm wichtig, sodass es immer wieder vorkam, dass längere Denkphasen unumgänglich waren, um gut zu spielen.
Viel schlimmer gestaltet sich aber die Kleinteiligkeit der Regeln, wenn z.B. Lativ weiterläuft und seine Bots zur Unterstützung für die Experimente schickt. Oder wie und wann Experimente abgeworfen werden oder wie die Extremwetter-Plättchen ins Spiel kommen und wieder verschwinden. Das und noch einige andere Details sind unintuitiv, völlig unthematisch und meiner Meinung nach auch nicht logisch. Sie funktionieren und erfordern enorm viel Timing und Überblick, ja. Aber das alles wirkt einfach komplex der Komplexität wegen.
Spielzeit und Material
Für eine Partie in Vollbesetzung benötigten wir immer um die 3 Stunden, zu zweit sind 120 Minuten realistisch. Für ein solches Expertenspiel passt das erstmal, aber schaut man genauer hin, steckt in dieser Zeit mehr Bedenkzeit als in anderen Lacerdas. Man muss hier schon extrem viel im Blick haben, sollte in manchen Momenten Fehler vermeiden und daher überlegt man oftmals ziemlich lange. Eine Ressource zu wenig kann den ganzen Zug ruinieren, schnappt jemand einem dann kurz vor dem eigenen Zug etwas vor der Nase weg, muss eventuell nochmal komplett neu geplant werden.
Selbstverständlich zeigt sich für die Ikonographie erneut Ian O´Toole verantwortlich und wie man es von ihm kennt, leistet er großartige Arbeit. Jede Aktion wurde klar und verständlich mit seiner Symbolsprache unterstützt, sodass man die mehrstufigen Aktionen wunderbar der Reihe nach durchgehen kann.
Dennoch leistet er sich illustratorisch kleine Patzer. Warum die Zahnradsymbole nicht einheitlich dargestellt werden, bleibt uns ein Rätsel, sind sie doch im Regierungsbereich ideal voneinander zu unterscheiden. Verwirrend sind zudem die Zahnräder im mittleren Experimentbereich. Hier stellen sie ausnahmsweise nicht die Zahnrad-Ressource dar, sondern sind lediglich im Hintergrund im Bild, um die "Wettermaschine" darzustellen. Auf der einen Seite verständlich, aber wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, eine unglückliche Entscheidung. Hier hätte man meiner Meinung nach eine andere Lösung finden müssen.
Die extra erwerbbaren Metall-Upgrade-Zahnräder sind richtig hübsch und wertig, allerdings kann man einige davon schlecht unterscheiden. Zwar kann man diese auch durch die Speichen innerhalb des Rades identifizieren, aber durch die teilweise schlechte Farbwahl tendieren wir hier sogar eher zu den Papptokens.
Chris: Würde man mich fragen, würde ich sicherlich nochmal eine Partie mitspielen, einfach weil das Spiel auf mechanischer Ebene großartig ist. Wenn ich dann aber an die Kleinteiligkeit der Regeln, den zähen Spielfluss und das miserabel umgesetzte Thema denke, weiß ich, dass ich diesen Lacerda im Gesamtpaket als den für mich bislang schwächsten halte.
Simon: Lacerda, eigentlich der Meister der verzahnten, aber dennoch thematisch großartigen Games - hat es hier nicht geschafft, das Thema auf eine gut ausgeklügelte Art der Mechanik anzupassen. Der Fokus auf Verzahnung macht mir keinen Spaß, die Züge sind super sperrig, die Downtime hoch und wenn man sich ein bisschen verplant, wird es ganz übel.
Sarina: Spielerisch hat mir das schon gut gefallen, aber es war echt zäh und sehr
grübellastig. Optisch in Ordnung, thematisch eine Katastrophe. Da war ich echt enttäuscht vom neuen Lacerda.
Holger: Wieder eine sehr gut verzahnte Spielmechanik mit interessanter Aktionswahl. Leider war mir mit 4 Spielern die Downtime zu hoch, da nicht nur die Auswahl der Aktionen dauert, sondern auch die Aktionen an sich. Zu zweit war das schon besser, allerdings war mir hier zu wenig Konkurrenz bei den Bot-Plätzen. Das Themengerüst finde ich eigentlich super, allerdings spielt es sich absolut unthematisch, das Thema kommt überhaupt nicht rüber. Das hat mich enttäuscht, da ich das bei anderen Lacerda Titeln anders gewohnt bin und ich für solch einen Preis dann auch mehr erwarte. Zudem der erste Titel mit Designschnitzern - die unterschiedliche Darstellung der Zahnräder finde ich ziemlich ungücklich.
Für uns ist "Weather Machine" eine klare Enttäuschung. Das Spiel hat enorm viel drauf, ist super komplex verzahnt und bietet auf spielmechanischer Ebene eine extrem reizvolle Aufgabe, jedoch auf Kosten vieler anderer Aspekte. Das, was Lacerda immer ausgezeichnet hat - eine perfekte Symbiose aus Thema und eleganten Zügen auf Expertenlevel - lässt er hier für uns schmerzlich vermissen. Aus diesem Grund wüsste ich nicht, weshalb ich noch weitere Partien "Weather Machine" spielen sollte, wenn es doch klar bessere Alternativen für uns gibt.
Text: Chris
22.11.2022