Der siebenjährige Krieg zwischen den Engländern und Franzosen um die "Großen Seen" ist in vollem Gange, wir als Spieler versuchen einmal mehr, unseren Indianerstamm weiterzuentwickeln. Wendake entpuppt sich schnell als recht komplexes, weil vielschichtiges, taktisches und enorm austariertes Eurospiel. Was aber macht Wendake anders als seine unzähligen Genregeschwister?
Besonders ist die letztendliche Ermittlung des Siegers. Es gibt keinen komplizierten Punktesalat, sondern lediglich vier Leisten (Ritual, Maskenzeremonie, Handel und Kampf). Jeweils zwei davon liegen über bzw. unter dem Spielfeld zusammen und für jede Kombi zählt am Ende der insgesamt sieben Runden nur die Leiste mit den wenigsten Spielpunkten. Es ist also zwingend notwendig, bei allen voranzuschreiten, was ein geschicktes Planungsmanagement sowie ein Auge auf alle Bereiche erfordert.
Das Material in der Spielebox ist üppig und größtenteils von hervorragender Qualität. Vor allem die Spielertableaus erinnern mit ihren Vertiefungen an Scythe und sind sowohl hübsch als auch komfortabel. Die meisten Ressourcen sind aus Holz, daneben gibt es noch stabile Pappmarker. Einzig der etwas unsaubere Druck ist uns diesbezüglich aufgefallen, bei einigen Teilen gibt es minimale Verschiebungen, was aber nicht sonderlich schlimm ist. Insgesamt hat uns das Material in jeglicher Hinsicht überzeugt,
eine durchweg hochwertige Produktion.
Die spielerische Besonderheit ist das 3x3 Raster mit Aktionsfeldern. Aktiviert man ein Feld, so muss man die anschließenden zwei Aktionen in einer Reihe fortsetzen (waagrecht, senkrecht oder diagonal). Verwendete Plättchen werden nach der Runde umgedreht, die untere Reihe rutscht raus und kann wieder umgedreht und verwendet werden - sehr schöner Mechanismus. Hierbei lässt sich jedes Mal eines der drei Plättchen gegen bessere Alternativen austauschen oder weitere Extraplättchen hinzukaufen, die unabhängig von den eigentlichen Rasteraktionen einmalig
pro Runde aktiviert werden können. Enorm gefallen hat uns die hohe Interaktion, da man ständig dabei ist, andere zu verdrängen, Aktionen vorher zu machen und zu blockieren, Mehrheiten in Gebieten anstrebt und Wettbewerb gegeneinander betreibt, ohne dabei allzu zerstörerisch zu sein. Auch thematisch punktet Wendake mit einer überraschend stimmigen Umsetzung von Vertreibung der Indianer oder dem nicht immer vorteilhaften Handel mit dem weißen Mann (Pocken befallen zufällig eigene Arbeiter). Hinzu kommt die enorme Variabilität durch unzählige Aktions- und Extraplättchen, Stammeskarten für unterschiedliche Startbedingungen und Fähigkeiten und auch die vier Siegpunktleisten können neu kombiniert werden, was für ordentlich Langzeitspaß sorgt.
Klingt alles grandios, oder? Ist es beinahe auch, denn tatsächlich sind wir bei genau einem elementaren Kernaspekt etwas zwiegespalten: dem Zwang, bei seinen Aktionen auf dem Raster eine Linie zu bilden. Einerseits werden jetzt viele sagen, dass das eben die Kunst ist, hier möglichst klug zu agieren und das Beste aus den Möglichkeiten zu machen. Das stimmt auch, aber dennoch fühlten wir uns hier und da etwas zu sehr eingeschränkt. Oft war es nach der ersten Aktion glasklar, was man im Rest seines Zuges macht. Auch das ist okay, aber es nimmt dem Ganzen spielerische Freiheit, die dem Spiel unserer Meinung nach noch besser zu Gesicht stehen würde. Dadurch, dass benutzte Aktionen eh erstmal nicht mehr verfügbar sind, bis sie aus dem Raster geschoben werden, wird man durch eine Aktivierung unserer Meinung nach genug ausgebremst.
Die folgende Variante fließt nicht in unsere Wertung mit ein:
Hausregeln sind eigentlich nicht gern gesehen bei uns, dennoch haben wir das Spiel mehrere Male spaßeshalber mit freier Aktionswahl gespielt und zwar so, dass eine gerade Linie verboten, anstatt gefordert ist. Hinzu kommt, dass wir die drei aus dem Raster geschobenen Aktionsplättchen nicht zufällig, sondern gezielt eingesetzt haben. Das Ganze hat uns so tatsächlich richtig gut gefallen und wer offen ist für solch eine zugegeben gravierende Änderung, kann ja einfach mal ein Testspiel wagen. :)
+ tolles Spielmaterial
+ thematisch überzeugend
+ innovativer Spielmechanismus
+ hohe Varianz und Langzeitspaß
(-) einige Plättchen suboptimal bedruckt
- Aktionsmechanismus nimmt stellenweise
etwas zu viel Entscheidungsfreiheit
Volltreffer! Wendake ist definitiv ein Jahreshighlight und gleichzeitig eines der besten Eurospiele der letzten Jahre. Vielseitig, gut verwoben, mit stimmiger thematischer Umsetzung und dem gewissen Etwas, damit es aus der Masse heraussticht.